
Millionen-Defizit: Krankenhaus Otterndorf in bedrohlicher Lage
OTTERNDORF. Die Corona-Pandemie hat dem Krankenhaus Land Hadeln so stark finanziell zugesetzt, dass das 94-Betten-Haus nun selbst zum Patienten geworden ist - und, wie jetzt bekannt wurde, dringend Hilfe benötigt.
Die Hoffnungen liegen auf Kommunen, Kreis, Land und Bund. Eine Task Force aus Klinikverantwortlichen, Politik und Verwaltung ist seit einigen Wochen dabei, eine Lösung zu finden. Auf verschiedenen Ebenen laufen gegenwärtig die Bemühungen, um die Klinik zu stabilisieren.
Nach Informationen unseres Medienhauses soll sich das Defizit auf insgesamt sechs Millionen Euro belaufen, davon allein drei Millionen aus dem Lockdown zwischen November 2020 und Februar dieses Jahres. Die Krux: Der Rettungsschirm des Bundes für Kliniken greift nicht für solch kleine Häuser wie Otterndorf. Am 22. März soll auf der Ministerpräsidentenkonferenz über eine Erweiterung des Rettungsschirms gesprochen werden.
Einer der größen Arbeitgeber der Region
In der Region steht das Krankenhaus Land Hadeln nicht nur für die medizinische Grundversorgung von rund 70 000 Einwohnern in den drei Samtgemeinden Land Hadeln, Börde Lamstedt und Hemmoor sowie Nordkehdingen. Mit seinen 280 Mitarbeitenden ist es auch einer der größten Arbeitgeber der Region. Aus dem niedersächsischen Sozialministerium ist der Klinik nach unseren Informationen erst kürzlich eine positive Fortbestandsprognose attestiert worden.
Sigurd Gawinski und André Eydt, Geschäftsführer des Krankenhauses Land Hadeln Otterndorf GmbH, bestätigten auf Nachfrage, dass die Gegebenheiten rund um die Corona-Pandemie wie in vielen Kliniken in Otterndorf zu einer deutlich veränderten Inanspruchnahme der vorgehaltenen stationären Kapazitäten geführt habe. In ihrer schriftlichen Stellungnahme teilen sie unter anderem weiter mit: "Die Kliniken sind durch die dem Gemeinwohlinteresse folgende Vorhaltung von Versorgungsplätzen im Rahmen von Covid-19-basierten (Atemwegs-)Erkrankungen und der patientenseitig bedingten Verschiebung der planbaren Patientenversorgung in den einzelnen Fachgebieten von erheblichen Einnahmeausfällen betroffen." Politisch auf den Weg gebrachte Unterstützungsprogramme seien seit 1. Oktober 2020 an bestimmte Voraussetzungen gebunden, die jedoch nicht allen Kliniken einen auskömmlichen Ausgleich oder eine Überbrückung ermöglichten.
"Positive Signale" in Gesprächen
Gawinski und Eydt weiter: Das medizinische Leistungsspektrum gehe sowohl inhaltlich fachlich als auch regional deutlich über die Basisversorgung der Gebiete in der Samtgemeinde Land Hadeln hinaus. Sie sicherten zu: "Die nachhaltige Zukunftsfähigkeit unseres Krankenhauses als Versorger und Arbeitgeber in der Region bestimmt alle Überlegungen der Geschäftsführungs- und Gesellschafterebene." In enger Absprache befände man sich mit den Verantwortlichen der Krankenhausplanung und -finanzierung des Landes Niedersachsen. Ihnen seien in allen Gesprächen "positive Signale" gegeben worden. Die Inhalte wollten sie jedoch nicht konkretisieren.
Landrat Kai-Uwe Bielefeld hat sich wie auch Samtgemeindebürgermeister Harald Zahrte dafür eingesetzt, dass die in Schwierigkeit geratene Klinik Unterstützung erhält, immer in Abstimmung mit den Verantwortlichen. "Wir wollen doch alle, dass es im Krankenhaus Otterndorf weitergeht", betont Bielefeld. So seien auch die hiesigen Landtagsabgeordneten eingebunden worden, die sofort das Tau ergriffen und gezogen hätten. "Das Land ist sehr offensiv und wohlwollend an das Thema herangegangen", betont der Landrat. Wichtig sei jetzt, dass das Vertrauen in das Krankenhaus Otterndorf und seine Mitarbeitenden erhalten bleibe, schließlich werde dort hervorragende Arbeit geleistet.
