
Hausärzte in Cuxhaven schlagen Alarm: Corona-Drittimpfungen belasten die Praxen
KREIS CUXHAVEN. Die Auffrischungsimpfungen gegen das Corona-Virus stellen die Hausarztpraxen im Kreis Cuxhaven vor große Herausforderungen - denn sie sind die einzigen Anlaufstellen, seitdem das Impfzentrum geschlossen wurde. Der Frust bei einigen ist groß.
Wer Anfang des Jahres gegen das Corona-Virus geimpft wurde, braucht inzwischen eine Auffrischung - vorausgesetzt er fällt unter die von der Ständigen Impfkommission (STIKO) definierte Prioritätengruppe. Die Hausärzte sind dafür die ersten Ansprechpartner.
Belastungen für Ärzte enorm
Über 60 000 Covid-19-Impfungen werden laut der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) aktuell jede Woche in den niedergelassenen Praxen verabreicht. "Die ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte sind damit die tragende Säule der Impfkampagne geblieben. Der Impf-Einsatz der niedersächsischen Ärztinnen und Ärzte ist enorm", sagte Vorstandsvorsitzende Mark Barjenbruch am Dienstag in Hannover.
STIKO-Empfehlung entscheidend
Die STIKO empfiehlt die Auffrischungsimpfung gegen das Corona-Virus allen über 70jährigen und vorerkrankten Bürgern -allerdings frühestens nach sechs Monaten nach der zweiten Impfung. Auch Menschen, die den Johnson und Johnson-Impfstoff erhalten haben, wird die Booster-Impfung empfohlen. Die KVN bittet die anderen Patienten, vor einer Terminvereinbarung im Impfpass zu prüfen, ob die sechs Monate schon rum sind. Nach Berechnungen der KVN haben aktuell insgesamt 113 000 Bürger Anspruch auf eine Drittimpfung, 111 000 hätten bereits eine erhalten. Weitere 129 000 kämen im November hinzu, heißt es in einer Pressemitteilung.
Praxen gut besucht
"Wenn sich alle an die STIKO-Empfehlungen halten, ist der Aufwand für die Hausärzte zwar hoch, aber machbar", sagt Tim Schäfer, Pressesprecher des Hausärzteverbands Niedersachsen. Die Corona-Impfungen brächten sehr viel Verwaltungsaufwand, vor allem für die ohnehin gestressten medizinischen Fachangestellten mit sich. "Und gerade ist wegen vieler anderer Infektionserkrankungen in den Praxen viel zu tun", so Schäfer.
Hoher Personaleinsatz in Praxen
Der Cuxhavener Hausarzt Peer Vanini sieht die Situation kritischer als sein Berufsverband. "Wir sind mit der Drittimpfung unserer Patienten im Prinzip überfordert", sagt er. Denn die Erst- und Zweitimpfungen hätten drei Viertel seiner Patienten im Impfzentrum erhalten. "Jetzt kommen alle zu uns", so Vanini. Die Schließung des Impfzentrums hält er deshalb für einen Fehler. "Wir bieten zwei Mal die Woche drei Stunden eine Impfsprechstunde an, das heißt sechs Überstunden pro Woche für zwei meiner Mitarbeiterinnen", so Vanini. Hinzu käme eine 30-Stunden-Kraft die ihre ganze Arbeitszeit mit dem Verwalten der Patientenlisten beschäftigt sei.
Ärger über Politik
"Alle Patienten zu impfen, deren Zweitimpfung jetzt gerade sechs Monate her ist, ist schlicht nicht darstellbar", so Vanini. Der Arzt priorisiere seine Patienten aktuell dem Alter entsprechend. "Wir sind jetzt bei Mitte 70-Jährigen etwa angekommen." Vanini geht deshalb davon aus, dass er mit den Drittimpfungen der aktuell empfohlenen STIKO-Gruppe bis März/April beschäftigt sein wird. Mit der Politik ist der Cuxhavener Arzt "ausgesprochen unzufrieden" - nicht nur wegen der Schließung der Impfzentren. "Aber wenn Herr Spahn im Fernsehen sagt, dass jetzt alle eine Drittimpfung erhalten können, rufen am nächsten Tag viele Patienten an." Das bringe den Arzt in Konflikt, denn er hält sich an die STIKO-Empfehlung, die eben die Drittimpfung noch nicht für Jedermann vorsieht.
Impfsprechstunden in den Praxen
Das hält auch sein Otterndorfer Kollege, Dr. Stefan Brockmann so. Der Allgemeinmediziner bietet Freitags eine Impfsprechstunde an, weil die vorgeschriebene Beobachtungszeit nach den Corona-Impfungen während der normalen Sprechstunde nicht durchführbar sei. Auch er beschreibt den Aufwand als hoch. "Wir machen an den Freitagen nichts anderes", so Brockmann. Zwei Mitarbeiterinnen seien mit Impfstoff-Aufziehen, Impfen und Dokumentieren beschäftigt.
14 Tage Vorlauf bei Bestellungen
"Neuerdings müssen wir auch die Chargennummer der Fläschchen angeben, sonst bekommen wir kein Geld", nennt er ein Beispiel. Die Nachfrage für eine Auffrischungsimpfung sei hoch, inzwischen führe er eine lange Liste mit in Frage kommenden Patienten. "Wir haben aber zwei Wochen Vorlauf bei den Impfstoffbestellungen, können also erst in 14 Tagen beginnen", schränkt er ein. Das kritisiert auch Schäfer vom Hausärzteverband. "Wir versuchen, das Problem zu lösen", versichert er.
Mobile Teams entlasten in den Heimen
Eine Entlastung der Hausarztpraxen sieht Vanini in absehbarer Zeit nicht. Immerhin: Die mobilen Teams des Landkreises nehmen die Impfungen in den Heimen ab. "Das wäre für mich sonst nicht machbar", so Vanini.