
Selbstversuch: CN/NEZ-Redakteur beim Schießsport in Lamstedt
CUXHAVEN/LAMSTEDT. "S" wie Schießsport ist bei unserer Serie "Sportlich von A bis Z" angesagt. Ein Sport, der polarisiert. Ein Sport, der fasziniert. Ein Sport, der im Kreis Cuxhaven von zahlreichen Menschen betrieben wird.
CN/NEZ-Sportredakteur Frank Lütt hat den Selbstversuch gestartet. Auf dem Schießstand in Lamstedt musste er trotz fachmännischer Anleitung von Günter Heinbockel schnell erkennen, dass noch kein Meister vom Himmel gefallen ist.
Bei aller Diskussion um die Sinnhaftigkeit oder die möglichen Gefahren fiel die Entscheidung bewusst für den Selbstversuch Schießsport. Schließlich ist diese Freizeitbeschäftigung hier in der Region eine Art Volkssport. Außerdem hat sich in den vergangenen Jahren sehr viel beim Thema Sicherheit getan. Das Schießen wird als Sport betrachtet, auch wenn es gleichwohl neben dem sportlichen Wettkampf auch das traditionelle Schützenwesen gibt, das eher volkstümlich ist. "Und auch das macht Spaß", verdeutlicht mir Günter Heinbockel aus Nindorf-Seth, einem Ortsteil von Lamstedt. Der 50-Jährige ist aber eine Koryphäe in Sachen Sportschießen.
Wir sind auf dem hell und freundlich gestalteten Schießstand des Schützenvereins Lamstedt, der ganz und gar nicht der klischeehaften Dorf-Schützenvereinsanlage entspricht, die mit Eiche-Rustikal-Möbeln, Decken- und Wand-Holzvertäfelung, diversen vergilbten Wimpeln und Fahnen sowie einer großen Pokalsammlung ausgestattet ist. Hier hängen lediglich ein paar Urkunden und eine Dartscheibe an der Wand. Die Deckenleuchten erhellen den weiß gestrichenen Raum. "Das ist hier optimal", weiß Günter, denn zu helles Licht auf den Zielscheiben sei genauso schlecht wie schummrige Atmosphäre. Das Ziel flimmert sonst vor den Augen.
Eine Glaswand trennt den Aufenthaltsraum von der eigentlichen Wettkampfstätte mit den elf Scheibenanlagen. Wir stehen in der goldenen Mitte, werden bald auf die Anlage Nummer 6 zielen, doch bis dahin dauert es noch. Neben diversen theoretischen Details über sein Luftgewehr, mit dem wir heute schießen, weiht mich Günter in "das A und O" des Schießens ein, nämlich das Ausrichten. "Wenn ich das Sportgerät im Anschlag habe, dann sollte ich keine Muskeln mehr dafür beanspruchen, dass ich das Gewehr halte", erklärt der mit etlichen Bezirks-, Landes- und Bundestiteln dekorierte Schütze. Je weniger Muskeln benutzt werden, desto besser, denn irgendwann ermüden diese auch mal und beginnen zu zittern. "Dann lieber ganz absetzen und noch mal konzentrieren und neu anvisieren", so Günter. Das Schießen sei "ein unheimlicher Konzentrationssport", der eben höchste Konzentration von der Vorbereitungsphase bis zum Abzug benötigt. Und auch wenn das Geschoss schon längst den Lauf verlassen hat, soll der Schütze möglichst noch ein paar Sekunden in der Position stehen bleiben, das ist das Nachhalten. Damit gibt es so leicht keine Verreißer. Das Nonplusultra beim Sportschießen sei neben der Konzentration auch das Selbstvertrauen: "Ich sage mir jedes Mal, ich schieße eine Zehn. Und man darf an nichts anderes in dem Moment denken."
Fünf Kilogramm schwer
Wir wagen uns übrigens heute an eine Disziplin, die mein Schützenbruder ganz selten absolviert, Luftgewehr (frei) stehend, die olympische Disziplin. Häufiger ist die einfachere Variante Auflage, da wird das Sportgerät auf eine feste Unterlage aufgelegt. Wir müssen dagegen das gut fünf Kilogramm schwere Sportgerät in beiden Händen am besten ruhig halten. Günter beginnt, legt einen Papierstreifen mit zehn kleinen Zielscheiben in die Seilzuganlage, die das Ziel per Hebel immer hin- und herfahren lässt.
Seine Ergebnisse sind aus meiner Sicht schon sehr gut und beständig von 7 bis 9,5 Ringe pro Schuss. Er selbst ist aber unzufrieden. Nun darf ich. Meine letzten Schießerfahrungen liegen Lichtjahre zurück, stammen auch nur von der Schießbude auf dem Jahrmarkt.
