Frank Busemann (l.) wurde durch einen sensationellen Zehnkampf bei den Olympischen Spielen in Atlanta zum Liebling der Nation. Foto: Kleefeldt/dpa
Frank Busemann (l.) wurde durch einen sensationellen Zehnkampf bei den Olympischen Spielen in Atlanta zum Liebling der Nation. Foto: Kleefeldt/dpa
Kinder und Jugendliche im Sport

Interview mit Frank Busemann zum Tag des Sports in Cuxhaven

30.06.2022

CUXHAVEN. Kinder und Jugendliche bewegen sich zunehmend weniger - mit Folgen vor allem für die Gesundheit. Beim niedersächsischen Tag des Sports am Sonnabend, 2. Juli, in Cuxhaven sollen Anreize zum Sporttreiben gegeben werden.

Unter anderem durch die Sportabzeichen-Tour. Deren Schirmherr Frank Busemann, Vize-Olympiasieger von 1996, erzählt im Interview mit Lars Brockbalz, wie man den Bewegungsdrang bei Kindern fördern kann, warum die Leichtathletik Nachwuchs-Probleme hat und welche seine persönliche Problemdisziplin beim Sportabzeichen ist.

Seit vielen Jahren wird von Experten geklagt, dass sich viele Kinder und Jugendliche zu wenig bewegen. Sehen Sie das auch so?

Schon. Wir Sport-Enthusiasten haben harte Widersacher. Das Angebot an nicht-sportlichen Aktivitäten wird immer größer. Mit Konsolen, Social Media, Fernsehen, Streaming und all diesen Dingen.

Welche Folgen hat das?

Als ich Kind war, hatten wir viel mehr Zeit, uns draußen zu bewegen, weil die Ablenkungen weniger waren. Ich sehe an meinen drei Kindern - die sind 7, 10 und 13 Jahre alt -, dass es immer schwieriger wird sie zu bewegen, mal nach draußen zu gehen und zu spielen. Ihr Tag ist so eng getaktet mit Hausaufgaben, Training im Verein und anderen Verpflichtungen. Und dann zocken die halt auch gern. Da müssen die Eltern aufpassen, dass noch Zeit für Bewegung bleibt.

Wie wollen Sie als Botschafter für das Sportabzeichen dabei helfen?

Als ich vor 13 Jahren von "Kinder Joy of Moving" angesprochen wurde, ob ich Schirmherr werden möchte, habe ich gedacht: Entwicklungshilfe für das faule Kind? Nee, danke. Aber weil mir der Sport immer viel gegeben hat, habe ich gesagt: Ich schaue mir das ein Jahr an, und wenn die verzogenen Kinder alle gegen mich arbeiten, lasse ich das. Dann kam ich auf den Sportplatz - 2009 war das - und die hatten alle Bock. Der Bewegungsdrang bei Kindern ist da. Es liegt in der Hand der Erwachsenen, dass die Bewegung bei Kindern nicht verkümmert.

Kommen zu solchen Veranstaltungen wie der Sportabzeichen-Tour des Deutschen Olympischen Sportbundes nicht sowieso nur Kinder, die sowieso schon viel Sport treiben?

Wenn die Kinder von sich aus kommen sollen, wird es bei einigen natürlich schwer. Die Sportabzeichen-Tour ist aber größtenteils über die Schulen organisiert. Wenn die Kinder dann einmal da sind und ihre Erfolgserlebnisse haben, dann werden sie zu mehr Sport animiert, weil sie sehen: Hey, ich kann das gut. Bei den Veranstaltungen sind immer 1000 bis 4000 Kinder dabei. Da sehe ich immer eine große Begeisterung. Die Schüler haben ein Erfolgserlebnis, wenn sie das Sportabzeichen geschafft haben, und gehen dann mit einem guten Gefühl nach Hause.

Beim Sportabzeichen sind leichtathletische Übungen der Kern. Täuscht der Eindruck, oder kommt Leichtathletik immer mehr aus der Mode?

Das ist leider so. Und das ist ein Riesenproblem. Ich muss mir nur mal Landesmeisterschaften anschauen. Da gab es früher 50 Starter mit Vor-, Zwischen- und Endläufen. Heute sind die Verbände froh, wenn die einen Endlauf mit acht Startern vollkriegen. Heute gibt es viel mehr Sportarten und andere Ablenkungen. Wir müssen die Leichtathletik, die meiner Meinung nach die beste Sportart der Welt ist, wieder sexy machen. Das ist gar nicht so einfach. Leichtathletik wird mit langem Laufen und Anstrengung verbunden. Zum Zuschauen im Fernsehen ist das geil. Aber selber machen? Puh, zu anstrengend.

Da können nur die Trainer aktiv werden...

