
Neues Künstlerdorf im Kreis Cuxhaven ist im Werden
KREIS CUXHAVEN. Das war ein echter Kulturschock für die Filmemacherin aus der Millionenstadt Peking. Sie ist der Liebe wegen in diesem winzigen Dorf im Kreis Cuxhaven gelandet. Doch Kehdingbruch hat das Zeug, zu einem Künstlerdorf zu werden.
In die alte Schmiede und das einstige Kaufmannshaus bringen sie neues Leben - und sie möchten sich mit weiteren Künstlerinnen und Künstlern kreativ zusammentun. Ria Bredemeyer wuchs im Nachbarort auf und Christian Anskeit hat sein Elternhaus wieder bezogen. Dorf können beide, das kennen sie. Es ist eine Art Rückkehr zu den Wurzeln. Aber vollkommenes Neuland betritt Xiaoxue Li aus China. Der Liebe wegen landete sie hier in der Hadler Tiefebene, wo alles ebenso flach ist wie fremdartig. Kein Wunder, hat sie doch zuvor in der pulsierenden 21-Millionen-Stadt Peking gelebt und gearbeitet
"Wie flach es hier ist ..."
Während Christian und Ria wussten, was sie auf dem Dorf erwartet, war es für Xiaoxue buchstäblich ein Kulturschock. "Wie flach es hier ist und wie wenig drumherum", sagt sie auf englisch. Christian grinst: "Na ja, vielleicht war es auch ein bisschen gemein, sie gleich am Anfang mit zum Belumer Außendeich zu nehmen ..." Zuerst sei es für sie hart gewesen, aber jetzt nach einem Jahr habe sie neue Leute kennengelernt und auch künstlerisch sei etwas in Bewegung gesetzt. Um richtig ankommen zu können, hat sie bei der VHS Hemmoor begonnen, Deutsch zu lernen.
Alle drei Künstler weisen beeindruckende Lebensläufe vor und haben sich eine eigene Reputation aufgebaut. Schnell fanden sie heraus, dass sie sich eine Zusammenarbeit neben der Weiterverfolgung eigener künstlerischer Ziele gut vorstellen können. "Uns war schnell klar, dass wir uns gut gebrauchen können", lächelt Ria Bredemeyer ihren Nachbarn zu. Gesagt, getan. Sie gründeten die "Coast-LAB"-Gruppe Anfang dieses Jahres. Mit ihr verfolgen sie ausdrücklich den Wunsch, weitere lokale Künstlerinnen und Künstler zusammenzubringen, um Kunst und Kultur in der Region zu entwickeln.
Gemeinsame Projekte mit anderen Künstlern
Xiaoxue Li, Ria Bredemeyer und Christian Anskeit möchten dieses Label als Plattform für gemeinsame Projekte nutzen - und sie möchten ausdrücklich andere Kulturschaffende zur Kooperation ermuntern, in, mit und für die Region tätig zu werden - und das Label mit Inhalten zu füllen - und dies ausgesprochen gern im vielfältigen Künstlermix. "Wir können uns ein Cross over zum Beispiel mit Tänzern, Schauspielern oder Musikern gut vorstellen."
Und das sind die Lebensläufe der drei Künstler:
Aufgewachsen in Kehdingbruch, studierte Christian Anskeit, Jahrgang 1987, Kommunikation und Design an der Kunstschule Wandsbek in Hamburg. Anschließend führte ihn sein Weg nach China, wo er acht Jahre in Peking lebte und dort als Designer, Kunstlehrer und Kameramann arbeitete. Im ersten Jahr seines Aufenthaltes dort traf er die Filmemacherin Li Xiaoxue. Gemeinsam reisten sie für verschiedene Filmprojekte durch China und zogen 2017 in das Künstlerviertel von Peking, wo sie ihr eigenes Studio gründeten.
Während seines dreijährigen Aufenthalts im Art District von Peking baute er Kontakt zu Recyclinghöfen und Schrottplätzen auf, wo er ausrangierte Gegenstände fand, denen er mit seiner Kunst neues Leben einhauchte. 2020 kehrte er gemeinsam mit seiner Frau Xiaoxue in seinen Heimatort zurück. Sie leben im alten Wohnhaus seiner Eltern und sind dabei, es nach und nach in einen neuen Wohn- und Schaffensort zu verwandeln. Christian Anskeit hat dort ein Atelier und einen Ausstellungsraum für seine Lampenobjekte.
Xiaoxue Li ist Filmemacherin und Videokünstlerin aus China. Geboren wurde sie in Changchun in China. Dort erlebte sie den Zerfall der Schwerindustrie mit. Mit 18 Jahren wurde sie an der besten Schauspielschule Chinas aufgenommen und ging nach Peking. Sie entschied sich für das Hauptfach Film und versuchte, ihr künstlerisches Konzept in diesem Bereich umzusetzen.
16 Jahre arbeitete und lebte sie in Peking als Drehbuchautorin Die meisten ihrer Drehbuchkreationen konzentrieren sich auf die Tragödien des individuellen Schicksals im Wandel der Zeit, darunter sind sowohl kommerzielle Filme, unabhängige Filme, Fernsehserien, Online-Dramen als auch andere Bereiche.
Gleichzeitig ist sie auch Video-Künstlerin und gebe nie auf, die visuelle Sprache zu erforschen. 2015 fuhr sie mit Anthropologen der Minzu University of China nach Shanxi, um einen Dokumentarfilm zu drehen. Der Dokumentarfilm wurde im Museum als wichtiges Dokument der lokalen Bildanthropologie gezeigt
Ria Bredemeyer wuchs in Neuhaus (Oste) auf. Ihr Abitur machte sie 2002 in Cuxhaven. Anschließend zog es sie aufs Meer. Von 2002 bis 2006 als Bootsmann auf verschiedenen Traditionsseglern auf Törn. 2006 bis 2009 erfolgte in Flensburg eine Ausbildung zur Holzbildhauerin und im Anschluss eine Weiterbildung zur szenografischen und theaterplastischen Arbeit an den Landesbühnen Sachsen und dem Deutsch-Sorbischen Volkstheater in Bautzen. Seit 2010 ist sie selbstständig als freiberufliche Künstlerin tätig. Zuletzt in Lübeck, wo sie auch langjährig den Kunstverein Defacto Art leitete. Ende 2020 kehrte sie in ihre alte Heimat zurück.
Sie ist breit aufgestellt. Zusammen mit einem Kollegen fertigt sie meist wissenschaftliche Pflanzen- und Tiermodelle. Sie arbeitet zudem für verschiedene Theater. Dabei entwirft und malt sie vor allem Bühnenbilder und Figuren. Alle ihr verbliebene Zeit habe sie damit verbracht, freie Kunst für Einzel- und Gemeinschaftsausstellungen zu erschaffen. In diesem Zusammenhang entstehe aber auch Auftragskunst für Privatpersonen und Firmen.