
Hält Hamburg Vereinbarungen zu Verklappungen vor Cuxhaven nicht ein?
KREIS CUXHAVEN. Die Verklappungen in der Elbe beschäftigen die Grünen, die die Bedenken des BUND teilen. Auch ein NABU-Experte äußert sich mit deutlichen Wort.
Der Cuxhavener Ortsverband von Bündnis 90/Die Grünen teilt die Besorgnis des Umweltverbandes BUND wegen der aktuellen Baggerungen und Schlickumlagerungen in der Elbe sowie möglicher Negativ-Folgen für Elbe und Wattenmeer. Offenbar seien in den vergangenen Wochen auch weitere belastete Sedimente aus dem Hamburger Hafengebiet in die Elbmündung in den Bereich Scharhörn bis Neuer Lüchtergrund eingebracht worden.
Ein Teil sei auch zur Klappstelle E 3 bei Helgoland befördert worden. Der Ortsverband erinnert an die im März öffentlich von Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies vorgestellten Verhandlungsergebnisse, wonach Verklappungen bei Scharhörn zurückgestellt und die Verbringmenge für den Neuen Lüchtergrund auf 350.000 Kubikmeter begrenzt werden sollte. Außerdem sei eine Unterbrechung der Verklappungen belasteter Sedimente bis Ende September vereinbart worden.
"Es ist angesichts der eingegangenen Beobachtungen für uns kaum vorstellbar, dass hier die Vereinbarungen eingehalten wurden", so Christof Lorenz vom Ortsvorstand. Die Grünen fordern schnelle Aufklärung über die wirklich erfolgten Maßnahmen in der Elbe. Die Stadt Cuxhaven sucht derzeit aufgrund eines Antrags der Grünen-Fraktion nach einem Verfahren, regelmäßig verbindliche Auskünfte und Daten zu den erfolgten Schlickverklappungen zu erhalten.
Rechtliche Schritte prüfen
Ebenso warten die Grünen weiter auf Prüfergebnisse des Umweltministeriums für eine mögliche Klage des Landes Niedersachsen gegen die küstennahen Schlickverklappungen. Wenn nichts rechtlich unternommen werde, bestehe die Gefahr, dass Hamburg sich ab Oktober jedes Jahr rund 6 Millionen Kubikmeter Verklappungsmenge bei Scharhörn selbst genehmigen könnte - per Verwaltungsakt auf Grundlage der vorhandenen Auswirkungsprognose.
Der Schifffahrtsexperte des NABU Cuxhaven, Klaus Schroh, verweist unterdessen auf zahlreiche Widersprüche im Planfeststellungsbeschluss zur Elbvertiefung im Verhältnis zur heutigen Realität. Ursprünglich sollte die Elbvertiefung am 31. März 2021 offiziell beendet sein. Im Mai 2021 verkündete der Generaldirektor der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung Prof. Hans-Heinrich Witte in Wedel allerdings, dass man zunächst noch einmal das morphologische Verhalten der Tideelbe im Bereich der Fahrrinnenkanten kontrollieren müsse. Was die Umweltverbände bereits in der Antragstellung für den Planfeststellungsbeschluss erkannt hätten, sei inzwischen Realität geworden, so Schroh. Man habe wissen können, dass in der gezeitenabhängigen Tideelbe mit Strömungen bis zu maximal 5 Knoten (stellenweise auch bis zu 6 Knoten) eine Fahrrinnenkante mit einer Schräge von 1 zu 3 auf keinen Fall lagestabil erhalten bleibe und damit schwerkraftbestimmte Eintreibungen in die tiefere Fahrrinne zu erwarten seien.
Beispielloser Baggereinsatz
Inzwischen könne man auf der Unterelbe einen nie dagewesenen Baggereinsatz feststellen. Beispielhaft für den derzeitigen Baggeraufwand sei der jüngste Einsatz von sechs Großraumbaggern, die alltäglich 8 bis 10 Kilometer der Fahrrinnensole umpflügten und dabei bis zu 230 000 Kubikmeter aufnehmen und verklappen würden, mit verheerenden Folgen für die Artenvielfalt im Bereich der Baggerstrecken und der Verklappungsregionen zwischen Elbmündung und St. Margarethen, wie der NABU-Experte betont.
Schreiben an Bundesverkehrsminister Volker Wissing und seine zuständige Parlamentarische Staatssekretärin Daniela Kluckert (beide FDP) sowie Professor Witte und auch Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD), in denen der NABU auf die Unverhältnismäßigkeit des Einsatzes der Bagger und deren enorme Kosten im Vergleich zum Nutzen für die Schifffahrt verweist, seien bislang unbeantwortet geblieben, so Schroh.
Laut Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 2007 hieß es, dass es nach der Elbvertiefung keine Verklappung von Hamburger Baggermassen in der Nordsee mehr geben werde. Das Gegenteil sei heute der Fall. Heute würden bei der Tonne E 3 vor Helgoland rund 4 Millionen Kubikmeter verklappt.
Zugleich werde im Planfeststellungsbeschluss behauptet, dass ein Teil des Baggerguts, das beim Neuen Lüchtergrund verklappt werde, zwar von der Strömung erfasst würde, es aber nicht zu feststellbaren Einträgen ins niedersächsische Wattenmeer kommen werde. Tatsächlich würden heute fortlaufend Baggermassen aus der Tideelbe-Unterhaltung und dem Hamburger Hafengebiet auf dem Neuen Lüchtergrund verklappt.
Enorme Verschlickung
Im Nahbereich des Neuen Lüchtergrundes würden zudem Baggerungen in nie gekanntem Ausmaß stattfinden. Die Autoren der Planfeststellung behaupteten, dass sich bei den Umlagerungen Feinsande und Grobschluff parallel zur tiefen Rinne verteilen und nicht ins tiefe Fahrwasser eingetragen würden. Sedimenteinträge in den Nebengewässern seien vernachlässigbar. In Wirklichkeit berichteten die kleinen Sportboothäfen von meterdicken Schlickschichten. Die Zufahrt zum Wischhafener Fährkopf der Elbefähre Wischhafen-Glückstadt müsse unablässig vom Schlick freigehalten werden.
Des weiteren sei man im Planfeststellungsbeschluss davon ausgegangen, dass die Fahrrinnenanpassung nicht zu einer signifikanten Steigerung der Unterhaltungsbaggerung führen werde. Man ging von einem etwa zehnprozentigem Anstieg aus. Die Realität habe gezeigt, dass die Baggermenge von 18 Millionen Kubikmeter im Jahr 2007 auf 35,6 Millionen Kubikmeter im Jahr 2021 gestiegen sei.
Auch die angepeilte Lagestabilität des Unterwasserbauwerks "Medemrinne" sei nicht erreicht worden, so Schroh. Hier wird belastetes feinkörniges Baggergut zur Verringerung der Schadstoffwirkung mit unbelastetem Baggergut abgedeckt. Nunmehr könne Erosion festgestellt werden. Damalige Schätzungen der BUND-Kreisgruppe Cuxhaven und des Darmstädter Wasserbauexperten Professor Ulrich Zanke, die der Medemrinne eine Halbwertzeit von drei Jahren gaben, bevor es zu Erosionen käme, scheinen sich laut Schroh zu bestätigen. Die Planer der Elbvertiefung hätten diese Voraussagen stets als unzutreffend abgetan.
Der NABU-Experte bezeichnet die Widersprüche der Antragsteller im Planfeststellungsbeschluss im Nachhinein als "haarsträubend".