Steine des Anstoßes:

Über die Geschichte der Nazi-Zeit stolpern

10.10.2013

CUXHAVEN. Rund 80 Personen stehen im Halbkreis - erst in der Dohrmannstraße, dann am Strichweg, der Kirchenpauerstraße, der Poststraße und dann in der Beethovenallee. Autos fahren langsamer, Radfahrer halten kurz an und Passanten schauen neugierig herüber. „Was ist hier los?“, diese Frage steht allen ins Gesicht geschrieben.

Im Mai 2011 wurde die Stadt Cuxhaven vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in das Programm „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ aufgenommen. Der Förderverein Cuxhaven e.V. hat in diesem Rahmen das Projekt „Stein des Anstoßes - Cuxhaven stolpert über seine Geschichte während der Nazi-Zeit“ in enger Kooperation mit der Stadt, Cuxhavener Schulen und dem Jugendrat initiiert. „Die Stolpersteine sind eine großartige Idee. Klein und bescheiden, und doch verdeutlichen sie, wie schrecklich diese Zeit war“, erklärte Robert Just in Vertretung von Erika Fischer bei der Begrüßung.

Das Projekt „Stolpersteine“ wurde von dem Künstler Gunter Demnig entwickelt. Er erinnert damit an die Opfer der NS-Zeit, indem er vor ihrem letzten selbst gewählten Wohnort kleine, circa 10 mal 10 Zentimeter große Betonsteine mit einer darauf verankerten Gedenktafel aus Messing in den Gehweg einlässt. Mittlerweile gibt es rund 42.500 Stolpersteine – nicht nur in Deutschland, auch in 15 weiteren europäischen Ländern. Am 13. Oktober 2012 wurden die ersten vier Stolpersteine zum Gedenken an jüdischer Mitbürger in Cuxhaven verlegt. Fast genau ein Jahr später konnte die Aktion durch die Förderung aus der Richtlinie „Demokratie und Toleranz“ mit neun weiteren Steinen fortgesetzt werden. Sie befinden sich in der Dohrmannstraße 1, am Strichweg 29, in der Kirchenpauerstraße 1 und in der Poststraße 11. Der neunte Stein, in der Beethovenallee 7, erinnert an ein nichtjüdisches Mädchen, das aufgrund der „Euthanasie-Gesetze“ ermordet wurde.

Zeitzeugen gesucht

Die Historikerin und gebürtige Cuxhavenerin Dr. Frauke Dettmer sprach kurz über die einzelnen Schicksale, soweit diese bekannt sind. Auch Angehörige und Menschen, die die Opfer oder deren Verwandte kennen, erzählten ihre Geschichte. Einer von ihnen ist Jörg Kaps. Er ist Beauftragter der Stadt Arnstadt für ein Gedenkprojekt und stieß bei seinen Recherchen zu Leo Ehrlich aus Arnstadt auf die Verbindung nach Cuxhaven. Hier hatte der Großhändler mit seiner Familie gelebt, bevor er ins KZ verschleppt wurde. Jörg Kaps steht in Kontakt mit der Tochter Erika Ehrlich, der 1939 die Flucht gelang. Die mittlerweile 99-Jährige lebt heute in Amerika und freut sich sehr über die drei Stolpersteine für Eltern und Schwester: „Ich bin so glücklich, dass jetzt auch in Cuxhaven meiner Familie gedacht wird.“

Ebenfalls aus Amerika und eigens für die Verlegung des Stolpersteins angereist ist Ken Carter, der Enkel von Max Moritz Cahn. Schon vor einigen Jahren besuchte er Cuxhaven, um die Stadt und kennenzulernen, in der sein Vater gelebt hat. „Ich hoffe, jemanden zu treffen, der meinen Vater kannte“, erzählt Ken Carter. Auch Dr. Carola Thomas, die Nichte von Marianne Janecke, hofft, noch Zeitzeugen zu finden. Ihr ist es wichtig, auf das Schicksal ihrer Tante aufmerksam zu machen und so das Thema „Kinder-Euthanasie“ in die Öffentlichkeit zu rücken.

Von Andrea Kuhn

www.stolpersteine.com

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