Gudendorf:

Spuren lassen Archäologen aufhorchen

10.03.2014

GUDENDORF.   Es gibt gute Anzeichen dafür, dass in Gudendorf die zu dem vor Jahrzehnten entdeckten nahegelegenen, sehr reich ausgestatteten sächsischen Gräberfeld gehörende Siedlung gefunden worden ist. Die geomagnetische Untersuchung zeigt auffällige geometrische Strukturen: Hinweise auf Häuser, Hinterhöfe, Straßenverläufe und Wälle. Selbst auf dem Luftbild ist noch heute eine große bogenförmige Struktur deutlich zu erkennen: Wahrscheinlich ein Wall, der einst die Siedlung begrenzte.

Das Ganze scheint ein Volltreffer zu sein für das Niedersächsische Institut für historische Küstenforschung, das derzeit in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt Siedlung und Warentransport im 1. christlichen Jahrtausend erforscht. Die Stelle ist gut erreichbar und nicht zersiedelt, Funddichte und -reichtum außerordentlich.

Schon das auf der anderen Straßenseite (neben dem landwirtschaftlichen Betrieb) ausgegrabene sächsische Gräberfeld war aufgefallen wegen seiner besonderen und reichlichen Grabbeigaben wie Trachtenbestandteilen, Messern, Perlenketten, einem Toilettebesteck mit Nagelschneider und römischen Fundstücken. In den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ist hier erstmals gegraben worden, später auch von Karl Waller und abschließend Mitte der 70er Jahre. Die Funde sind nahezu vollständig restauriert, über die wissenschaftliche Aufarbeitung gibt es noch Abstimmungsbedarf.

Europäisch vernetzt

Die neuen Erkenntisse geben Andreas Wendowski-Schünemann Rückendeckung: „So ein Projekt ist mit ganz anderen Mitteln und technischen Möglichkeiten ausgestattet, der Kollegenkreis ist europaweit vernetzt.“ „Bisher haben wir den Raum Sievern mit der Heidenschanze als einzigartig angesehen“, sagt Hauke Jöns, Leiter der kulturwissenschaftlichen Abteilung des Instituts für historische Küstenforschung in Wilhelmshaven. In Gudendorf aber könnte sich der nächste Kontrollpunkt auf dem Weg nach Skandinavien in der römischen Kaiserzeit befunden haben.

Priel bis an Geestgrenze

Einen geografischen Grund, warum dies als Siedlungsort attraktiv gewesen sein könnte, gibt es auch: Offenbar lief damals ein Priel bis nahe an die Geestgrenze heran. „Solche Verkehrswege braucht man für den Austausch an Waren“, so Hauke Jöns und ergänzt: „Für eine solche Befestigung wie hier brauchte es eine große Menge an Menschen.“

Vermutlich verließen diese im 5. und 6. Jahrhundert nach Christus die Region in Richtung England. „Überall in Norddeutschland – von West bis Ost – haben wir hier einen Bruch bei den Siedlungsspuren“, erzählt Hauke Jöns.

Am Sonnabend waren zahlreiche Detektorgänger auf dem Gelände zu sehen: Teilnehmer eines Praxis-Lehrgangs, die hiermit gleichzeitig das Gelände erkundeten, auf dem in diesem Sommer eine wissenschaftlich begleitete Grabung stattfinden soll. „Wir hätten für den Lehrgang auch eine x-beliebige Wiese nehmen können, aber hier bot sich der Zusammenhang einfach an“, sagt Andreas Wendowski-Schünemann.

 Die Denkmalpflege entscheidet, wer wo die Genehmigung erhält, mit technischem Gerät nach Bodendenkmalen zu suchen. Voraussetzung dafür sind ein Theorie- und ein Praxislehrgang (übrigens kostenfrei). Den Theorielehrgang beim Landesdenkmalamt haben schon rund 160 Personen absolviert. „In einem Praxiskurs sollten nicht mehr als 15 Personen sein“, sagt Hauke Jöns vom Niedersächsischen Institut für historische Küstenforschung. Die Teilnehmer lernen, wie Funde ausgegraben, betrachtet und dokumentiert werden, indem sie in dem Moment, in dem etwas ans Licht kommt, einen Fundzettel ausfüllen. „Die Teilnehmer sollen den allgemeingültigen Standard lernen“, so Jöns. Denn die technischen Voraussetzungen seien an den vielen Standorten in Niedersachsen unterschiedlich.

Für Cuxhaven ist sogar eine App für das Handy angedacht, mit der alle Informationen direkt vom Feld an den Rathaus-Server weitergereicht werden können. Handy und GPS-Gerät gehören ohnehin zur Grundausstattung der Detektorgänger. „Wir wollen bei den interessierten Laien geschichtliches Bewusstsein schaffen“, sagt Hauke Jöns. Im kleinen wie auch im großen wissenschaftlichen Rahmen dürfe Geschichte keine Privatsache sein, sondern gehöre der Allgemeinheit.

Die Detektorgänger erlebten in Gudendorf auch dank des Wetters einen gelungenen und spannenden Tag. Der Katastrophenschutz stellte sein aufblasbares Zeit als Unterschlupf für die Mittagspause zur Verfügung, die DLRG half mit Tischen und Bänken aus.

Sehr interessante Region

Auch andere Fundorte in Cuxhaven sind für das Institut für historische Küstenforschung überaus interessant. So gibt es auch Untersuchungen in Altenwalde über die frühmittelalterliche Besiedlung – auch hier im Zusammenhang mit einem Hafen – sowie am Galgenberg. „Wir wollen die Verkehrs- und Wirtschaftsräume im gesamten 1. Jahrtausend nach Christus verstehen“, sagt Dr. Annette Siegmüller vom Institut für historische Küstenforschung. Die Zusammenarbeit mit den lokalen Archäologen sei dabei besonders hilfreich. „Herr Wendowski-Schünemann ist da Gold wert, der kennt hier jeden Stein.“

Von Maren Reese-Winne

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

(1 Stern: Nicht gut | 5 Sterne: Sehr gut)

Feedback senden

CNV-Nachrichten-Newsletter

Hier können Sie sich für unseren CNV-Newsletter mit den aktuellen und wichtigsten Nachrichten aus der Stadt und dem Landkreis Cuxhaven anmelden.

Die wichtigsten Meldungen aktuell


Lesen Sie auch...
Blaulicht

+ + Aus dem Polizeibericht + +

Einen berauschten Autofahrer zogen Polizeibeamte am Sonntagnachmittag in der Raiffeisenstraße in Bad Bederkesa aus dem Verkehr.

In Otterndorf

Treffen der Kreisgemeinschaft Labiau/Ostpreußen

OTTERNDORF. Mit einer Gedenkfeier am Labiauer Stein begann der zweite Tag des Treffens der Kreisgemeinschaft Labiau/Ostpreußen am Sonnabend in der Medemstadt. (sm)

Politik

Cuxland-CDU-Abgeordnete Weritz und Fühner im Interview

KREIS CUXHAVEN. Erst seit einem knappen Jahr gehören sie dem niedersächsischen Landtag in Hannover an. Von Egbert Schröder

Jahresversammlung

25 Jahre Voß-Gesellschaft: Treffen in Otterndorf

OTTERNDORF. Vor 25 Jahren wurde die Johann-Heinrich-Voß-Gesellschaft in Eutin gegründet. (red)