Cafè Brüning in Otterndorf schließt zum Ende des Jahres. Foto: Mangels
Cafè Brüning in Otterndorf schließt zum Ende des Jahres. Foto: Mangels
Geschichte

Traditions-Café Brüning: Das Ende einer Ära in Otterndorf

11.12.2018

OTTERNDORF. Zum Jahresende schließt mit dem Café Brüning eines der letzten Traditionsunternehmen im Herzen der Stadt Otterndorf seine Pforten. Über 100 Jahre hat sich die Familie in der Stadt gewerblich betätigt. 

Ein historischer Rückblick zeichnet die Geschichte der Familie Brüning und des weit über Otterndorf hinaus bekannten Cafés nach, in dem über Generationen hinweg Torten, Eis und andere köstliche Süßspeisen serviert worden sind.

Heinrich Wilhelm Carl Brüning gründete Mitte des 19. Jahrhunderts als Maurermeister und Angehöriger der Bauhütte Stade ein Baugeschäft an der Schwinge. Sein Sohn Heinrich Friedrich eiferte ihm nach, machte 1879 seine Gesellenprüfung, besuchte die Baugewerkeschule in Nienburg und wurde 1889 Maurermeister. Einige Monate später heiratete er seine Jugendliebe Maria Pieper aus Stade. Da er als junger Meister nicht unter seinem Vater arbeiten wollte, zog es ihn 1890 in die kleine aufstrebende Hauptstadt des Landes Hadeln - nach Otterndorf, wo er unmittelbar darauf ein Baugeschäft gründete.

Sein guter Ruf als Handwerker sprach sich schnell herum. So bekam er nicht nur Aufträge von den Bauern in der Umgebung, sondern führte auch Prachtbauten wie die heutige Sparkasse an der Cuxhavener Straße aus. Zunächst wohnte das junge Paar in der Bahnhofstraße. Nicht weit entfernt in der Medemstraße baute er 1900 ein eigenes Haus mit Betriebshof. Beruflich ging es schnell voran: Villen, Geschäftshäuser und Eigenheime gehörten zu seinem Repertoire. Insgesamt neun Kinder gingen aus der Ehe hervor.

Der drittgeborene Sohn Releff Friedrich (geboren 1894) trat in die Fußstapfen seines Vaters. Er übernahm 1921 die Baufirma und setzte die Erfolgsgeschichte der Brünings in Otterndorf fort. Zahlreiche Großbauten in und um Otterndorf entstanden unter seiner Regie. Seine Ehe mit Ruth Kahl blieb kinderlos. Sein Bruder Helmut Otto Walter Brüning (geboren 1903) wurde Heizungsmonteur. Seine kleine Firma war im väterlichen Betrieb in der Medemstraße untergebracht. 1934 heiratete er in Berlin Margarethe Günter. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor, Helmut und Heinrich (genannt Heinz). Helmut Brüning fiel 1943 während des Afrikafeldzuges unter Rommel bei Tunis. Seine Witwe zog es nach dem Krieg vermutlich wieder nach Berlin. Die beiden Jungen blieben im Haushalt des Releff Brüning. Helmut Brüning erhielt 1974 den Maurerbetrieb, führte diesen weiter und übergab ihn an seinen Sohn, Diplom-Ingenieur Releff Brüning II.

Neun Kinder befanden sich im Haushalt des Otterndorfer Firmengründers Heinrich Friedrich Brüning. Neben Releff und Helmut Otto gab es noch einen dritten Sohn, Heinrich Karl Brüning (geboren 1892). Nach der Kaufmannslehre zog es ihn nach Berlin, wo er 1926 Anna Wilhelmine Soltau (Tante Anni, wie sie in der Familie genannt wurde) heiratete und wo er auch eine Konditorlehre absolvierte. Ausgestattet mit diesen Qualifikationen, wurde er einer der Betriebsleiter im "Café Vaterland" am Potsdamer Platz in Berlin. Als 1943 das Haus durch Bombentreffer zum Teil ausbrannte, fand das Ehepaar Unterkunft bei Bruder Releff in der Medemstraße.