Der Ablauf ist bei jedem Schuss gleich: Zunächst muss ich mit einem Hebel einen Druck in dem Gewehr aufbauen, anschließend das kleine Projektil einführen. Die Pressluft gibt dem Geschoss mit einer maximalen Mündungsenergie von 7,5 Joule die Geschwindigkeit. Ich drücke den Gewehrschaft an die rechte Schulter, mit der linken Hand fasse ich in der Mitte der Unterseite an. Mit dem rechten Auge schaue ich durch den Diopter am hinteren Waffenteil und durch den Korntunnel mit dem Ringkorn am vorderen Teil. Das Korn ist auf der Mitte der zehn Meter entfernten Zielscheibe, ich krümme ganz langsam den rechten Zeigefinger, will erst den leichten Widerstand am Abzug spüren, doch da ist es schon passiert. Der Schuss geht früher los als ich wollte.
Vom Schuss überrascht
Das Geschoss, ein kleiner Bleikelch mit 4,5 Millimeter Durchmesser, schlägt zehn Meter entfernt auf. Mit dem Seilzug hole ich die Scheibe zu mir und muss feststellen, dass ich einen halben Zentimeter von dem äußeren Ring, der einen Punkt bringen würde, entfernt bin. "Man muss von seinem Schuss überrascht werden", erklärt Günter, denn: "Dann hast Du nicht noch einen Muskel unnötig angespannt oder verreißt den Schuss." Also war das prinzipiell richtig, aber nicht gut gezielt. Bei den nächsten Versuchen läuft es deutlich besser: 7, 5, 3, 4, 8. Nach einem weiteren Ausreißer mit einer 0 beschließe ich den Durchgang mit 4, 5, 7. Mit zehn Schuss kam ich auf 43 Ringe. Ausbaufähig. Ich habe eine Erklärung gefunden, warum Günter es einfacher hat und sage zu ihm: "Dass Du kleiner bist, ist doch ein Vorteil." Er weiß, worauf ich anspiele: "Nur weil mein Gesicht auf Scheibenhöhe ist? Nee, das spielt keine Rolle. Ich habe es wahrscheinlich noch etwas schwieriger, weil ich den Lauf leicht nach oben halten muss und Du nicht."
Eine 9,7 in der letzten Serie
Bei meinem zweiten Streifen leiste ich mir zwei Nullen, komme dennoch immerhin auf 47 Ringe. Mein Ehrgeiz ist geweckt. Eine dritte Runde muss sein. Die 57 Ringe empfinde ich schon als ganz ordentlich, besonders freue ich mich über eine sehr gute 9. "Bei der elektronischen Auswertung wäre das eine 9,7", so Günter anerkennend.
Aber an der Konstanz müsste ich noch arbeiten, um nur den Hauch einer Chance gegen den Profi zu haben. Dafür bräuchte ich sicherlich Jahre. Wie Günter sich mit der Materie beschäftigt, ist schon beachtlich und hat mir gezeigt, dass er und viele andere Schützen in der Region ernst zu nehmende Sportler sind.
Viele Disziplinen:
Im Sportschießen gibt es viele unterschiedliche Disziplinen, weil es auch ganz unterschiedliche Waffengattungen gibt, wie beispielsweise Flinte, Gewehr, Pistole und Vorderlader. Diese unterteilen sich dann auch noch nach Kalibergröße und Anschlagart (stehend, kniend, liegend, stehend aufgelegt, sitzend aufgelegt).
So groß die Bandbreite bei den Disziplinen ist, so verschieden sind auch die Altersklassen, nach oben sind da keine Grenzen gesetzt. Das Schießen mit dem Luftgewehr und der Luftpistole ist erst ab zwölf Jahren erlaubt, und das auch nur unter der Aufsicht einer für die Kinder- und Jugendarbeit im Schießen besonders qualifizierte Person. Ausnahmen sind allerdings auch ab zehn Jahre möglich. Darunter können aber Kinder auch mit dem Schießsport beginnen, nämlich mit dem Lichtgewehr oder der Lichtpistole. Diese Sportgeräte werden ohne Munition benutzt.
LG ist olympisch:
Das Luftgewehrschießen (LG) ist eine olympische Sportart, bei der mit einem Luftgewehr im (frei) stehenden Anschlag auf eine Scheibe geschossen wird. Der Deutsche Schützenbund verwendete ab 1958 eine Scheibe, deren 10 nur zwei Millimeter Durchmesser hatte. Diese Maße wurden 1967 international eingeführt. Ende der 1980er-Jahre wurde die 10 auf die heute noch üblichen 0,5 Millimeter Durchmesser verkleinert. Der Scheibenspiegel ("Das Schwarze") hat 30,5 Millimeter Durchmesser, mit den weißen Ringen für die Punktzahl 1, 2 und 3 ist die Scheibe 45 Millimeter groß.
Ab dem Alter von 46 Jahren wird in vielen Schützenvereinen das Schießen mit einem aufgelegten Luftgewehr angeboten. Hier ist die Leistungsdichte sehr hoch, die Auswertung erfolgt deshalb nur noch elektronisch. Dabei werden die Punkte sogar in Zehntel ausgemessen, also das zweitbeste Ergebnis nach der 10 ist eine 9,9.