Otterndorf: Energiekonzept sorgt für Emotionen
OTTERNDORF. Von den einst großen Plänen für das Baugebiet "Am Medembogen" ist nicht viel übrig geblieben. (man)
Lange Zeit war es still um das geplante Nahwärmekonzept für das neue Otterndorfer Baugebiet „Am Medembogen“. Doch hinter den politischen Kulissen wurde intensiv und auch kontrovers diskutiert. Die Sitzung des öffentlich tagenden Bau- und Altstadtsanierungsausschusses am Dienstag zeigte nun: Von den einst großen Plänen ist nicht viel übrig geblieben.
In der Energieversorgung „einmal andere Wege gehen“ – das wünscht sich die 2012 gegründete Energiegenossenschaft Otterndorf (EGO) für das neue Baugebiet „Am Medembogen“. Ob Nahwärme aus einem Blockheizkraftwerk, Fotovoltaik-Anlagen, E-Mobilität oder Carsharing – Ideen und Möglichkeiten gab und gibt es reichlich.
Vor allem die Vorstandsmitglieder Jochen von Stemmen und Dr. Silke Eulenstein, gleichzeitig Mitglieder des Bauausschusses, trieben das Thema in den vergangenen Monaten voran und sorgten mit der CDU/FDP-Gruppe dafür, dass das Oldenburger Büro „Ingenieur Netzwerk Energie“ (iNeG) beauftragt wurde, eine Energiekonzeptstudie zum nordöstlichen Bereich des neuen Baugebiets (120 Grundstücke) zu erstellen. Die Studie wurde den Mitgliedern des Stadtrates im Rahmen einer interfraktionellen Sitzung im September 2017 vorgestellt. Unter anderem hatte das iNeG vorgeschlagen, ein Nahwärmenetz mit zwei Blockheizkraftwerken mit einer Leistung von je 50 kWel zu betreiben. Die Ergebnisse der Studie wertete die Energiegenossenschaft als „sehr Erfolg versprechend“.
Das sieht die Verwaltung um Stadtdirektor Harald Zahrte jedoch etwas anders. Sie ließ die Studienergebnisse von einem weiteren Ingenieurbüro, der Hamburger Firma Eneratio, auf ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit prüfen.
Die Hamburger Experten kommen unter anderem zu dem Schluss, dass „durch den geplanten erforderlichen Anschluss- und Benutzungszwang potenziellen Käufern die Möglichkeit genommen wird, sich für alternative individuelle Wärmekonzepte zu entscheiden.“ Ein weiterer Einwand: Die neuen Häuser werden nicht zeitgleich fertiggestellt, „insgesamt wird der Bau von 120 Wohneinheiten zwischen drei und fünf Jahre in Anspruch nehmen, hierdurch reduziert sich die Wirtschaftlichkeit erheblich.“
Zusammenfassend kommt die Verwaltung zu dem Ergebnis, dass die iNeG-Studie „nicht vollends überzeugt“ und dass eine mögliche Nahwärmenetzversorgung im nordöstlichen Bereich des Baugebietes „kritisch bewertet werden sollte“.
Der Kompromissvorschlag: Für die Mehrfamilienhäuser, die im Zentrum des Baugebietes entstehen sollen, könnte das Energiekonzept interessant sein. „Vorteil dieser Variante wären ein kürzeres Leitungsnetz und eine geringere Anzahl von Vertragspartnern“, so die Verwaltung.
Während die SPD-Fraktion die Ausführungen der Verwaltung als „schlüssig“ bewertete, wollte Dr. Silke Eulenstein die Kritik an der iNeG-Studie nicht gelten lassen. Sie empfahl, den Bericht der Verwaltung an das iNeG zu senden, damit dieses mit einer Stellungnahme erneut reagieren kann.
Innerhalb der CDU-FDP-Gruppe gibt es offenbar unterschiedliche Meinungen zu diesem Thema, wie Carsten Nickel (FDP) andeutete. Die CDU-FDP-Gruppe stellte dennoch den gemeinsamen Antrag, das Energiekonzept weiter zu verfolgen und dabei die Jugendherberge, den geplanten Kindergarten und das Seniorenheim einzubeziehen. Die SPD-Fraktion stellte klar, dass sie einen Anschlusszwang für die Neubewohner des „Medembogens“ nicht mitmachen wird.
Jochen von Stemmen (CDU) brachte sein Bedauern zum Ausdruck, dass Otterndorf nicht den Mut habe, „den ganz großen Schritt zu gehen“. Habe man zunächst über ein Energiekonzept für das komplette Baugebiet diskutiert, würde es jetzt „nur noch um einen Bruchteil“ des Gebietes gehen.
Der Rat der Stadt Otterndorf wird in seiner nächsten Sitzung, die voraussichtlich im Juni stattfindet, nun abschließend entscheiden, wie es mit dem Nahwärmekonzept weitergeht.