Martina Werner: Ihre Arbeiten sind das Spiel mit Vergangenheit und Gegenwart
Was sich einprägt, ist nicht Dauer. Was sich einprägt, ist nicht Augenblick. Was sich einprägt, ist eines Augenblicks Dauer." Diese Kostprobe entstammt den ,Monogrammen", jenem ersten Lyrikband von Martina Werner, der 1965 im Suhrkamp-Verlag erschienen ist, ,obwohl mich dort keiner kannte", wie sie lachend anmerkt.Hans Magnus Enzensberger hatte sie entdeckt und im ,Kursbuch 1" eine erste Auswahl veröffentlicht. Einer Künstlerfamilie entstammend - der Vater war Maler, die Mutter Schauspielerin, schien vorprogrammiert, was letztlich folgte. Heute steht bei der zurückgezogen lebenden Künstlerin nicht mehr das Schreiben, stattdessen die Schrift, vor allem aber ,Señor Mendoza und der C-Stamm" im Mittelpunkt ihres Schaffens. 1929 geboren, in Köln und Wien aufgewachsen, lebt Martina Werner heute mit ihrem Mann, Peter Kuhweide, in Nordleda. Das schöne Atelier im einstigen Wirtschaftsgebäude ist Keimzelle, ist Geburtsort ihrer künstlerischen Inszenierungen, die im Otterndorfer Mendoza-Haus der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Doch der Weg an die Küste war lang und steinig, zugleich erfolgreich und faszinierend. ,Mit neun oder zehn Jahren habe ich meine ersten Gedichte geschrieben", erinnert sie sich. Dem Abitur und der Ausbildung als Journalistin in Freudenstadt folgte zunächst die Familiengründung, widmete sie sich ihren fünf Kindern. Von 1959 an erhielt sie einige Jahre Einblick in die Fernsehproduktion beim Südwestfunk Baden-Baden und erlebte dort den Aufbruch in eine neue Zeit. Der Publikation ihres ersten Gedichtbands schloss sich ein siebenjähriger Spanienaufenthalt auf Formentera an. ,Dort habe ich richtig angefangen zu arbeiten", erzählt sie. Ihre frühen Werke aber ,sind alle im Süden geblieben". Worpswede rückte ins Blickfeld Bremen wurde der Autodidaktin zur neuen Heimat; dort wurde sie Mitglied des Künstlerbundes, später gehörte sie zu den Gründern des Berufsverbandes bildender Künstler und schloss sich der ,Gruppe Grün" an. Den Auftakt zu ihren Ausstellungen in der Hansestadt bildeten erste Radierungen Martina Werners im Paula Modersohn-Becker-Haus; wenig später stellte sie großformatige, mehrteilige Bilder in der Kunsthalle aus. Worpswede rückte ins Blickfeld; dort lebte und arbeitete die Künstlerin bis zu ihrem Umzug vor vier Jahren nach Nordleda. Zahlreiche Ausstellungen prägten die Jahre; sie war Stipendiatin der Aldegrever-Gesellschaft, Münster, der Theodor-Heuss-Stiftung, Bonn, und des Landes Niedersachsen, zudem Ehrengast der Villa Massimo in Rom. 1979 begann sie mit ihrer Arbeit am Gesamtkunstwerk ,Señor Mendoza und der C-Stamm". So waren ihre Arbeiten u.a. im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, im Schwedenspeicher Stade sowie in einer großen Inszenierung im Überseemuseum Bremen zu sehen. Vor vier Jahren wurde in Worpswede die Mendoza-Gesellschaft gegründet zum Zweck der Übernahme, Pflege und Förderung des Gesamtkunstwerks. Der Name Mendoza ist Martina Werner ,zu einem Objekt eingefallen, und das hat sich dann verselbstständigt." Später fügte sie Señor hinzu, der im spanischen Sprachraum noch etwas anderes ist, nämlich Gott, El Señor, der Herr, der Ursprung, das Schöpferische. Señor Mendoza, betont sie, ,ist eine Schlüsselfigur", denn schöpferisch sei auch der Mensch. ,Mein Rahmen ist gesteckt. Ich kann aus dem Ganzen, dem Vorhandenen, aus der Kulturgeschichte schöpfen, auch aus meiner eigenen", erläutert die heute 75-Jährige. ,Unsere Entwicklungsgeschichte läuft immer parallel; Kunst bewegt sich vielfach im Kreis, wird zum Ritual, und das ist für mich sehr wichtig." Das aber könne sich nie in einer einzigen Arbeit zeigen, ,deshalb mache ich Serien". Señor Mendoza und der Kult Martina Werners Arbeiten sind Spiel mit Vergangenheit und Gegenwart, zumeist mit erfundenen Objekten. Es ist ein fiktiver Kult, es ist Grabgeschichte, die die Künstlerin in weit über 1000 Objekten manifestiert hat. In ihrem Projekt ,Señor Mendoza und der C-Stamm", Mendoza ist Forscher und widmet seine Arbeit einem künstlerisch regen Volksstamm aus grauer Vorzeit, spielt die Künstlerin auf einer fiktiven Ebene die Beziehung zwischen der Tätigkeit des Forschers und der des Künstlers durch. Für die Künstlerin ist es das ineinandergreifende Wechselspiel zwischen abgezirkeltem Wissen und übergreifender Phantasie, zwischen formalem Denken und umfassender Erlebensfähigkeit. Einfache Materialien Die von ihr bevorzugten Materialien sind oft verblüffend einfacher Art: Draht, Stoff(reste), Pappe, (Ziegel)steine. Neben der Malerei und der Objektgestaltung bilden Collagen einen Schwerpunkt. Und es gibt einen weiteren, ganz entscheidenden Kunstzweig: Die Handschrift. Dazu erklärt sie: ,Angefangen hat das mit Natalie Sarrautes ,Goldenen Früchten". Das ist die Geschichte über ein Bild, und die hat mich einfach fasziniert". Sie wählte ,Fundwörter" aus, um danach ihre Zeichnungen anzulegen. ,Und irgendwann habe ich meine Handschrift zum Kunstwerk erklärt." Seither wird diese zum Bildträger. So durchdringen ihre Handschriften auch die jüngste Inszenierung im Mendoza-Museum. Raum füllende Schriftbänder aus Transparentpapier, dem Text beispielsweise aus Christoph Ransmayrs ,Die letzte Welt" folgend und diesen Stoff auch Bahn für Bahn wiedergebend, strebt Martina Werner nunmehr eine Verdichtung an. ,Meine Biographie, vielleicht" Radierungen, Riesenobjekte, wie 1989 die ,Kathedrale" in Worpswede, und Installationen, auch Votivwege im Freien - ,das alles habe ich gemacht, das gehört zum Themenkreis, und immer ist auch das Atmosphärische durchgekommen. Doch das hatte nichts mit Mendoza zu tun". Martina Werner will wieder schreiben, ,meine Biographie, vielleicht - aber anders". In ihrem Atelier in Nordleda wird sie ihren Gedanken nachspüren, ihr erfülltes und bewegtes Leben durchspielen und oft an die Worpsweder Zeit zurückdenken.
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