Ja, aber da kommt noch die gesellschaftliche Entwicklung dazu. Es gibt immer weniger Trainer. Das Ehrenamt stirbt immer mehr aus. Die Anforderungen im Berufsleben werden höher, da gibt es weniger Inseln für Engagierte, die sagen: Ich gehe acht Stunden arbeiten und verbringe abends noch meine Freizeit mit fremden Kindern im Verein. Das ist kein Vorwurf an diejenigen, die das nicht mehr stemmen können. Sondern ein Vorwurf an uns als Gesellschaft, dass wir dem Ehrenamt nicht genug Wichtigkeit beimessen.

Hilft die Sportabzeichen-Tour den Vereinen?

Ja. Man kann das auch nutzen, um Nachwuchs für die Vereine zu gewinnen. Ich weiß noch, wie mein Vater, der Lehrer war, früher immer bei Sportfesten über die Sportplätze getigert ist, um Nachwuchs zu finden. So habe ich meinen besten Freund kennengelernt. Der war Fußballer und konnte schnell über 75 Meter laufen. Mein Vater hat ihn überredet, zum Leichtathletik-Training zu kommen. Heute bin ich sein Trauzeuge und Patenonkel bei seiner Familie. Man sieht: Leichtathletik stiftet Liebe (lacht).

Steht bei der Sportabzeichen-Tour der Sport im Vordergrund oder der Spaß?

Ich will immer, dass es den Kindern Spaß macht. Natürlich sind es Wettkämpfe, aber auch der Letzte ist ein Sieger, wenn er sich Mühe gibt. Das Schöne beim Sportabzeichen ist ja, dass nicht die Platzierung zählt, sondern meine Zeit: Habe ich es geschafft oder nicht geschafft? Ganz wichtig ist: Spaß und Leistung schließt sich nicht aus.

Wie oft haben Sie selbst das Sportabzeichen schon abgelegt?

Keine Ahnung. Bei den Sportabzeichen-Tagen ist es oft so, dass ich 50 mal 50 Meter laufe mit den Kindern und dann gar nicht mehr dazu komme, meine eigenen Übungen abzulegen. Ich werde oft gefragt: Schaffen sie das Sportabzeichen in Gold noch? Ich sage dann immer scherzhaft: Wenn ich das nicht schaffe, dann sind die Normen falsch festgelegt. So ein bisschen Rest-Talent ist dann doch noch da (lacht).

Haben Sie als ehemaliger Zehnkämpfer eine Problemdisziplin?

Na sicher: Schwimmen! Ich schwimme wie ein Stein und tauche wie ein Korken. Das ist die klassische Leichtathleten-Krankheit. Ich frage andere Leichathleten immer: "Und, kannst du schwimmen?" Und wenn einer ja sagt, sage ich: Du bist kein richtiger Leichtathlet.

Für Menschen mittleren Alters ist der Zehnkampf von Atlanta 1996, bei dem Sie sensationell Silber gewannen, eine bleibende olympische Erinnerung. Sie werden bei den Veranstaltungen garantiert ständig drauf angesprochen. Ist das eine Last?

Nein, es ist ein Traum! Ich liebe es! Es ist unweigerlich mit mir verbunden, und ich erzähle gerne davon. Es ist doch supergeil, wenn die Leute das heute noch wissen. Das hat mein Leben komplett auf den Kopf gestellt und mich auf diesen Weg gebracht, auf dem ich heute unterwegs bin. Hätte ich 1996 nicht Silber geholt, würde ich nicht seit 13 Jahren die Sportabzeichen-Tour begleiten und Vorträge in Unternehmen halten.

1996 wurden Sie plötzlich zum Liebling der Nation ...

Ich habe das damals gar nicht so eingeschätzt. Ich habe gedacht: Meine Familie und ein paar Freunde werden das verfolgt haben, aber sonst interessiert das keine Sau. Ja, denkste! Ich habe nach dem Wettkampf meine Freundin - mit der ich heute verheiratet bin - angerufen und gesagt: "Der Wettkampf war nicht schlecht, oder?" Die hat mich gefragt: "Bist du irre? Weißt du, was hier los ist? Die Leute stehen Kopf!"

Wenn Sie jetzt mit den Kindern Sport machen, wissen die, wer Sie sind?

Nein. Ich bin für die ein alter Mann. Als ich bei den Olympischen Spielen Zweiter wurde (Busemann war damals 21, Anm. der Red.), war mein Vater etwa so alt wie ich jetzt. Und der war für mich damals ein uralter Mann. Die Kinder kennen die Geschichte nicht und das von früher interessiert sie auch nicht. Aber das Schöne ist ja, dass der Sport verbindet. Beim Sport stehen alle in kurzen Hosen und alle sind gleich. Ich gehe auf die Kinder zu, und irgendwie kommen wir immer ins Gespräch. Wenn die dann hören, dass ich bei Olympia war, staunen die entweder oder wollen mich im Rennen unbedingt schlagen.

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