
Selbstversuch: CN/NEZ-Sportreporter beim Nordic Walking in Cuxhaven
CUXHAVEN. Wer an Nordic Walking denkt, denkt an ältere Menschen, die mit Stöcken ausgestattet etwas zügiger im Wald oder auf Fußwegen herumlaufen. Dieses Bild hat sich auch im Kopf von CN/NEZ-Sportredakteur Jan Unruh verankert. Im Rahmen der Serie "Sportlich von A bis Z" probierte er den gemütlichen Bewegungssport einmal aus - und kam widererwartend ordentlich ins Schwitzen.
Ich will ehrlich sein. Vor anderen Sportarten dieser Selbstversuchs-Reihe hatte ich im Vorwege mehr Respekt. Trotz meines ausbaufähigen Fitnesszustandes ging ich locker an diese Aufgabe heran. Wirklich befasst habe ich mich davor mit Nordic Walking nicht. Sicherlich auch eine Frage des Alters. Mit meinen 35 Jahren gehöre ich nicht unbedingt zur Zielgruppe dieser Sportart. Das stimmt jedoch nur bedingt, wie ich wenig später erfuhr.
Für meinen Selbstversuch schloss ich mich der Nordic-Walking-Gruppe des Grodener SV an. Seit ungefähr 18 Jahren gehen zum Großteil Frauen mit der Übungsleiterin Karin Zobawa auf Tour. Jeden Montag. Bei Wind und Wetter. Zobawa ist selbst schon 73 Jahre alt. Das sieht man ihr nicht an. Sie ist fit wie ein Turnschuh. Das regelmäßige Training ist sicher ein Grund dafür. Mit ihr laufen an diesem Montagabend elf weitere Damen gesetzteren Alters - und ich.
Es nieselt. Schon der Weg vom Parkplatz zum Treffpunkt ist unangenehm. Hinzu kommen Temperaturen, die um den Gefrierpunkt liegen - zumindest wirkt es so. Es gibt deutlich bessere Bedingungen, um durch die Dunkelheit Grodens zu laufen. Während ich mich gedanklich nicht von den miserablen äußeren Bedingungen lösen kann, stehen meine Mitstreiterinnen schon in den Startlöchern. "Wir laufen bei jedem Wetter. Wir sind ja nicht aus Zucker", sagt eine der Frauen mit bestimmendem Unterton. Ich sage erst mal nichts mehr. Doch bevor es losgeht, brauche ich das richtige Equipment - genauer gesagt, brauche ich zwei Stöcke. Das typische Markenzeichen der Nordic-Walking-Bewegung. Übungsleiterin Karin Zobawa borgt mir gütigerweise ein Paar aus ihrem Bestand. Es sind Carbonstöcke. Die neueste Generation. Bis zu 300 Euro kostet ein solches Paar. Gute Stöcke sind das A und O beim Nordic Walking. Sie sollen die Schritte im Rhythmus unterstützen. Rhythmus ist ein gutes Stichwort, denn rhythmisch sieht es bei mir anfangs nicht aus. Es dauert eine Weile, bis ich den Dreh raushabe. Doch immer mal wieder komme ich aus dem Takt. Karin Zobawa läuft neben mir und verbessert meinen Laufstil regelmäßig. "Das ist normal am Anfang", sagt sie. Ein flüssiger Bewegungsablauf sieht anders aus, aber ich bewege mich zumindest vorwärts. Ein zügiger Spaziergang mit Stockeinsatz folgt. Aufgrund des Wetters und der Dunkelheit geht es quer durch Grodens Straßen. Die Winterrunde. Im Sommer werden auch Wanderwege rund um Groden abgelaufen. Doch zu dieser Jahreszeit ist vor allem eines wichtig - Helligkeit. Dafür sorgen die Straßenlaternen. Das Tempo, das die Frauengruppe anschlägt ist in Ordnung - nicht zu flott, aber auch nicht zu langsam.
Eingeschworener Haufen
Ganz wichtig: Neben der sportlichen Aktivität sollte ein Plausch untereinander noch drin sein. Meine Gesprächspartnerin ist Karin Zobawa. Sie erklärt mir alles über die Sportart Nordic Walking, wie sie vor Jahren dazu kam und was sie daran fasziniert. Es ist vor allem die Lust an der Bewegung und die Gemeinschaft. Die Frauen sind ein eingeschworener Haufen, kennen sich teilweise schon seit Jahrzehnten. "Es macht einfach Spaß." Das sieht man den Walkerinnen an - trotz des Sauwetters. Ich fühle mich sofort aufgenommen in die Gemeinschaft, bin schon nach wenigen Minuten ein kleiner Teil von ihnen. "Wir freuen uns immer über neue Teilnehmer", so Zobawa.
