
Im Blindflug durch Cuxhavener Schneelandschaft
KREIS CUXHAVEN. Mit unserer Serie "Das weiße Chaos" über den Jahrhundertwinter 1978/79 scheinen wir bei vielen Lesern einen Nerv getroffen zu haben. Noch immer erreichen uns Fotos und Erlebnisberichte zur unvergessenen Schneekatastrophe im Cuxland.
40 Jahre ist es her, dass die Schneekatastrophe das öffentliche Leben fast zum Stillstand brachte und die Menschen zugleich enger zusammenrücken ließ. "Wir werden diese Zeit ewig in Erinnerung behalten", schreibt Heidemarie Heere aus Cuxhaven. Sie und ihre Familie lebten damals in Sankt Augustin (Nordrhein-Westfalen). Weil die Tochter Weihnachten 1978 mit einer Keuchhustenerkrankung zu kämpfen hatte und der Kinderarzt eine Luftveränderung empfahl, entschlossen sich die Heeres, am Jahresende nach Cuxhaven zu reisen. "Am 29. Dezember, nach der Arbeit, ging es mit dem Auto bei fast 15 Grad plus in Sankt Augustin los. Wir waren zu dieser Zeit noch sehr arglos; da die Temperatur sehr milde war, haben wir uns keine Wettervorhersage angehört. Ab Münster in Westfalen fing es an zu regnen, auch das ist für diese Jahreszeit ja typisch. Aber dann ging es los: Überall Blaulicht und Streuwagen. Wir hatten einen Temperatursturz unter null Grad. Plötzlicher Eisregen verwandelte die Fahrbahn in eine gefährliche Eispiste. Wir dachten: 'Jetzt sind wir hier in einem falschen Film gelandet.'"
Es kam aber noch viel schlimmer: "Das Schneetreiben verwandelte sich von Minute zu Minute in einem Schneesturm der Extraklasse. Wir schlichen durch Berge von Schnee und der gleichzeitige Schneefall kam waagerecht auf uns zu. Ich fuhr und mein Mann sagte: 'Nicht stehen bleiben sonst stecken wir fest.'"
Erwin Heere kurbelte das Seitenfester runter, um eventuelle Hindernisse auf der Straße besser zu entdecken. Seine Frau blieb ruhig, fuhr im "Blindflugmodus": "Meine hundert Stoßgebete zum Himmel haben uns wohl letztendlich geholfen, wie aus den Nichts sahen wir schwaches Licht. Es war Nordholz, wo die Bundeswehr mit schweren Panzern und Räumfahrzeugen die über zwei Meter hohen Schneeverwehungen durchpflügte. Langsam durften wir hinter einem Räumfahrtzeug herfahren und kamen erschöpft, aber selig in Cuxhaven an." Und die kranke Tochter? "Sie erholte sich in der klaren, frischen Nordseeluft schnell von ihrer Keuchhustenerkrankung."
Eine besondere Geschichte hat auch Monika Nicolaus (Wurster Nordseeküste) zu erzählen: "In unserem Ferienhaus in Spieka-Neufeld und in unserer Ferienwohnung waren im Winter 78/79 amerikanische Soldaten einquartiert. Als alle Wege zugeschneit waren, wurden die drei oder vier Amerikaner ausgeflogen. Der Hubschrauber landete zur Freude meiner Söhne - damals acht, zehn und zwölf Jahre alt - auf einem Feld, fast direkt neben unserem Haus." Durch die Gäste aus den Vereinigten Staaten lernten die Kinder amerikanische Bräuche kennen. Sowohl die Soldaten als auch der Nicolaus-Nachwuchs hatten viel Spaß in diesem Jahrhundertwinter: "Gemeinsam waren es einfach große und kleine Jungs, die diese Katastrophe mit meterhohen Schneedünen voll genossen haben. Ein Tunnel wurde zum Beispiel gebaut, damit man zur Kellertür kam. Schneeballschlachten gab's sowieso. Und verpflegt wurden alle von mir am großen Küchentisch." Für Monika Nicolaus war dieser Winter keine Katastrophe. Im Gegenteil: "Schön war's."
Auf Skiern am Deich
Auch Martha Klinger aus Cuxhaven denkt eher positiv als negativ an den Jahrhundertwinter zurück. Sie hat der CN/NEZ-Redaktion gleich mehrere Fotos zur Verfügung gestellt, die eindrucksvoll zeigen, wie hoch sich der Schnee im Norden türmte. Auf einem dieser Fotos ist ihr Mann Rolf zu sehen - strahlend, auf Skiern am Deich.
Eindrucksvolle Aufnahmen vom Winter 78/79 hat Egon Lunden aus Ihlienworth eingereicht. Sie zeigen die Schneekatastrophe aus ganz unterschiedlichen Perspektiven und an ganz unterschiedlichen Orten. Lunden war damals bei der Bundeswehr im Einsatz und rollte im schneebedeckten Panzer durchs Cuxland. Seine Fotos dokumentieren auch die Folgen des Jahrhundertwinters: die Schneeschmelze. Sie richtete mit ihren Wassermassen teils erhebliche Schäden im Landgebiet an.