Richtlinie wird umgesetzt

Müllwagen im Cuxland sollen nicht rückwärts fahren

08.06.2018

KREIS CUXHAVEN. Müllwagen im Kreis Cuxhaven sollen künftig nicht mehr rückwärts fahren. Von Jens-Christian Mangels

Was Honecker einst auf den Arbeiter- und Bauernstaat DDR dichtete, könnte jetzt für Müllwerker im Kreis Cuxhaven zur neuen Losung werden: „Vorwärts immer, rückwärts nimmer!“ Wenn sie den Müll einsammeln, dann sollen die Fahrer ihre Wagen möglichst im Vorwärtsgang durch die Straße bewegen – und nicht rückwärts. Die Unfallgefahr soll damit eingedämmt werden. Einigen Einwohnern wird das zusätzliche Mühsal mit dem Müll bescheren, denn sie müssen künftig ihre Tonnen weiter entfernt von ihren Häusern zur Abholung aufstellen.

Ein sonniger Frühsommervormittag in Otterndorf. Es zischt. Das tonnenschwere Müllfahrzeug kommt in einer kleinen Stichstraße im Ferienhausgebiet zum Stehen. Es geht nicht weiter – der Wendehammer ist zugeparkt. Der Blick des Müllwagenfahrers pendelt zwischen den beiden großen Außenspiegeln hin und her. Langsam schiebt sich das breite Müllfahrzeug durch die enge Straße. Der Fahrer ist hoch konzentriert, immer wieder hält er an, um sicherzustellen, dass der Abstand zu Fahrzeugen und Laternen ausreicht. Aus der Fahrerkabine sieht es knapp aus, aber hinter dem Wagen steht zum Glück noch ein Kollege und der gibt das Signal: „Weiterfahren“. Die Besatzung des Müllwagens der Unternehmensgruppe Karl Meyer besteht aus einem Zweier-Team. Fahrer und Lader arbeiten Hand in Hand, damit die Abholung reibungslos und unfallfrei über die Bühne geht. Handzeichen, Rufsignale und langjährige Routine lassen das zehn Meter lange Fahrzeug langsam aber sicher durch die enge Sackgasse gleiten – und zwar rückwärts. Eine Wendemöglichkeit für das orangefarbene Ungetüm gibt es nicht.

„Viele Menschen unterschätzen das Risiko eines rückwärts fahrenden Müllwagens“, sagt Sven Rogall. Der Abfuhr-Betriebsleiter bei Karl Meyer kennt die Engpässe seiner Fahrer ganz genau. Im laufenden Jahr wird sich der Landkreis Cuxhaven, wie alle kommunalen Entsorger, mit genau diesen Engpässen beschäftigen müssen. Es geht um die wichtige Frage: „Wird das Rückwärtsfahren der Müllfahrzeuge untersagt?“

Grundsätzlich ist die Frage seit 39 Jahren geregelt, nämlich in der Unfallverhütungsvorschrift der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Die Vorschrift aus dem Jahre 1979 besagt, dass ein Müllfahrzeug in Ausnahmefällen eine Straße auf einer Länge von bis zu 150 Metern rückwärts befahren darf, sofern ein Einweiser vorhanden ist. Diese Regelung soll nach mehreren tödlichen Unfällen – unter anderem in Schiffdorf vor zwei Jahren – nun konsequent durchgesetzt werden.

Mehrere hundert Straßen

Mehrere hundert Straßen im Kreis Cuxhaven, in denen die Müllfahrzeuge derzeit rückwärts fahren, sind betroffen, vor allem Sackgassen und Kleinststraßen. Sie werden jetzt von den Entsorgungsfirmen Karl Meyer und Nehlsen erfasst und einer „Gefährdungsbeurteilung“ unterzogen. Ullrich Rauschenberg, Fachbereichsleiter für Abfallwirtschaft beim Landkreis Cuxhaven, geht davon aus, dass ein Großteil der möglichen Gefahrstellen relativ problemlos beseitigt werden kann – zum Beispiel mit baulichen Maßnahmen oder einer geänderten Aufstellung der Abfallbehälter. „Es wird trotzdem eine nicht ganz geringe Anzahl von Fällen übrig bleiben, in denen die Lösung nicht ganz so einfach sein wird“, sagt Rauschenberg. „Hier werden die Firmen gemeinsam mit den Abfallberatern des Landkreises und – je nach Situation – mit den Anwohnern und Vertretern der Gemeinden nach Lösungen suchen.“

Die Stichstraßen im Otterndorfer „Neu-Seeland“ sind ein solcher Problemfall. Weil der Wendehammer häufig mit Urlauberautos zugeparkt ist, können die Müllwagenfahrer nicht wenden und müssen in den Rückwärtsgang schalten. Das birgt gerade in den Sommermonaten, wenn viele Spaziergänger, Radfahrer und Kinder im Feriengebiet unterwegs sind, Gefahren.

Bei einem Vor-Ort-Termin haben Vermieter, Entsorger, die Samtgemeinde und der Landkreis jetzt nach einer Lösung gesucht. Die Meinungen gingen weit auseinander: Die Ferienhaus-Vermieter forderten kleinere Müllfahrzeuge und Parkverbotsschilder im Wendehammer. Sven Rogall von der Firma Meyer und Kreis-Abfallberater Michael Marek halten es dagegen für sinnvoller, dass die Tonnen künftig an den Kreuzungspunkten der Stichstraßen (und nicht mehr direkt am Haus) geleert werden.

Das würde für die Vermieter bedeuten, dass ihre Mülltonnen bis zu 120 Meter schieben müssten. Möglicherweise könnten Müllsammelplätze eine Kompromisslösung sein, eine Idee, die Samtgemeinde-Mitarbeiter Thomas Claus ins Gespräch brachte.

Das Beispiel „Neu-Seeland“ zeigt, dass überstürzte Lösungen nicht zu erwarten sind. „Die Vorgaben der DGUV werden umgesetzt, doch die Umstellung kann nicht von einen auf den anderen Tag erfolgen“, sagt Lars Koch, Pressesprecher der Karl-Meyer-Gruppe.

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