Landesbürgschaft in Aussicht gestellt
Aus der Politik heraus gab es deutlichere Stellungnahmen. Nachdem der Cuxhavener CDU-Landtagsabgeordnete Thiemo Röhler vom Ernst der Lage erfahren hatte, habe er sich sofort mit dem Sozialministerium in Hannover in Verbindung gesetzt, bestätigte er im Telefonat mit der Redaktion. Das habe jedoch nicht helfen können, so Röhler, der sich davon jedoch nicht entmutigen ließ. "Schließlich geht es darum, das Krankenhaus und die Arbeitsplätze zu retten." Er habe sich daraufhin an Finanzminister Reinhold Hilbers (SPD) sowie Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) gewandt. Mit Erfolg: Sie hätten ihm eine Landesbürgschaft über 80 Prozent der Finanzierungslücke in Aussicht gestellt. "Das wäre die erste Landesbürgschaft überhaupt für ein Krankenhaus in Niedersachsen", so Röhler. Doch seine Euphorie erhielt einen Dämpfer. Leider, so der Cuxhavener Landtagsabgeordnete, habe der Landrat noch kein Kreditunternehmen in der Region für das Restdefizit in Höhe von 1,2 Millionen Euro finden können. Aufgeben ist für Röhler jedoch keine Option: Jetzt gehe es darum, Ideen zu entwickeln. Eine Rekommunalisierung sei für ihn keine Lösung, aber durchaus vorstellbar seien Beteiligungen über kommunale Gesellschaften oder Zahlungen aus Haushaltsmitteln.
SPD-Fraktionsvorsitzendender Claus Johannßen sieht jetzt zunächst die Gesellschafter am Zuge, erst nachgelagert könne man sich dann im politischen Bereich über Plan B unterhalten. "Dass das Land und auch die Sozialministerin Daniela Behrens deutlich sagen, das Krankenhaus Otterndorf ist nicht entbehrlich, stimmt mich zuversichtlich für den Standort", sagt Johannßen.
"Dieser Patient muss gesunden"
In die Task Force von Beginn an involviert war Samtgemeindebürgermeister Harald Zahrte. Der Erhalt des Krankenhauses sei für diesen ländlichen Raum essenziell - wegen wohnortnaher medizinischer Grundversorgung der Menschen ebenso wie als Wirtschaftszweig. Er hofft, dass Bemühungen Früchte tragen, dass auch kleinere Häuser wie Otterndorf vom Rettungsschirm profitieren können: "Es kann doch nicht sein, dass Corona unser Krankenhaus krank macht. Dieser Patient muss gesunden."
Im Raum stehen Optionen wie die Planinsolvenz in Eigenverantwortung der Gesellschafter, aber auch kommunale Gesellschaftsbeteiligungen.
"Medizinische versorgung gewährleisten"
Der Hemmoorer Landtagsabgeordnete Lasse Weritz (CDU) betont, dass es eine parteiübergreifende Abgeordneten-Initiative war, landesseitig dem Krankenhaus unter die Arme zu greifen. Auch Oliver Lottke (SPD) und Eva Viehoff (Grüne) hätten wichtige Beiträge dazu geleistet. Er, so Weritz, sei froh, dass es gelungen sei, die Landesbürgschaft, abgesichert durch die NBank, zu organisieren. Das gebe den Geschäftsführern Handlungsoptionen. Doch zunächst seien die Eigentümer des Krankenhauses am Zug. "Unser Ziel ist es, die medizinische Versorgung in der Region zu gewährleisten."
Rettungsschirm muss kommen: Ein Kommentar von Wiebke Kramp
Finanzspritze ist jetzt das Gebot der Stunde
Das Krankenhaus Land Hadeln benötigt dringend Hilfe, um zu überleben. Corona hat der Einrichtung so stark zugesetzt, dass Einnahmen weggebrochen sind. Aber Hilfen aus dem Rettungsschirmen sind noch nicht in Sicht. Einzig vom Land Niedersachsen gibt es schon das deutliche Signal einer Landesbürgschaft von 80 Prozent. Solange jedoch die restlichen 20 Prozent nicht gesichert sind und sich kein Kreditinstitut findet, das bereit und in der Lage ist, 1,2 Millionen Euro zu gewähren, hängt das Wohl des Hauses und seiner 280 Mitarbeitenden am seidenen Faden. Was jetzt nicht passieren darf, ist Vertrauensverlust in die Qualität. Das Thema Krankenhaus ist komplex. In diesen Bereich spielen verschiedene Aspekte hinein - nicht nur medizinische, sondern zunehmend auch wirtschaftliche sowie strukturelle Fragen zum Beispiel über Größenordnung und Leistungsfähigkeit. Es ist gut, richtig und wichtig, dass auf verschiedenen Ebenen nach Lösungen für Otterndorf gesucht wird. Politik und Verwaltungen sind gut beraten, sich für dieses regionale Krankenhaus einzusetzen, um eine medizinische Grundversorgung bei hoher medizinischer und pflegerischer Qualität in einer ländlichen Region wie unserer sicherzustellen und wertvolle Arbeitsplätze zu erhalten.
Durch Privatisierungen haben sich Kommunen allerdings schon vor Jahren das Heft des Handelns abkaufen lassen. Vielleicht ist es genau jetzt an der Zeit, aufgrund der akuten Diagnose über anteilige Klinikbeteiligungen gemeinsam mit den Gesellschaftern nachzudenken sowie das Thema Rekommunalisierung zu diskutieren. Außerdem sehe ich Land und Bund in der Pflicht, Sorge dafür zu tragen, dass auch kleinere Krankenhäuser wie Otterndorf Corona-Finanzspritzen erhalten.