Vertraute Ansicht im Altenwalder Ortskern: Werbetafel und Außenbänke vor der Fleischerei Seidel. Unter dem Schriftzug die drei großen Plakate, die am Sonnabend urplötzlich über die Schließung am selben Tag informierten. Fotos: Reese-Winne
Vertraute Ansicht im Altenwalder Ortskern: Werbetafel und Außenbänke vor der Fleischerei Seidel. Unter dem Schriftzug die drei großen Plakate, die am Sonnabend urplötzlich über die Schließung am selben Tag informierten. Fotos: Reese-Winne
Auch Teil des Dorflebens

Reaktionen auf Schließung: "Ohne Fleischerei Seidel fehlt etwas in Altenwalde"

von Maren Reese-Winne | 01.08.2022

CUXHAVEN-ALTENWALDE. Nach der Schließung der Seidel-Filiale in der Nordersteinstraße kursierten zwar schon Gerüchte, dass auch das Hauptgeschäft bald dran sein könnte - aber die meisten in Altenwalde traf die Nachricht am Sonnabend aus heiterem Himmel.

Auch Ortsbürgermeister Ingo Grahmann: Nichts sei zuvor im Ort durchgesickert, weder bei den anderen Geschäftsleuten noch in der Lokalpolitik, berichtet Grahmann.

 Die Information erfolgte am Sonnabendmorgen lediglich über drei Plakate an der Eingangstür (wir berichteten), die darüber informierten, dass dieses Haus am heutigen Tag um 13 Uhr schließe.

In der ganzen Stadt präsent

Die Nachricht von der Schließung war am Wochenende nicht nur Orts-, sondern auch Stadtgespräch. Schließlich war die Fleischerei Seidel seit Jahr und Tag im Stadtbild präsent. Von den einstigen Geschäften in Altenwalde, der Nordersteinstraße, Sahlenburg, Döse und Duhnen ist nun nur noch die Filiale in Duhnen übrig.

Altenwalder wollen nicht nach Duhnen fahren

Dass mit ihrem Besuch dort nicht zu rechnen ist - nicht mal für den in den Gesprächen auffallend oft erwähnten Fleischsalat - äußerten viele Altenwalder, die sich vor dem Geschäft und im ganzen Ort über die Schocknachricht, die es für viele war, unterhielten. Viele fühlten sich verlassen und bestürzt, dass aus der Absicht bis zum letzten Tag ein Geheimnis gemacht worden war.

Die Treue gehalten

Immerhin sei es die Bevölkerung gewesen, die der Fleischerei Seidel über Jahrzehnte die Treue gehalten habe, indem sie dort nicht nur Fleisch gekauft, sondern auch die Heiße Theke besucht oder Familienfeiern mit Braten und Salaten von Seidel ausgerichtet habe.

Wurzeln in der Oxstedter Siedlung

In der Oxstedter Siedlung liegen die Wurzeln der Fleischerei Seidel. Hierhin hatte es Hermann Seidel und Ehefrau Minna nach dem Zweiten Weltkrieg verschlagen. Im Gepäck hatten sie Rezepte aus der schlesischen Heimat. Die schlesische Weißwurst gehörte fortan auch für viele Familien im Norden zum Weihnachtsfest. Auf das Geheimrezept für Seidels Bratwurst sollen namhafte Firmen scharf gewesen sein, berichtete einst der verstorbene Fritz Seidel, Sohn des Gründers Hermann.

Mit Rad und Karre über die Dörfer

Mit dem Fahrrad und mit einer Schottschen Karre (Handwagen) wurde die Ware über die Dörfer und zu den Hotels in Cuxhaven gebracht. Ein weiteres Kapitel wurde der Firmengeschichte 1952 mit der Eröffnung der Filiale an der Hauptstraße in Altenwalde hinzugefügt, die 1960 (laut Unternehmens-Homepage) zum neuen Stammhaus wurde. Zahlreiche weitere Filialen folgten, im Jahr 1981 auch die in der Nordersteinstraße.

"Da fehlt was"

Altenwalde fehle etwas ohne die Fleischerei Seidel, so lautete dieser Tage eine der Reaktionen der Kundschaft. Dazu zählt auch die Beteiligung des Traditionsbetriebs am Dorfleben. Beim Altenwalder Straßenfest versammelten sich viele um den gegrillten Ochsen am Spieß.

"Sind wir jetzt etwa die Wanzen?", fragten sich Kundinnen und Kunden erbost, die am Sonnabend auf das Plakat mit der Aufschrift "Den Haien entrann ich... Die Tiger erlegte ich... Aufgefressen wurde ich von den maliziösen und intriganten Wanzen" blickten. Das Brecht-Zitat soll andeuten, dass nicht die dicken Brocken, sondern viele Kleinigkeiten die Quelle des Problems gewesen seien. Grund zur Spekulation gab der Spruch allemal, speziell wegen des Hinweises auf Intrigen.

Sehr verwunderlich

Dass sich der Geschäftsmann Jörg Seidel, der 15 Jahre lang für die CDU dem Ortsrat Altenwalde und fünf Jahre dem Rat angehörte, zu einem so sang- und klanglosen Abschied entschlossen hat, verwundert - und ärgert - auch Ingo Grahmann. "Meine Gedanken sind aber auch bei den Beschäftigten und deren Familien", sagt er, "und ich hoffe, dass diese zügig eine neue Beschäftigung finden." Wobei deren berufliche Zukunft überhaupt noch nicht bekannt ist, zumal die Filiale in Duhnen ja geöffnet bleibt. Grundsätzlich gelte - falls überhaupt Kündigungen geplant sind - die gesetzliche Kündigungsfrist, erläutert Dieter Nickel, Geschäftsführer der Region Bremen-Weser-Elbe der Gewerkschaft "Nahrung-Genuss-Gaststätten" (NGG), auf Nachfrage unserer Redaktion. Bei Kündigungen müsse eine soziale Auswahl berücksichtigt werden, die sich nach der Betriebszugehörigkeit richte.

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Maren Reese-Winne

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

mreese-winne@no-spamcuxonline.de

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