
Osterbruch: Bei Steffi Röse überwintern bis zu 40 Igel
OSTERBRUCH. Bis zu 40 Stacheltiere können bei Stefanie Röse überwintern. Die Osterbrucherin hat sich in vier Jahren zur Expertin entwickelt.
Stefanie Röse aus Osterbruch hat eine Mission. Sie ist Igelretterin. Bis zu 40 Plätze hält sie in ihrer privaten Päppelstelle mittlerweile vor; 28 Tiere beherbergt sie dort zurzeit - ehrenamtlich und unentgeltlich. Die in der Region gefundenen mutterlosen Tiere unter 350 Gramm kommen zu ihr nach Osterbruch ins Winterquartier. Hier päppelt sie die Winzlinge fachgerecht auf, damit sie den Winterschlaf überstehen. Neben ihrem Job im Pflegedienst hat sie damit alle Hände voll zu tun.
"Alle zwei bis drei Stunden bekommen die ganz Kleinen die Flasche - auch nachts", schildert sie, während sie Schützling Ralf füttert. Das lütte Stacheltier lässt sich schmatzend die Katzenmilch schmecken. Mitte September kam er in ihre Obhut. Nackt, schwach, nur so groß wie ein kleiner Finger und mit 88 Gramm ein Leichtgewicht. Jetzt ist Ralf zwar schon so groß wie ihr Handteller, putzmunter und könnte eigentlich selbstständig Katzenfutter verspeisen, aber das Kerlchen pocht auf Sonderbehandlung. "Er ist der einzige junge Igel mit Zähnen, der noch die Flasche bekommt", lacht seine Ziehmutter und mag ihm die Zuwendung nicht verwehren.
Schnell zur Expertin geworden
Angefangen hatte alles mit Matschi, einem kleinen Igel, den eine Arbeitskollegin auf der Straße gefunden hatte. Tierfreundin Steffi Röse konnte gar nicht anders, als dem Baby in Not zu helfen, es zu päppeln und durch den Winter zu bringen. Vor vier Jahren startete sie mit null Erfahrung, fand aber wertvolle Unterstützung übers Internet bei gleichgesinnten Tierfreunden. "Eine tolle Community bis hin nach Österreich, die sich gegenseitig hilft", lobt die Osterbrucherin begeistert. Was tun gegen Würmer, Flöhe oder Zecken? Immer gebe es jemanden, der Rat wisse. Mittlerweile ist sie selbst Expertin. Gefunden wird ihre "Igelpflege Landkreis Cuxhaven" meist übers Internet durch ihre Facebook-Präsenz.
Tatkräftige Unterstützung erhält sie von ihrem Ehemann. Edward Röse hat die Ställe im Schuppen aufgebaut, die sie vom Tierheim zur Verfügung gestellt bekommen haben und packt auch beim täglichen Saubermachen der Käfige tüchtig mit an. Im ersten Jahr hatten die Tiere noch im Keller überwintert, aber bei aller Tierliebe wurde das dann selbst den Röses zu viel: "Das Wort Schweinigel gibt es zu recht, die stinken nämlich ganz erbärmlich", lacht Steffi. Dennoch sind nicht alle Tiere im Stall: "Die ganz Kleinen unter 100 Gramm bleiben zuerst bei mir im Haus."
Igel tagsüber unterwegs
Die Igelfreundin beschreibt, wie auch Laien erkennen können, ob ein Igel Schutz benötigt: "Wenn man sieht, dass das Muttertier tot ist, muss man sich natürlich der Lütten annehmen. Jetzt tagsüber Igel zu sehen, ist normal. Gerade auch, wenn die Mutter oder Geschwister in der Nähe sind. Aber wenn man beobachtet, "dass er immer schwächer wird, muss man ihm helfen".
Sie selbst habe noch nie einen hilflosen Igel gefunden, die Tiere werden ihr gebracht. Oft seien es Hunde, die Tiere aufspüren oder die Babys laufen im Garten oder auf der Straße herum, während das Muttertier dann meist vom Auto platt gefahren wurde.
Wird ein Igel zu ihr nach Osterbruch gebracht, gibt es zunächst den Gesundheitscheck und eine Wurmkur. Über seinen Entwicklungszustand führt sie Buch. Jedes Tier hat einen Namen. Sie hält sie auseinander, indem sie sie mit verschiedenen Nagellackfarben markiert. Traurig berichtet sie von Tieren, denen sie nicht helfen konnte. "Einige sind zum Sterben bei mir abgegeben worden, sie sind innerlich verblutet durch Rattengift oder Schneckenkorn. So etwas macht mich wütend." Sie bemerke aber auch viele Igel mit Augenentzündungen. "Der Tierarzt hat mir gesagt, das kommt von Giften aus der Landwirtschaft." Nicht nur Babys finden bei ihr Winterasyl. Eine Igelfamilie, entdeckt in einem Abbruchhaus - wurde ihr gebracht, die Kleinen wogen gerade mal zehn Gramm. "Die Mutter mit ihren vier Kindern überwintert jetzt hier in einem Sonderquartier im Garten."
