Wenn sich die Klappen beim Kabinenexpress öffnen, haben die Brieftauben nur ein Ziel: Möglichst schnell zurück in den Heimatschlag. Sie erreichen dabei Geschwindigkeiten von über 100 Stundenkilometern. Foto: Verband
Wenn sich die Klappen beim Kabinenexpress öffnen, haben die Brieftauben nur ein Ziel: Möglichst schnell zurück in den Heimatschlag. Sie erreichen dabei Geschwindigkeiten von über 100 Stundenkilometern. Foto: Verband
Tiere

Taubensport im Cuxland: Wenn das Tier viel Geld bringt

23.03.2019

KREIS CUXHAVEN. Die Haltung von Tauben war in den 50er- und 60er-Jahren weit verbreitet. Besonders im ländlichen Raum gab es viele Grundstücke mit einem Taubenschlag. Neben verschiedenen Rassetaubenarten waren es vorrangig die flugfreudigen Brieftauben, die im Schwarm am Himmel kreisten.

"Rennpferde des kleinen Mannes" wurden sie im Volksmund genannt und die Besitzer konkurrierten an den Wochenenden mit ihren Tieren auf Wettflügen. Dies ist heute noch so, allerdings ist die Zahl der Züchter dramatisch zurückgegangen. Zugleich hat sich der Taubensport zu einem beachtlichen Wirtschaftszweig entwickelt, in dem viel Geld bewegt wird. Für Spitzentauben gehen auch schon mal sechsstellige Beträge über den Tisch.

Bereits im April rollen die Kabinenexpresse wieder über die Straßen und riesige Brieftaubenschwärme ziehen Woche für Woche auf dem Weg in ihre Heimatschläge am Himmel entlang. In Deutschland gibt es heute rund 2,5 Millionen Brieftauben.

"Brieftaubensport, das schönste Hobby der Welt", sagen die Züchter. "Brietaubensport, eine organisierte Tierquälerei", sagen die Tierschützer und machen im Internet ordentlich Stimmung gegen diese Art der Taubenhaltung.

Aber was ist eigentlich Brieftaubensport? Brieftauben besitzen einen einzigartigen Orientierungssinn, der es ihnen ermöglicht, von ihnen völlig unbekannten Orten, an die sie mit Spezialfahrzeugen (Kabinenexpressen) gebracht werden, zurück in den Heimatschlag zu fliegen. Eine Fähigkeit, die Züchter für die Ausübung ihres Hobbys nutzen und die durch jahrzehntelange Zucht und Auslese ständig verbessert wurde. Aufgrund dieser Orientierungsfähigkeit wurden Brieftauben früher als Botentauben genutzt, und leisteten besonders in den Weltkriegen wertvolle Dienste. Heute werden mit ihnen nur noch Wettflüge bestritten. Die Tiere können bis zu 1000 Kilometer am Tag zurücklegen und erreichen Geschwindigkeiten von bis zu 120 Stundenkilometern.

Häufig werden Brieftauben mit Stadttauben verwechselt, die ebenfalls von der Felsentaube abstammen, aber eine andere Rasse bilden. Ein Vergleich wie zwischen Vollblüter und Urpferd. Der Brieftaubensport kam aus dem Nachbarland Belgien zu uns, wo er bereits im frühen 19. Jahrhundert betrieben wurde. Belgien gilt noch heute als Mutterland der Brieftaubenzucht. Die Hochburg in Deutschland war und ist das Ruhrgebiet.

Im Jahr 1834 wurde in Aachen der erste Brieftaubenverein in Deutschland gegründet und schnell verbreitete sich die Leidenschaft für diese Tiere im ganzen Land, sodass im Jahr 1884 der "Zentralverband der Brieftaubenzüchter in Deutschland" gegründet wurde. Brieftauben waren aber auch hierzulande nicht nur Hobby, sondern wurden auch vom Militär zur Nachrichtenübermittlung eingesetzt.

