Der Cuxhavener Tomo Andic (47) ist einer der Teilnehmer der "Sonntagsspaziergänge" in Cuxhaven. Nach eigenen Angaben filmt er nur das Zeitgeschehen, die Stadt hält ihn für den Veranstalter. Foto: Bohlmann-Drammeh
Der Cuxhavener Tomo Andic (47) ist einer der Teilnehmer der "Sonntagsspaziergänge" in Cuxhaven. Nach eigenen Angaben filmt er nur das Zeitgeschehen, die Stadt hält ihn für den Veranstalter. Foto: Bohlmann-Drammeh
Corona-Protestler erklärt sich

"Sonntagsspaziergänger" aus Cuxhaven: Zweifel säen als Lebensinhalt

17.04.2021

CUXHAVEN. Der Cuxhavener Tomo Andic ist mit den Corona-Maßnahmen nicht einverstanden. Seit einem Jahr protestiert er dagegen - Seite an Seite mit Querdenkern, Reichsbürgern, Verschwörungstheoretikern, auch in Cuxhaven.

Er sei doch nur kritisch, sagt er. Doch Protest und Zweifel scheinen längst zu seinem Lebensinhalt geworden zu sein.

Kamera als Drohmittel

Tomo Andic fällt auf, nicht nur wegen seiner quietschorangenen Sonnenbrille. Er spricht laut, gestikuliert viel und hat oft seine Handykamera mit Dreibein-Stativ dabei. Damit filmt er auf Demonstrationen Polizisten und Journalisten, auch das Gespräch für diesen Artikel filmt er, ein Freund von ihm bedient als "Aufpasser" die Kamera. Andic will so sicher gehen, dass er richtig wiedergegeben wird, sagt er und droht, das Video des Gesprächs als Gegendarstellung zu veröffentlichen, wenn er falsch zitiert wird.

Kritik an "Mainstream-Medien"

Knapp eine Stunde dauert das Gespräch zu seinen Beweggründen. Andic ist selten sachlich, springt von einem Argument zum nächsten und lässt keinen Zweifel an seiner Unzufriedenheit mit der Berichterstattung der "Mainstream-Medien", wie er sie nennt. Deshalb sei er inzwischen selbst aktiv geworden, begreife sich als Beobachter des Zeitgeschehens und Aktivist.

Telegram als Plattform

Tatsächlich hält die Stadt Cuxhaven den 47-Jährigen Kroaten für den Organisator der "Sonntagsspaziergänge" und hat ihn in einem Schreiben aufgefordert, die Veranstaltung für kommenden Sonntag anzumelden. Andic hat dem nach eigenen Angaben widersprochen, er habe nur den Aufruf bei Telegram geteilt. Ein Foto des Stadt-Schreibens hat er selbst veröffentlicht, in seinem "Newsletter1984" bei Telegram, dem inzwischen knapp 900 Menschen folgen und in dem Andic neben seiner eigenen Meinung täglich mehrere Artikel sogenannter "alternativer Medien" teilt.

Bezug zu Orwell

 "Ich spiegele meine Sicht der Dinge der Welt. Wenn andere Leute das toll finden, kann ich doch nichts dafür", sagt Andic grinsend. 1984 stehe für das Buch von George Orwell, der darin einen totalitären Staat erschaffen hat. Andic meint, in Deutschland passiere gerade etwas Ähnliches.

Tummelplatz für Querdenker

Telegram ist Hauptplattform vieler Querdenker, es gibt dort tausende Gruppen, die sich gegenseitig mit "Informationen" füttern, sieben aus Cuxhaven. Andic teilt seine Links auch in der örtlichen Telegram-Gruppe der Partei "die Basis", die knapp 150 Mitglieder hat. Ein Querdenker sei er nicht, sagt er.

Von Maskenpflicht befreit

Der Kroate kritisiert die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen. "Warum muss ich bei Deichmann einen Termin haben, wenn ich einen Schnürsenkel kaufen möchte? Bei Rossmann kann ich einfach reingehen." Die Maskenpflicht bezeichnet er als Irrsinn, die Einschränkungen für die Wirtschaft stören ihn, Corona-Tote negiert er. "Wo sind denn die wissenschaftlichen Belege?", fragt er mehrfach. Gegenfragen sind ohnehin seine liebste Antwort.

Handel mit Militaria

Andic selbst trägt keine Maske. Er zeigt ein Attest von einem Cuxhavener Arzt, erklärt, dass er krank sei und unter anderem deshalb seine Selbstständigkeit hat aufgeben müssen. Der Cuxhavener hat nach eigenen Angaben bis 2014 Militaria im Internet verkauft, auch solche aus dem Dritten Reich. Nach der Erwerbsunfähigkeit habe er angefangen, sich mit alternativen Medien zu befassen, politisch käme er eigentlich von links.

Bei "Spaziergängen" dabei

Dass er keine Maske trägt, führe häufig zu Beschimpfungen, er fühle sich ausgegrenzt und als Maskenverweigerer abgestempelt. Verstanden fühlt er sich offenbar von den "Spaziergängern" und den Anti-Corona-Demos, in Berlin war er auch. Das sei sein Widerstand gegen seine Diskriminierung. Am Sonnabend will er nach Bremen, am Montag nach Bremerhaven, am Sonntag wird er wohl wieder auf dem Kaemmererplatz sein. Dass er damit andere in Gefahr bringt, sieht er nicht so. "Wir halten ja Abstand."

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