Bald nach Kriegsende - auch die Otterndorfer fanden wieder Vergnügen am Feiern - besann sich Heinrich Brüning auf seine Fähigkeiten als Konditor und begann in einem Werkraum der Firma seines Bruders Torten zu backen. Das Geschäft lief so gut an, dass Releff Brüning das gerade zum Verkauf stehende Wohnhaus in Otterndorf, Kirchplatz 2, von der Erbengemeinschaft Reitmann kaufte und seinem Bruder einen kleinen Laden mit Verkaufstresen und einer Sitzecke einrichtete. Eine Küche im oberen Stockwerk wurde zur Backstube umfunktioniert. Die Tortenproduktion wurde sehr bald um die Herstellung von Eis erweitert. Heinrich ("Heinzi") Brüning, der eigentlich den Beruf seines gefallenen Vaters übernehmen sollte, fand so viel Gefallen an der Tortenherstellung, dass er sich für den Beruf des Konditors entschied. Nach Lehre, Gesellenprüfung und Arbeit in verschiedenen Betrieben, legte er 1961 die Meisterprüfung ab, kaufte das Anwesen Am Kirchplatz 2 von seinem Onkel Releff und führte fortan gemeinsam mit seiner Ehefrau Ursel (genannt Uschi) die Geschäfte. Der gute Ruf des Cafés hatte zur Folge, dass aus dem Verkaufsraum mit einigen Sitzplätzen sehr bald ein großes Lokal wurde. Im Laufe der Jahrzehnte wurde es immer wieder umgebaut und erweitert. 1993 wurde das Nachbarhaus Am Kirchplatz 4 gekauft und in das Geschäft integriert.

1999 übergab Heinrich Brüning den Betrieb an seinen einzigen Sohn Olaf. Dieser hatte den Beruf seines Vaters erlernt und war an der Bundesfachschule für Konditoren in Wolfenbüttel ausgebildet worden. 1985 verließ er die Fachschule als Konditormeister. Olaf Brüning heiratete 1988 Ines, geb. Niehaus. Aus der Ehe ist Sohn Till hervorgegangen. Olaf Brüning setzte die Erfolgsgeschichte des Hauses fort und machte es zum ersten Haus am Platz. Sein Sohn Till wäre der Dritte in der Reihe der Brüning´schen Konditoren gewesen. Er entschied sich aber gegen diesen Beruf und studiert heute Medizin.

Bei allem beruflichen Erfolg hinterließ das große Engagement bei dem Ehepaar Brüning auch gesundheitliche Spuren. Aus diesem Grund wurde entschieden, den Betrieb nach mehr als 70 Jahren zum Ende des Jahres einzustellen.

Von Heiko Völker

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

(1 Stern: Nicht gut | 5 Sterne: Sehr gut)

Feedback senden

CNV-Nachrichten-Newsletter

Hier können Sie sich für unseren CNV-Newsletter mit den aktuellen und wichtigsten Nachrichten aus der Stadt und dem Landkreis Cuxhaven anmelden.

Die wichtigsten Meldungen aktuell


Lesen Sie auch...
Energiewende

Kreis Cuxhaven: Neuer Wind- und Solarpark in der Oste-Niederung geplant

von Wiebke Kramp

KREIS CUXHAVEN. Der forcierte Ausbau der Erneuerbaren Energien erzeugt so etwas wie Goldgräberstimmung. Planer für Wind und Solarparks schließen schon Pachtvorverträge ab, um sich Flächen zu sichern - auch in der Oste-Niederung.

Feuerwehreinsatz 

Anwohnerin in der Wingst nimmt Gasgeruch wahr - und sorgt für Großeinsatz

von Redaktion

WINGST. Für einen Großeinsatz der Feuerwehren Wingst, Cadenberge und Neuhaus sorgte eine Frau, die in ihrer Wohnung einen Gasgeruch wahrnahm. 

Wannaer wünschen sich mehr

Freizeit, Sport und Aktivitäten in Wanna: Was die Gemeinde bietet - und was nicht

von Vanessa Grell

WANNA. Die Ergebnisse unserer Umfrage zeigen: Wannas Bürgerinnen und Bürger wünschen sich mehr und vielfältigere Angebote. Aber was macht die Gemeinde schon - und was ist geplant?

Blaulicht

Dramatischer Rettungseinsatz in Hechthausen: Pferd steckt in Schlammgraben fest

KREIS CUXHAVEN. Bei einem tierischen Rettungseinsatz ist am Montag ein Pferd aus größter Not aus einem Graben in Hechthausen gerettet worden.