
Trotz Blindheit: 22-jähriger Syrer in Otterndorf strebt Schulabschluss an
OTTERNDORF. Mohammad ist blind. Er verlor sein Augenlicht im Krieg zuhause in Syrien. Da war er gerade mal 15 Jahre alt.
Die Kugel, die seinen Sehnerv zerstörte, und später die die Flucht im Spätsommer vor vier Jahren aus Damaskus stellten sein Leben auf den Kopf, veränderten alles. Aber der junge Syrer hat Biss. Er lässt sich nicht unterkriegen - und sammelt mit eisernem Willen immer mehr Wissen. Dabei hat er ein großes Ziel vor dem inneren Auge: Seinen Traumberuf Informatiker auszuüben.
Mohammad kam im September 2015 nach Flucht über die Türkei, das Mittelmeer und die damals offene Balkanroute nach Deutschland und landete mit seiner Familie im Flüchtlingscamp in Müggendorf. Sie blieb in Otterndorf. Nachdem er sich über Youtube selbst die deutsche Sprache beigebracht hatte, schaffte er es, den Hauptschulkurs der Volkshochschule im Landkreis Cuxhaven zu absolvieren.
Zielgerichtetes Streben
Mehr noch: Im Frühsommer erreichte er den besten Abschluss aller neun Absolventen und die Fachbereichsleiterin Dr. Marie-Louise Rendant lobte ihn seinerzeit. Der einzige Nichtsehende habe der Gruppe die Augen geöffnet als Vorbild für Disziplin. Mohammad habe in unruhigen Zeiten Ruhe hineingebracht.
Doch der Hauptschulabschluss reicht dem jungen Mann nicht. Gegenwärtig nimmt er Privatunterricht in Englisch, Deutsch und Tastaturschreiben. Zweimal die Woche kommt dazu eine Lehrerin ins Haus. Mohammad möchte weiter zur Schule gehen und Qualifikationen sammeln. Er strebt einen Realschulabschluss an, der entsprechende Kursus soll im kommenden Frühsommer bei der VHS beginnen. Dafür benötigt er ausreichende Englischgrundlagen. Im Vergleich zu Deutsch sei Englisch aber "easy", also einfach, lacht Mohammad. Damit er die Privatstunden jedoch nicht aus eigener Tasche zahlen muss, half ihm Esther Brack vom Otterndorfer Verein Shalomhaus. Sie war bereits seine Assistenz beim Schulbesuch und stellte jetzt erfolgreich den Antrag. Das Unternehmen Airbus unterstützt den wissbegiereigen Syrer mit seiner Aktion "Glückspfennig". Der positive Bescheid kam im Dezember. Dadurch ist es Mohammad möglich, seinem Ziel ein gutes Stück näher zu kommen, um trotz seiner Behinderung später einen eigenständigen Beruf ausüben zu können. In Otterndorf fühlen er und seine krank Mutter sich wohl. Mit ihnen im kleinen Altstadthäuschen lebt auch noch der Onkel, der den beiden hilft.
Kein Strom, kein Wasser...
An die Zustände in der Heimat mag Mohammad nicht gern denken. Das mache ihn traurig. Viele Freunde und Bekannte sind gestorben. Den Überlebenden geht es schlecht, sie hätten keinen Strom, kein Wasser und ein Ende des Krieges sei überhaupt nicht abzusehen. Neben schulischer Bildung hat Mohammad Suleiman weitere Herausforderungen, die er meistern möchte. So hofft er darauf, die Brailleschrift erlernen zu können - entsprechende Kurse sind aber sehr kostenintensiv - und auch die Handhabung des Blindenstocks möchte er besser lernen, denn noch traue er sich allein nicht auf die Straße, gibt er mit einem Lächeln zu.