Kunst oder Schmiererei? Graffiti-Werke in Otterndorf polarisieren
OTTERNDORF. Für die einen sind es Schmierereien und Sachbeschädigungen, für andere ist es Kunst im öffentlichen Raum: Graffiti.
In Otterndorf kommt es immer wieder vor, dass Gebäude, Fassaden, Mauern und Kunstwerke mit bunten Graffiti besprüht werden. Zuletzt ist die Schutzhütte im Stadtpark Ziel von Sprayern geworden. Die Reaktionen pendeln zwischen Verständnis für die Jugendlichen und Empörung.
In den sozialen Netzwerken sorgt das Thema derzeit für reichlich Diskussion. Während die einen die Sprühkunst neben der Hundewiese als respektlose "Beschädigung von fremdem Eigentum" bewerten und den Täter (oder die Täterin) dazu verdonnern möchten, die "Schmiererei mit einer Zahnbürste" wegzuputzen, würdigen andere das Talent des unbekannten Sprayers: "Sieht gar nicht mal schlecht aus". Ein konstruktiver Vorschlag kommt von dem Neuhäuser Künstler Nils Mette: "Ich könnte das komplette Häuschen bunt bemalen - damit es zu dem Graffiti passt. Dies würde ich sogar kostenlos machen."
Ein Sprachrohr der Jugend
Vandalismus oder Kunst? Schmiererei oder Ausdruck einer Jugendkultur? Das Thema Graffiti polarisiert seit Jahren. Genauso lange schon wird nach Lösungen gesucht, die beide Seiten zufriedenstellen. "Der Grat zwischen Freude und Ärger ist oft sehr schmal", weiß der Otterndorfer Jugendpfleger Erwin Simmering. Dennoch, betont er, sei Graffiti eine "Kunstform und ein Sprachrohr von Teilen der Jugend mit Regeln und Respektformen." Simmering verweist auf Graffiti im Jugendzentrum, die dort seit vielen Jahren die Wände verzieren. "Sie werden respektiert und dienen der Vandalismus-Prophylaxe." Auch das Spielmobil und die Anhänger für Spielgeräte wurden von Jugendlichen ganz legitim mit Farbe besprüht.
Sowohl die öffentliche Ordnung als auch die Interessen der Jugendlichen hat Stadtdirektor Frank Thielebeule im Blick. Wenn öffentliche Gebäude oder Kunstwerke wie die Edelstahl-Skulpturen im Amtsgerichtspark mit Farbe und Parolen beschmiert werden, dann ist das für ihn "ganz klar Sachbeschädigung". Dann wird auch schon mal Anzeige gegen unbekannt eingereicht. Auf der anderen Seite zeigt der Verwaltungschef und frühere Jugendamtsmitarbeiter des Landkreises durchaus Verständnis für den Nachwuchs: "Graffiti ist eine Möglichkeit für Jugendliche, sich darzustellen." Aus seiner Sicht sei die Sprühkunst an der Schutzhütte zu tolerieren, zumal der Stadtpark von vielen Jugendlichen als Treffpunkt genutzt werde.
Hakenkreuz wird entfernt
Was für ihn aber auf keinen Fall gehe, seien politisch fragwürdige Parolen oder Symbole. Ein Hakenkreuz, das ebenfalls auf die Hütte an der Hundewiese gemalt wurde (mittlerweile haben es Unbekannte durchgestrichen), werde zügig entfernt. Darauf legt auch Otterndorfs Bürgermeister Claus Johannßen großen Wert: "Das Hakenkreuz ist völlig unakzeptabel." Er erwarte, dass man diese Tat zur Anzeige bringt.
Wo aber können sich junge Spraykünstler ganz offiziell "austoben"? "Wir sollten an der Skateranlage entsprechende Flächen anbieten", schlägt Johannßen vor. Das ist auch für Stadtdirektor Frank Thielebeule "eine Überlegung wert", zumal die Anlage im Feriengebiet ohnehin bald umgebaut und erweitert werden soll. Die Lokale Aktionsgruppe Hadler Region hat sich mit diesem Thema auch schon befasst und erwägt, entsprechende Fördermittel freizugeben. Jugendpfleger Simmering ist zurückhaltend: "Bevor man eine künstliche Mauer errichtet, sollte man lieber überlegen, alte und schon vorhandene Flächen nach Absprache zu nutzen."