Heute wird der Brieftaubensport überwiegend als reine Freizeitbeschäftigung betrieben. Es gibt allerdings auch Berufszüchter. Aufgrund seiner langen Tradition und kulturellen Bedeutung wurde er 20018 vom Land Nordrhein-Westfalen in das Inventar seiner Immateriellen Kulturgüter aufgenommen.

Jeder Züchter versucht, bereits den Jungtieren die besten Gene mit auf den Weg zu geben, sodass diese für ihre Aufgabe als Reisetaube optimal gerüstet sind. Orientierungsfähigkeit und Schnelligkeit stehen dabei im Vordergrund. Die Zuchtperiode ist an die Reisezeit der Tauben angepasst. Die Anpaarung der Tiere findet deshalb hauptsächlich im Frühling statt. Bereits zehn Tage nach der Anpaarung legt die Täubin zwei Eier. Diese werden 17 Tage im Wechsel von beiden Geschlechtern bebrütet. Zwischen dem siebten und zehnten Lebenstag wird den Jungtieren am rechten Fuß der Verbandsring angelegt - dies ist praktisch der Personalausweis für das gesamte Taubenleben, da der Ring mit dieser Nummernkombination nur einmal vom Verband vergeben wird. Ohne Verbandsring darf keine Taube an RV-Wettflügen teilnehmen. Später folgt dann am linken Fuß der elektronische Ring, durch den bei Preisflügen die genaue Ankunftszeit registriert wird. Rund 20 Tage nach dem Schlüpfen beginnen die Jungen mit der Nahrungsaufnahme und werden selbstständig. Bereits im Geburtsjahr werden sie mit Trainings- und Preisflügen auf ihre künftige Aufgabe vorbereitet. Während die Alttauben in der Regel pro Saison zwölf Preisflüge mit einer Entfernung von 150 bis 650 Kilometern absolvieren, sind es bei den Jungtauben meistens vier Flüge zwischen 100 und 400 Kilometern.

Wer an den Preisflügen der RV teilnehmen will, muss sich einem Verein anschließen, der dem "Verband Deutscher Brieftaubenzüchter" angeschlossen ist. Dieser wiederum gehört zu einer Reisevereinigung (RV). Die RV Land Hadeln besteht beispielsweise aus sechs und die RV Cuxhaven aus fünf Vereinen. Mehrere Reisevereinigungen bilden dann einen Regionalverband. Die Reisevereinigungen Land Hadeln, Cuxhaven und Bederkesa gehören dem Regionalverband 260 (Grafik oben) an. Zum Regionalverband 260 gehören insgesamt neun Reisevereinigungen mit 47 Vereinen und 318 Mitgliedern. Ganz Deutschland ist in 65 Regionalverbände aufgeteilt. In diesen üben 605 Reisevereinigungen mit 5649 Vereinen und insgesamt 30 879 Züchtern den Taubensport aus.

Wer im Brieftaubensport erfolgreich sein will, muss viele - teilsweise kostspielige - Grundvoraussetzungen schaffen: Die Taubenschläge müssen trocken, hell, sauber und ohne Zugluft sein. Wichtig ist, dass ausreichend Nist- und Sitzplätze zu Verfügung stehen, sodass die Tiere nicht darum kämpfen müssen. Ein Brutpaar benötigt rund einen Quadratmeter Fläche. Für Männchen, Weibchen, Jung- und Zuchttiere sollten jeweils separate Abteile vorhanden sein.

Die Versorgung von Brieftauben erfolgt morgens und abends mit sauberem Trinkwasser, speziellen Körnermischungen, Mineralien und Vitaminen. Im Bereich der Zusatzprodukte und der Taubengesundheit hat sich ein riesiger Markt mit Millionenumsätzen entwickelt. Was fehlt ist der Nachwuchs - der hohe Altersdurchschnitt der hiesigen Züchter macht vorhersehbar, wann im Cuxland die letzten Tauben auf die Reise gehen ...

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