Egal, ob Mann oder Frau. "Früher waren mal ein paar Männer dabei, derzeit sind wir eine reine Frauengruppe", sagt Karin Zobawa. Woran das liegt, weiß sie auch nicht. "Vielleicht sind die Männer einfach nicht mehr so fit im Alter", fügt sie mit einem Augenzwinkern hinzu. Dabei sei Nordic Walking der perfekte Sport - vor allem im Alter. Durch den Einsatz der Stöcke werden Beine und Oberkörper gleichzeitig beansprucht, Gelenke aber geschont. "90 Prozent aller Muskeln werden trainiert", so Zobawa. Auch bei mir.
Von meiner Leistungsgrenze bin ich zwar ein ganzes Stück entfernt, doch die Bewegung an der frischen Luft tut gut. Nach einigen Kilometern zügigen Gehens vergesse sogar ich das Schmuddelwetter. Durch die düsteren Straßen Grodens laufen wir langsam zurück zum Sportplatz, von wo wir auch gestartet sind. Die eine Stunde ist wie im Flug vergangen. Am Ende schwitze ich sogar ein bisschen. Keine Frage: Wenn ich diese Strecke gejoggt wäre, wäre ich richtig aus der Puste. Aber ich fühle mich gut nach der Bewegungseinheit. Man spürt die Muskeln in Armen, Beinen und Rücken, freut sich aber, dass sie offenbar beansprucht wurden. Natürlich gibt es keine Endorphin-Ausschüttung, wie man sie bei einem Marathon kennt (zumindest vom Hörensagen), aber mit etwas Übung bewegt man sich immerhin stressfrei an der frischen Luft und nimmt mehr von seiner Umwelt wahr, als so mancher Jogger, der nur schnurstracks geradeaus schaut.
Nordic Walking:
Nordic Walking ist das bekannte Walking mit Stöcken. Es nutzt den diagonalen Bewegungsablauf des Walkings durch bewussten Einsatz der Stöcke. Nordic-Walking zählt zu den Ausdauersportarten und wirkt sich somit in vielen Bereichen auf den Körper positiv aus. Da beim Nordic Walking zusätzlich die Stöcke genutzt werden, ergeben sich hierdurch weitere positive Wirkungen vor allem auf den Oberkörper und die Arme. Darüber hinaus ist Nordic Walking eine gute Koordinationsschulung von Armen und Beinen.
Nordic Walking wurde in Finnland erstmals erprobt. Es dient gerade Langläufern und Biathleten als gute Trainingsmöglichkeit im Sommer, da Rhythmus und Schritt dem Langlauf entsprechen. Auf Grund des Klimas kann Nordic Walking bei uns das ganze Jahr über betrieben werden und dient gerade bei Schnee und/oder bei rutschigem Untergrund als guter zusätzlicher Halt.
Nordic Walking eignet sich wie Walking grundsätzlich für jedermann, so z. B. auch als Einstiegssportart für Untrainierte, Übergewichtige oder als neue Sportart für Ältere. Also für jeden, der etwas für sein körperliches Wohlbefinden tun möchte. Für Rehapatienten nach Sportverletzungen ist Nordic Walking gut einsetzbar. Auch Personen, die durch Walking unterfordert und durch Jogging überfordert sind, finden in Nordic Walking ihre Sportart.
Als Grundlage der Nordic-Walking-Technik dient die Technik von Walking, also zügiges Gehen mit forciertem Armeinsatz. Die Bewegung erfolgt in der Diagonaltechnik, was bedeutet: jeweils das linke Bein und der rechte Arm bzw. das rechte Bein und der linke Arm. Arme und Beine sind gegenläufig im Einsatz.
Das Einzige, was man zum Nordic Walking zusätzlich braucht, sind Nordic-Walking-Stöcke. Hier gibt es zahlreiche Firmen, die diese anbieten und ein Vergleich lohnt sich. Die optimale Stocklänge beträgt circa 70 Prozent der eigenen Körpergröße.