Von der Donau an die Elbe: Neue Stadtschreiberin in Otterndorf angekommen
OTTERNDORF. Alles neu macht der Mai: Traditionell auch in Otterndorf. Dort ist jetzt die 36. Stadtschreiberin willkommen geheißen worden. Sie kommt aus Wien.
Dr. Almut Tina Schmidt ist in guter Gesellschaft. Wie viele andere Eltern auch war sie in den zurückliegenden Monaten mit Homeschooling der elfjährigen Tochter co-beschäftigt, sodass die eigene Arbeit etwas ins Hintertreffen geriet. Daher genießt sie jetzt die Abgeschiedenheit von der Familie, um die liegen gebliebene Arbeit aufzuholen und ihr neues Romanprojekt voranbringen.
Kennenlerngespräch im Voß-Haus
Almut Tina Schmidt ist Neubürgerin Otterndorfs auf Zeit. Hier wird sie den Sommer verbringen. Die in Wien lebende Autorin ist vom Kulturausschuss der Stadt als 36. Stadtschreiberin ausgewählt worden. Das Stadtschreiber-Stipendium wird bereits seit 1985 in Otterndorf vergeben. Es umfasst den kostenlosen Aufenthalt im klassizistischen Gartenhaus am Süderwall von Mai bis September sowie einen monatlichen Geldbetrag. Es seien zwar Stimmen laut geworden, das Stipendium pausieren zu lassen, aber ganz bewusst sei von allen Parteien entschieden worden, es auch in diesen schwierigen Pandemiezeiten nicht auszusetzen, schließlich hätten es gerade Kulturschaffende sehr schwer, erläutert Kulturausschussvorsitzender Hans-Volker Feldmann bei einem Kennenlerngespräch mit der Schriftstellerin im ehrwürdigen Voß-Haus. Auf den Homer-Übersetzer Johann-Heinrich Voß, der in Otterndorf gewirkt hatte, bezieht sich die Tradition, Schriftsteller zu fördern.
Verzicht auf Effekthascherei
Almut Tina Schmidt schreibt sowohl für Kinder als auch für Erwachsene - und bewarb sich mit beiderlei Leseproben Texte. Und sie überzeugte damit den Kulturausschuss. So wie das Jury-Mitglied Christiane Schott-Falksohn, die in ihrer Beurteilung die Vielseitigkeit und Vielschichtigkeit der Schriftstellerin lobt, die auf jegliche Effekthascherei und Klischeehaftigkeit verzichte: "Sowohl in der Jugendliteratur als auch in den Romanen begegnen wir einer Autorin, die Geschichten erzählt, um die Abgründe hinter den ganz alltäglichen Erscheinungsbildern auszuloten: Angst, Einsamkeit, Ausweglosigkeit. Indem sie ihre Fäden sorgfältig, nachvollziehbar und dramaturgisch souverän spinnt, versteht sie es, Leser zu binden."
Das werden sicherlich auch Literaturbegeisterte dieser Region erleben, sobald feststehe, was wie möglich sei an öffentlichen Veranstaltungen, erläutert Otterndorfs Kulturreferentin Julia Heuer. Geplant seien regelmäßige kulturelle Freiluft-Veranstaltungen im Picknickformat am Süderwall. Und Almut Tina Schmidt hat bereits signalisiert, gern ihren Teil dazu beizutragen.
Die Quarantäne gut überstanden
Die ersten fünf Tage nach Ankunft musste sie übrigens zunächst in Quarantäne im Haus am Süderwall verbringen, weil sie aus Österreich angereist war. Aber das habe sie Dank Arbeit gut überstanden, außerdem fühlte sie sich sehr gut von der Stadt betreut, lächelt sie in Richtung Julia Heuer.
Die Autorin verrät, dass sie in ihrer Zeit in Otterndorf jetzt hofft, ihren neuen Jugendroma "Verein der verwöhnten Einzelkinder" ein gutes Stück voranzubringen. Zudem hat sie einen Blog auf irher Homepage angefangen, in dem sie Leserinnen und Lesern an ihren Beobachtungen in Otterndorf teilhaben lassen möchte. Auch den Schaukasten im Gartenhaus am Süderwall wolle sie mit ihren Minibeobachtungen bestücken.
Bis ihre Partner und ihre Tochter sie im Sommer besuchen kommt, widmet sie sich jetzt intensiv ihrer Arbeit, Dazu sei das Gartenhäuschen am Rande der Altstadt gut geeignet, hat sie bereits herausgefunden.
Kurzvita der neuen Stadtschreiberin
Die 1971 in Göttingen geborene Schriftstellerin Almut Tina Schmidt wuchs in Marburg auf. Ihr Studium der Literaturgeschichte, Philosophie sowie Politikwissenschaft absolvierte sie in Freiburg.
Die Dissertation über den Theater-, Hörspiel und Romanautor Thomas Strittmatter schloss sie 2010 ab.
Heute lebt Almut Tina Schmidt als freie Schriftstellerin in Wien. Sie ist vielseitig, veröffentlichte Kinderbücher, mehrere Theaterstücke und zahlreiche Hörspiele, einen Roman sowie Prosa in Literaturzeitschriften und Anthologien. Sie arbeitet gelegentlich als Dramaturgin und Drehbuchlektorin, schreibt ansonsten für Erwachsene und auch für Kinder, "allerdings keine Pferdebücher", wie sie auf ihrer Homepage explizit anmerkt. "Zeitverschiebung" heißt ihr jüngster Roman, den sie 2016 im Verlag Droschl (Graz/Wien) veröffentlichte.
Die Liste ihrer Auszeichnungen ist lang.:
Unter anderem erhielt Almut Tina Schmidt den Walter-Serner-Preis (2012), das Heinrich-Heine-Stipendium Lüneburg (2013), das Staatsstipendium des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur (2013/14), den Rotahorn-Preis (2017), Projektstipendium des österreichischen Bundeskanzleramts (2017/2018), Kulturstipendium Wien-Neubau (2020).