
Hemmoorer Boxer beinahe Europameister: Das macht Erwin Heiber heute
HEMMOOR. Mit etwas mehr Glück hätte aus Erwin Heiber eine ganz große Nummer im Profiboxsport werden können. Der gebürtige Hemmoorer war zwei Mal ganz dicht dran am EM-Titel.
Der erste Kampf ließ nicht lange auf sich warten. Gegen seinen vier Jahre älteren Bruder Fred musste Erwin in den Ring steigen. Wie üblich wurde dieser Einlagekampf unentschieden gewertet. Heiber ergänzt mit seinem typischen, verschmitzten Lächeln: "Dafür gab es ‘ne Tafel Schokolade." Sein Talent wurde gefördert von seinem Trainer Manfred Ulrich, der ihn bis zur Deutschen Juniorenmeisterschaft im Jahr 1973 brachte. Für den 17-Jährigen gab es damals sogar einen riesigen Empfang am Bahnhof.
"Danach musste ich raus, um mich weiter zu entwickeln", erklärt der heute 64-Jährige seine Entscheidung, 1974 mit gerade einmal 18 Lenzen zum Boxclub Heros nach Hamburg zu wechseln. Heiber musste sich schon umstellen: "Das war schon was ganz anderes. Das war knallhartes Training. Wir mussten erst draußen acht Mal 400 Meter laufen, erst dann ging es rein - dann ging es mit Sandsack-Arbeit und Sparring weiter." In der Hansestadt hatte der junge Mann ein Zimmer, aber irgendwann zog es ihn noch einmal zurück nach Hemmoor. Der gelernte Maurer musste zur Bundeswehr. Während seines Wehrdienstes entschied er, Profi werden zu wollen. Mittlerweile pendelte er zwei- bis dreimal pro Woche für das Training von Hemmoor nach Hamburg. "Mein Bruder Albert war damals schon auf dem Kiez und hatte Kontakte zur Ritze. Da habe ich dann trainiert", beschreibt Heiber, warum er den Weg in den berühmten Boxkeller gefunden hatte.
800 Mark, aber nur ein Hobby
Für seinen ersten Profikampf im Jahr 1976 erhielt er 800 Mark. Hört sich für damalige Verhältnisse im ersten Moment stattlich an, aber Heiber ergänzt: "Wenn man den ganzen Aufwand abrechnet, dann war das doch unterm Strich nur Hobby." Der junge Berufsboxer bestritt nun diverse Kämpfe, die ersten fünf entschied er alle für sich, aber die ganz große Börse war noch nicht dabei. "In der Zeit konntest Du auch nicht das große Geld verdienen", so Heiber, der dann jedoch Anfang der 1980er-Jahre schon etwas mehr verdiente.
Dieser Titelgewinn fiel in die Zeit, als er sich beruflich veränderte. Der Maurer wechselte vom Bau zum Hemmoorer Bauhof. Nun war es so, wenn er sich intensiv auf einen großen Kampf vorbereiten wollte, dass er für das aufwendige Training ein paar Wochen unbezahlten Urlaub nehmen musste. So unter anderem bei der beeindruckenden Titelverteidigung im Mai 1987 gegen Jürgen Broszeit. Ein technischer K.o. in der zweiten Runde beendete diesen Kampf, der damit auch beste Werbung für höhere Aufgaben, sprich internationale Einsätze, war. Im August endete ein Kampf gegen den Niederländer John van Elteren, immerhin Benelux-Meister, remis, obwohl Heiber hier zweimal zu Boden ging.
Die Voraussetzungen waren aber nicht optimal. Zwar war Heiber voll im Training, aber wegen der Kurzfristigkeit litt er nach dem Flug von Florida nach Hamburg unter dem Jetlag und er musste wieder eine Gewichtsklasse höher antreten. Dennoch lieferte er eine engagierte Leistung in dem über zwölf Runden angesetzten Fight vor 2000 Fans in der Alsterdorfer Sporthalle. "Ich hatte ihn auch angeschlagen, aber dann kam sein Konter an mein Kinn", erinnert sich der heute in Stade lebende Boxer. "Die Wirkung des Schlags habe ich noch lange gespürt, aber K.o. gegangen bin ich nicht, das bin ich als Profi nie. Einmal als Amateur traf es mich."
Keine Kraft mehr zum Weitermachen
In der elften und vorletzten Runde warf Heibers Ecke das Handtuch als Zeichen der Aufgabe. "Ich war stehend K.o., obwohl der Kampf bis dahin relativ ausgeglichen war", so die Einschätzung des Unterlegenen. "Dann war der Traum aus - auch vom großen Geld, als Titelverteidiger wären ganz andere Börsen drin gewesen." Der Franzose Jacquot hat anschließend Kasse gemacht. Er wurde später durch einen Sieg über den US-Amerikaner Donald Curry sogar Weltmeister.
Es war der richtige Zeitpunkt, sich auf das Leben neben dem umspannten Viereck zu konzentrieren. Mit seiner Frau zog er nach Pforzheim, doch der Norden hatte eine größere Anziehungskraft, 1990 ging es zurück nach Hemmoor und kurz danach nach Stade. Heiber begann erst in Bremen und später in Hamburg bei Daimler in der Automobilindustrie zu arbeiten. Anfang 1992 kam Tochter Rilana zur Welt. Auch wenn Heiber mittlerweile von seiner Frau geschieden ist, verstehen sich beide heute noch prächtig und sie sind beide mächtig stolz auf ihre Tochter, die Staatsanwältin ist. "Unser ganzer Stolz."
Zu Heibers Zufriedenheit kommt hinzu, dass er körperlich fit ist. "Ich gehe auf die 65 zu und fühle mich wohl", betont er und führt den Kaffeebecher zum Mund. Jetzt als Rentner nimmt er sich auch Zeit für andere Dinge. Stolz zeigt er seine beiden neuesten Errungenschaften in der Garage. Neben einem E-Bike steht ein Motorrad. "Den Traum von der Harley Davidson hatte ich schon immer und im letzten Jahr habe ich ihn mir erfüllt. Das hätte ich schon viel früher machen müssen", erklärt Heiber das Gefühl einer ganz neuen Freiheit, die er in vollen Zügen genießen will, "wenn denn dann endlich diese verdammte Corona-Zeit vorbei ist".
Kampfstatistik
Kämpfe: 37
Siege: 23
K.-o.-Siege: 9
Niederlagen: 6
Unentschieden: 8
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