Elisabeth Becker von Sothen, geborene Ahlborn, war die erste Frau, die in der Redaktion der Niederelbe-Zeitung ein Volontariat machte. Foto: privat
Elisabeth Becker von Sothen, geborene Ahlborn, war die erste Frau, die in der Redaktion der Niederelbe-Zeitung ein Volontariat machte. Foto: privat
4. Serienteil

"Tante Ahlborn" mischte Männerwelt im Cuxland auf

01.11.2018

KREIS CUXHAVEN. Elisabeth Becker von Sothen war die erste Frau, die in der Otterndorfer Redaktion der Niederelbe-Zeitung ein Volontariat machte.

Das war vor 50 Jahren. Als Streiterin der 68er-Bewegung oder Feministin sieht sie sich rückblickend aber nicht. "Ich war schon immer furchtlos", sagt die heute 72-Jährige.

Journalismus ist Männersache. Was für ein müder Satz aus einer längst vergangenen Zeit. Doch für junge Frauen, die in den 1960er-Jahren davon träumten, mit Notizblock in der Hand und Kamera um den Hals die weite Welt der Nachrichten zu erobern, war dieser Satz häufig noch bittere Realität. Gerade auf dem Land. Wer es damals in die Männerdomäne schaffen wollte, der brauchte nicht nur ein feines Gespür für Wörter und Worte, sondern auch einen starken Glauben an den großen Traum. Und den hatte Elisabeth Becker von Sothen, geborene Ahlborn.

"Ich habe schon als Kind gern geschrieben", erzählt die Journalistin, die in Neuenkirchen als Tochter eines Pastors aufwuchs und in Cuxhaven das Gymnasium für Mädchen besuchte. Als die Niederelbe-Zeitung 1966 einen Volontär suchte, bewies die damals 20-Jährige Mut und klopfte beim damaligen Redaktionsleiter Hans Lefevre in der Schleusenstraße an. Der Lokalchef und sein Kollege Günter Kirchner waren beeindruckt von der jungen, couragierten Dame, die nicht auf den Mund gefallen war. Sie bekam das Volontariat - und durfte gleich am ersten Tag eine Glosse über die "herrlichste Nebensache der Welt" schreiben. Und das zu einer Zeit, als Zeitung noch mit Schreibmaschine, Bleisatz und Mettage gemacht wurde.

Ihre Eltern wussten zunächst nichts von ihrem Schritt in die Welt des Journalismus. Sie dachten, ihre Tochter würde einen hauswirtschaftlichen Weg einschlagen. "Aber das war schon immer so, dass ich nicht sage, was ich vorhabe."

Das Kürzel "ta" - für "Tante Ahlborn" - wurde schon bald Elisabeth Ahlborns Markenzeichen. Mit ihrer BMW Isetta sauste die junge Reporterin zu Schützenfesten, Abiturfeiern und Gerichtsprozessen. Glossen, also humoristisch-überspitzte Kommentare, machten ihr besonders viel Spaß. Nur an politische Themen ließen Lefevre und Kirchner die Volontärin (und spätere Jungredakteurin) nicht ran. "Das machten die Herren selbst. Aber das war in Ordnung für mich", erinnert sich Elisabeth Becker von Sothen.

Was geht ihr durch den Kopf, wenn sie heute auf die Jahre um 1968 und ihre Zeit bei der Niederelbe-Zeitung zurückblickt? "Es war die schönste Berufsphase meines Lebens", sagt die frühere Redakteurin und PR-Frau, die unter anderem beim Hamburger Bauer-Verlag, in der Presseabteilung von Unilever und für das Hamburger Abendblatt gearbeitet hat. Während in den Großstädten tausende Studenten auf die Straßen gingen und gegen starre Strukturen protestierten, ging es in Otterndorf und Umgebung eher heimelig zu. "Ich war nie auf einer Demonstration", sagt Elisabeth Becker von Sothen. Das Aufbegehren der Studenten, die Kommunen, Obermaier & Co habe sie aber mit großem Interesse am Fernseher verfolgt: "Das fand ich gut."

Die Revolution auf dem Lande vollzog sich eher im Kleinen. Zum Beispiel im Redaktionsalltag. "Tante Ahlborn" schaffte es, mit ihrer selbstbewussten, fröhlichen Art die konservativ-strengen Männerstrukturen aufzuknacken. "Irgendwann hatte ich Hans Lefevre so weit, dass wir Eis essend durch Otterndorf gelaufen sind", erzählt sie. Auch beim abendlichen "Absacker" in Siegfried Schröders Gaststätte in Müggendorf hielt die Nachwuchsreporterin gut mit. "Ich war immer etwas anders", sagt Elisabeth Becker von Sothen. Als Vorbild für andere Frauen habe sie sich aber nicht gesehen.

Während ihrer Volontärszeit, die 1968 endete, habe sie viele interessante Menschen kennen gelernt. Zum Beispiel den späteren NDR-Moderator Carlo von Tiedemann, der damals Volontär in Cuxhaven war. "Der kam immer mit einer kaputten Ente nach Otterndorf. Das war vielleicht ein Typ." Unvergessen bleibt für sie auch die Fahrt nach Couhé, der französischen Partnergemeinde von Hemmoor, im Oktober 1967: "Es war meine erste Auslandsreise." Weil sie recht gut Französisch sprechen konnte, war "ta" nicht nur als NEZ-Berichterstatterin, sondern auch als Dolmetscherin für die Hemmoorer Delegation im Einsatz.

Die Furchtlosigkeit hat sie sich bis heute bewahrt. Die weit gereiste Seniorin, die 19 Jahre mit dem Arzt Dr. Reinhartd Becker von Sothen verheiratet war, liebt es, beim Tandemsprung den freien Fall zu erleben. Ihr nächstes Ziel: ein Ausflug mit einem Doppeldecker-Flugzeug.

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