
Nachgefragt im Kreis Cuxhaven: Impfpflicht - ja oder nein?
KREIS CUXHAVEN. Bald-Kanzler Olaf Scholz spricht sich für eine Impfpflicht aus. Wie sieht es im Kreis Cuxhaven aus? Wir haben bei einem Virologen, Arzt, der Kassenärztlichen Vereinigung und Kirche nachgefragt.
Der designierte Kanzler Olaf Scholz (SPD) will eine Impfpflicht für alle und rechnet mit einer Einführung Ende Februar, Anfang März. Das erklärte er beim Bund-Länder-Spitzengespräch zur Corona-Lage am Dienstag und trifft damit eine Entscheidung, die in Deutschland für polarisierende Diskussionen führt. Wir haben uns deshalb im Cuxland umgehört und Meinungen zur Impfpflicht und zur gegenwärtigen Situation eingeholt.
Am Dienstag haben sich die Bundesländer zwar über den weiteren Kurs in der Corona-Krise beraten - konkret beschlossen wurde allerdings nichts. Sicher ist aber, Bund und Länder wollen zeitnah über eine allgemeine Impfpflicht entscheiden. Diese schnelle Vorgehensweise befürwortet auch Landrat Kai-Uwe Bielefeld: "Ich halte es für richtig, dass der Bundestag schnellstmöglich und ohne Fraktionszwang eine Entscheidung über die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht trifft." Sollte es dazu kommen, weist Dr. Kai-Dehne, Leiter des Kreis-Gesundheitsamtes, darauf hin, dass bedacht werden müsse, dass es dann wohl zu einer halbjährlich zu wiedeholenden Impfung komme. "Das ist anders als bei Masernimpfungen, die man zweimal erhält und dann seine Leben lang geschützt ist", so Dr. Dehne. Er erläutert, dass Fachleute davon ausgehen, dass das Coronavirus auf Dauer bleiben werde und man mit dem Virus leben müsse. Gegenwärtig appelliert der Mediziner an alle, sich unbedingt an die allgemeinen Hygienemaßnahmen zu halten.
Zum Wohle der Gesellschaft
Der Virologe Markus Rahaus aus Nordleda befürwortet die Freiwilligkeit, sich impfen zu lassen: "Wenn ich den gesunden Menschenverstand anwende und ihn mit den verfügbaren Zahlen und Daten zur Impfung und ihren Nebenwirkungen, die es unzweifelhaft gibt, füttere, gibt es eigentlich nichts, was dagegen spricht, mich zum eigenen und zum Wohle der gesamten Gesellschaft impfen zu lassen. Reicht die Freiwilligkeit nicht aus, um die Pandemie zu besiegen, der gesamten Gesellschaft wieder ein normales Leben zu ermöglichen und die vulnerablem Bevölkerungsgruppen zu schützen, kann ich einer Impfpflicht durchaus zustimmen." Auf die Aussage des Virologen stützt sich sich auch Pastor Marcus Christ von der Cuxhavener Kirchengemeinde St. Petri, der die Impfpflicht aus ethisch-religiösen Gründen beurteilt: "Wir wollen unsere Gemeindemitglieder schützen. Wenn Virologen sagen, dass das Impfen der Weg aus der Pandemie ist, dann schenke ich dem Glauben und bin für eine Impfpflicht."
"Erforderlich und notwendig"
Der Allgemeinmediziner Dr. Thorsten Claus aus Neuhaus steht voll und ganz hinter der Empfehlung der Bundesärztekammer, die sich ausdrücklich für eine Impfpflicht für Erwachsene ausgesprochen hat: "Dass ist erforderlich und notwendig." In der Gemeinschaftspraxis am Bürgerpark sind gegenwärtig Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Sonnabend als Impftage ausgewiesen - auf dem Online-Portal werden immer wieder neue Termine freigeschaltet: "Es ist zu bemerken, dass jetzt wieder vermehrt Erstimpfungen dabei sind. Wir freuen uns über jeden, der sich impfen lässt und fragen nicht nach, warum das erst jetzt erfolgt." Mit der Impfstoffbelieferung komme man zwar zurecht, bergfrüßenswert wäre jedoch eine Aufhebung der Kontingentierung: "Wir würden uns freuen, wenn es wieder mehr würde." In Neuhaus wird Biotech sowie Moderna verimpft. Dr. Claus: "Beide Stoffe sind nahezu identisch, nur die Dosierung ist eine andere - es gib keinen Grund zu sagen, den einen Stoff will man und den anderen nicht."
Diskussion ist paradox
Apropos Impfstoffbeschaffung: Im Bezug auf die Impfpflicht sieht sieht die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen hier ein Problem: "Die Situation in den Praxen ist dramatisch. Aufgrund der Kürzungen der Impfstofflieferungen müssten zum wiederholten Male Impftermine abgesagt und Patienten beschwichtigt werden. Die Diskussion um eine Impflicht vor dem Hintergrund von fehlenden Impfstoffen in den Arztpraxen ist paradox. Die Ärztinnen und Ärzte in den Praxen bilden die wichtigste Säule der Impfkampagne des Landes. Eine Impfpflicht ohne Impfstoff macht keinen Sinn.(may/wip/man)