Aus Siggi wird Sieglinde
Klar, dass Steffi Röse hilft. Ebenso wie im Fall Siggi. Vor drei Wochen entdeckte Ehepaar Völker aus Oxstedt das verletzte und geschwächte Tier. Es war in eine Rattenfalle geraten. "Wir haben ihm geholfen und durchgefüttert, können Siggi aber wegen unserer Hunde nicht bei uns im Garten aussetzen." Steffi Röse hat ein Herz für diesen Wonneproppen. Siggi entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Sieglinde - und die wird nicht in Osterbruch bleiben, sondern kommt in den Garten zu Igelfreunden, die ihm ein Winterquartier im Garten schaffen, ein Auge auf das Tier haben und - wenn nötig - auch Futter bereit stellen.
Igelrettung ist nicht nur ein zeitintensives, sondern ein ebenso kostspieliges Hobby. Tierarztrechnungen und Futterkosten erledigen sich nicht von allein. Aber sie murren nicht über die Ausgaben. Umso dankbarer sind Röses dann doch über die eine oder andere Spende. So dürfen sie sich beim Osterbrucher Landwirt von Horsten Stroh holen und manchmal schenken ihnen Leute Katzenfutter. "Ich will, dass Igel nicht aussterben", ist Steffi Röses Motivation, sich für die Kleinsäuger einzusetzen und sich zu kümmern. Im kommenden Frühjahr im Mai werden die geretteten Tiere in geeigneten Gärten, der Natur oder Höfen ausgewildert. Das sei auch bei den anderen Igelpflegestellen in Altenbruch, Cuxhaven und Bremerhaven so.
Steckbrief
Weltweit gibt es 26 verschiedene Igelarten. Der Braunbrustigel (Erinaceus europaeus) ist die in West- und Mitteleuropa typischerweise anzutreffende Art. Charakteristisch sind seine Stacheln. Sie dienen der Verteidigung gegen Feinde. Die Stacheln sind verhornte Haare. Ein ausgewachsener Igel besitzt zwischen 6000 und 8000 von ihnen. Igel sind dämmerungs- und nachtaktiv. Der Igel ist Einzelgänger. Er kann bis zu 1500 Gramm wiegen. Auf seinem Speiseplan stehen Insekten, Regenwürmer, Spinnen und Schnecken bis hin zu Fröschen und Mäusen.
Die Hauptfortpflanzungszeit liegt zwischen Juni und August. Nach ungefähr 35 Tagen kommen vier bis fünf Jungigel zur Welt. Sie sind bei der Geburt 12 bis 25 Gramm schwer, etwa sechs Zentimeter lang und tragen knapp 100 weiße Stacheln. Igeljungen werden fast 42 Tage gesäugt. Kurz danach sind sie selbstständig und bei der Futtersuche auf sich selbst angewiesen. In diesem Lebensabschnitt beträgt ihr Gewicht etwa 300 Gramm.
Praktizierter Artenschutz
Aus Sicht des Naturschutzbundes (Nabu) sind Igel gefährdet: Siedlungen und Straßenbau schränkten ihren Lebensraum ein, auf Straßen kommen sie jährlich zu Hunderttausenden zu Tode und in Gärten fehle es häufig an Unterschlupfmöglichkeiten und Nahrung. Gartenbesitzer können Igelschutz praktizieren. Ideale Igelgärten seien naturnah gestaltet und bewirtschaftet. Das bedeute auch den Verzicht auf Mineraldünger und chemische Bekämpfungsmittel.
Igel halten von November bis März Winterschlaf. Es kommt vor, dass sie diesen Winterschlaf unterbrechen und einige Tage umhergehen. Wer im Winter einem Igel begegnet, sollte ihn zuerst ganz genau beobachten, bevor etwas unternommen wird und man sich an Igelhilfestellen wendet. Ab Mitte Oktober wird das Nahrungsangebot knapper, die Tiere beginnen ihr Winternest zu bauen.
Fettreserven anfressen
Manche verspätete Jungigel seien auch jetzt noch tagsüber unterwegs, um sich weitere Fettreserven anzufressen. Diese Tiere sollten nicht aus falsch verstandener Fürsorge aufgenommen werden. Nur wenn ein Igel auffallend unterernährt oder krank sei, sollte er versorgt oder einer Igelstation übergeben werden.
Ideales Winterquartier sei ein Haufen aus totem Holz, Reisig und Laub. Ihre Winterquartiere suchen Igel bei anhaltenden Bodentemperaturen um null Grad auf. Schutz gegen Kälte finden sie in Erdmulden, unter Hecken oder eben in Reisighaufen.
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