Gedenken an NS-Opfer:

Neue Stolpersteine für Cuxhaven - gegen das Vergessen

26.04.2016

CUXHAVEN. In einer bewegenden Aktion sind am Montag bei strömendem Regen acht neue Stolpersteine in der Stadt verlegt worden. Zeitzeugen und Angehörige waren dabei. Von Maren Reese-Winne 

CUXHAVEN. Ruth Eilers ist Wilhelm Heidsiek noch begegnet – Wilhelm Heidsiek, dem Redakteur, Setzer, Drucker und Sozialdemokraten, dem Weggefährten und Freund ihres Vaters Karl Olfers. 1944 endete sein Leben nach Jahren politischer Verfolgung gewaltsam im KZ Neuengamme. Eines habe seine Witwe Martha Heidsiek immer wiederholt, so Ruth Eilers: „Vergesst uns nicht!“

Damit genau das nicht passiert, erinnert seit Montag ein Stolperstein vor dem Pressehaus – Wirkungsstätte und Wohnort von Wilhelm Heidsiek – an ihn.

Mit der Verlegung der letzten acht Stolpersteine geht die Aktion, die 2012 begonnen hatte, vorerst zu Ende. 30 Steine erinnern jetzt in Cuxhaven an Verfolgte des Nazi-Regimes – Juden, politisch Verfolgte und den Euthanasie-Gesetzen zum Opfer gefallene Kinder und Jugendliche.

In der Nazi-Ideologie als nicht lebenswert erachtet

Die äußeren Bedingungen hätten nicht schlechter sein können, als Horst Riepenhusen vor der Albert-Schweitzer-Straße 21 in strömendem Regen über das Schicksal von Rolf-Jürgen Erbguth sprach: Mit 15 Jahren ermordet – wahrscheinlich verhungert – in der Heilanstalt Pfafferode, wegen seiner geistigen Behinderung nicht als lebenswert erachtet.  Auch die Geschwister des Opfers waren bei der Verlegung anwesend.

Bei einsetzendem Schneeregen setzte Gunter Demnig, Künstler und Initiator der Stolperstein-Aktion, vor dem alten Haupteingang des Rathauses den Stolperstein für Heinrich Grube. Schon kurz nach der Machtergreifung war Grube von seinem Arbeitsplatz im Rathaus vertrieben worden, wo er auch Ratsherr für die SPD gewesen war.

Nach dem 20. Juli 1944 Macht demonstriert

Nach dem missglückten Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 geriet Grube, der als Widerständler schon zuvor mehrmals verhaftet worden war, endgültig in das Visier der NS-Häscher. Er starb am 16. November 1944 im KZ Neuengamme. Das gesellschaftliche Leben der Familie erlosch.

Vier Stolpersteine am Eingang der Nordersteinstraße erinnern an die jüdische Familie Scharfstein, die dort einst ein Schuh- und Bekleidungsgeschäft besaß und – zermürbt durch Verfolgung und Psycho-Terror – 1935 aufgeben musste.

Die Familie plante die Flucht nach Palästina. Doch zuvor wurde Vater Jakob Alexander Scharfstein 1938 verhaftet und kam ins Gefängnis Fuhlsbüttel. Die Söhne Manfred und Heinz konnten fliehen. Mutter Gertrud und der wieder freigekommene Jakob versuchten über Spanien zu fliehen. Auf dem Weg dorthin starb der Ehemann, Gertrud Scharfstein entkam nach Amerika.

Für seine politische Überzeugung in den Tod gegangen

Wilhelm Heidsiek war erstmals als Maschinensetzer für das Cuxhavener Tageblatt 1910 nach Cuxhaven gekommen. Karl Olfers spielte eine wichtige Rolle, als es darum ging, den Traum von einer sozialdemokratischen Zeitung zu erfüllen. Heidsiek wurde Redakteur und Vorstandsmitglied der GmbH. „Alte Liebe“ lautete der Titel der 1919 gegründeten Zeitung, die 1932 in den Neubau am Kaemmererplatz zog und fast umgehend nach der Machtergreifung 1933 verboten wurde.

Für Heidsiek war Aufgeben keine Option. Er ging hausieren, handelte mit Waschmittel und Seifen und war Steuerberater. Die Reisen gaben ihm Gelegenheit, den Widerstand weiter zu organisieren. Auch ihm wurde wie Heinrich Grube die „Aktion Gewitter“ 1944 zum Verhängnis. Er wurde am 7. November 1944 im KZ Neuengamme wahrscheinlich mit Ketten totgeschlagen.

Schocknachricht im Elternhaus erhalten

Ruth Eilers erinnert sich an das schreckliche Weinen ihrer Mutter, als die Todesnachricht kam. Sehr ernst, sehr zurückhaltend und sehr liebenswert sei er in ihrem Elternhaus – sie war neun Jahre alt – aufgetreten.

Kapitän Karl Alexander war der letzte Stolperstein an der Ecke Kapitän-Alexander-Straße/Konrad-Adenauer-Allee gewidmet, was zwei Urenkel und weitere Angehörige bewegt verfolgten. Sozialdemokrat Alexander wurde mehrfach verhaftet. Sehr außergewöhnlich ein Zeitungsartikel von 1939, der ihn als „unwert, am Steuer eines Schiffes zu stehen“ verhöhnte, denn dort dürften nur Gefolgsleute Hitlers stehen. Kapitän Alexander wurde am 12. Juni 1940 im KZ Sachsenhausen ermordet. Die Urenkel haben durch jüngste Recherchen sogar erfahren, von wem: Einem SS-Hauptscharführer und KZ-Aufseher, der 1961 verurteilt worden ist.

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