Kostenexplosion: Bäcker in Cuxhaven erhöhen die Preise
KREIS CUXHAVEN. Die Cuxhavener Bäckerei Tiedemann hat zum 1. Juli ihre Preise angepasst - zum zweiten Mal in diesem Jahr. Dahinter stecken gravierende Kostenexplosionen, wie auch der Obermeister der Innung erklärt.
Völlig überraschend kommen die Preisanpassungen für die Kunden nicht, spätestens seit der Knappheit von Öl und Mehl war klar, dass auch die Bäckereien im Kreis Cuxhaven ihre Preise werden anpassen müssen. Einige Bäckereien haben das bereits getan, Tiedemann zuletzt am ersten Juli - bereits zum zweite Mal in diesem Jahr wie Chef Kristian Tiedemann erklärt.
Materialkosten für Bäcker explodiert
"Die Gründe für die Preisanpassungen, die auch wir schon vorgenommen haben, sind vielfältig", erklärt Jörg Itjen, Inhaber der Bäckerei Itjen und Obermeister der Bäckerinnung Elbe-Weser. Ein großer Posten sei der im Oktober verpflichtend kommende Mindestlohn. Arbeitgeber sind dann verpflichtet, ihren Angestellten statt wie bisher mindestens 9,60 Euro die Stunde, 12 Euro die Stunde zu bezahlen. "Der Mindestlohn ist richtig, wir wollen alle unsere Leute gut bezahlen", betont Itjen. Aber: "Bäckereien sind extrem lohnintensiv, die meisten haben etwa 50 Prozent Lohnkosten", sagt Itjen. Entsprechend schlage die Einführung des Mindestlohns ins Kontor.
Mehl doppelt so teuer
"Der andere große Baustein sind die gestiegenen Kosten beim Material, wir zahlen etwa ein Drittel mehr als vorher", sagt Itjen. So koste das Kilo Mehl inzwischen 60 Cent statt 30 Cent. "Wir brauchen in der Woche etwa acht Tonnen Weizenmehl und zwei Tonnen Roggenmehl", erklärt Itjen. Sprich: Statt 2400 Euro für Weizenmehl muss er inzwischen 4800 Euro dafür aufbringen - pro Woche. Aber auch Milchprodukte seien deutlich teurer als früher. "Für den Liter Sahne zahlen wir jetzt fast vier Euro, Quark kostet plötzlich 2,50 Euro statt 1,80 Euro", zählt Itjen als Beispiele auf. Und klagt: "Einige der Lieferanten nutzen die Preisanpassungen schamlos aus und wir befinden uns da schon in einer Abhängigkeit."
Gasversorgung macht Bäckern Sorge
Das dritte große Sorgenkind der Bäcker sei die Gasversorgung. "Wenn es kein Gas mehr gibt, steht die Backstube still", warnt Itjen. Zwar hätten viele Kollegen Verträge, die sie noch vor Preisexplosionen schützten, aber das sei nicht bei allen so. "Es gibt Kollegen, die haben im Gasbereich eine Preissteigerung von 350 Prozent", zeigt Itjen auf. Dass die Bäcker von der Gasversorgung ganz abgeschnitten werden, ist nach den aktuellen Ankündigungen eher unwahrscheinlich (siehe Zusatzinfo). "Aber wir sorgen uns schon darum, ob es vielleicht weniger Gas gibt und wir dann vielleicht weniger arbeiten müssen und es wieder zu Kurzarbeit kommt", sagt Itjen.
Konkurrenz billiger als Cuxhavener Bäcker
Neben der Preisanpassung hätten viele Bäckereien auch die Produktpalette angepasst. "Produkte ganz rausnehmen, ist aber für die Kunden auch schwierig", sagt Itjen. Insgesamt sei das Handwerk aber sehr sensibel geworden, was das Thema Nachhaltigkeit angehe und bemühe sich, nicht mehr so viel weg zu schmeißen, wie früher. "Die Retourenquote liegt aktuell bei etwa fünf bis sieben Prozent", erklärt Itjen. "Ein bisschen Angebot muss es aber auch um 17 Uhr noch geben", so Itjen.
Sorge vor Bäcker-Sterben
Die Kunden hätten zum größten Teil Verständnis für die notwendigen Preisanpassungen. "Aber es gibt schon die Sorge, wie lange das noch anhält", so der Innungsmeister. Denn auch für die Verbraucher werde das Geld ja knapper und die Konkurrenz für die Handwerksbetriebe sei durch die Discounter groß geworden. "Ich habe von Kollegen im Münsterland gehört, dass sie einen Umsatzrückgang von 15 Prozent verzeichnen müssen", erzählt er. Im Kreis Cuxhaven sei das bisher noch nicht so. "Aber der Trend ist eindeutig, wir hatten mal 25000 Betriebe in Deutschland, inzwischen sind es nur noch 10 000." Dabei seien die mittelständischen Unternehmen auch für die Orte oft wichtig, weil sie sich engagierten. "Wir müssen die Vielfalt erhalten, mit jedem Bäcker der stirbt, geht uns auch ein Produkt verloren", sagt Itjen.
Das passiert bei einem Gasnotstand
- Sollte der Gasnotstand ausgerufen werden, kommt es zur so genannten Priorisierung. Die Bundesnetzagentur entscheidet dann, wer wie viel Gas bekommt.
- Ausgenommen davon sind Privathaushalte, Schulen, Krankenhäuser und medizinische Einrichtungen, sowie Selbstständige mit einem Gasverbrauch unter 10 000 Kilowatt pro Jahr.
- Ebenfalls geschützt sind Gewerbebetriebe mit einem Verbrauch von bis zu 1,5 Millionen Kilowattstunden im Jahr, darunter fallen etwa Bäckereien und Supermärkte.
- Freizeiteinrichtungen wie Schwimmbäder beispielsweise müssen sich aber auf eine Sperrung einstellen.
- Andere Industriezweige werden anhand von sechs Kriterien ausgemacht, etwa dem Verbrauch, dem anzurichtenden Schaden, die Geschwindigkeit, mit der die Produktion wieder aufgenommen werden kann, etc.