Vor 50 Jahren, im Januar 1968, demonstrierten Bremer Schüler und besetzten die Schienen der Straßenbahn. Der Anlass waren Fahrpreiserhöhungen. Die Bremer Straßenbahn AG und der Senat hatten den Preis für den Einzelfahrschein von 60 auf 70 Pfennig erhöht. Foto: Stoss
Vor 50 Jahren, im Januar 1968, demonstrierten Bremer Schüler und besetzten die Schienen der Straßenbahn. Der Anlass waren Fahrpreiserhöhungen. Die Bremer Straßenbahn AG und der Senat hatten den Preis für den Einzelfahrschein von 60 auf 70 Pfennig erhöht. Foto: Stoss
6. Serienteil

Wie denken eigentlich die Jungen im Cuxland über die 68er?

von Christian Mangels | 15.11.2018

KREIS CUXHAVEN. Die 68er sind auch als ein Aufbegehren der Jungen gegen die Erwachsenenwelt in Erinnerung. 

Man befreite sich von als überkommen empfundenen Regeln und bereitete nach eigenem Verständnis einer neuen politischen Kultur den Boden. Wie denkt der politisch interessierte Nachwuchs heute darüber? Wir haben die Jugendorganisationen der Parteien befragt. Nachstehend sind die Antworten derer dokumentiert, die auf unseren Aufruf reagiert haben.

Wenn ich den Begriff 68er höre, kommen mir folgende Bilder in den Sinn...

Josefowiez: Proteste gegen das Wettrüsten (konkret die Aufstockung des US-Waffenarsenals in der BRD), Hippies, Hausbesetzungen, Drogen, Nato-Manöver.

Das Engagement der 68er zeigt sich bis heute in der Politik durch...

... eine überwiegende Zustimmung zu einer progressiven und liberalen Agenda (zumindest im Westen Deutschlands). Ach ja, und durch die Anwesenheit der Grünen im Bundestag.

Ohne die 68er wäre Deutschland heute...

... deutlich konservativer.

Die Nachwirkungen der 68er werden zu wenig gewürdigt, weil...

... Geschichte ein wenig mehr Zeit braucht, um zu wirken.

Wenn ich den Begriff 68er höre, kommen mir folgende Bilder in den Sinn...

Ehlers: Dynamik, Wandel und Umbruch, aber auch Werteverlust der Gesellschaft.

Das Engagement der 68er zeigt sich bis heute in der Politik durch...

... unter anderem dadurch, dass es ein Defizit an Führungspersönlichkeiten gibt. Zu viele werden an allen möglichen Entscheidungen beteiligt, damit es möglichst demokratisch aussieht und im Zweifelsfall niemand mehr die Verantwortung trägt.

Ohne die 68er wäre Deutschland heute...

... wahrscheinlich immer noch in starren Strukturen und Gepflogenheiten "gefangen".

Die Nachwirkungen der 68er werden zu wenig gewürdigt, weil...

... sich ein Großteil der Gesellschaft inzwischen nur für kurzfristiges politisches Engagement begeistern kann und zu wenige für Überzeugungen langfristig brennen.

Wenn ich den Begriff 68er höre, kommen mir folgende Bilder in den Sinn...

Bening: Protestierende Studenten, Hinterfragen alter Werte und Normen.

Das Engagement der 68er zeigt sich bis heute in der Politik durch...

... solidarischeres und liberaleres Denken.

Ohne die 68er wäre Deutschland heute...

... konservativer, traditionalistischer und unerfahren.

Die Nachwirkungen der 68er werden zu wenig gewürdigt, weil...

... trotz vieler ideologischer Verirrungen sie viele gesellschaftliche Tabus erfolgreich zum Gesprächsthema machten, zum Beispiel Umwelt, Minderheiten- und Frauenrechte und die Nazi-Vergangenheit in Deutschland.

Protest in Bremen

Vor 50 Jahren, im Januar 1968, besetzten Bremer Schüler die Schienen der Straßenbahn. Der Anlass waren Fahrpreiserhöhungen. Die Bremer Straßenbahn AG und der Senat hatten den Preis für den Einzelfahrschein von 60 auf 70 Pfennig erhöht. Der Preis für Sammelkarten für Schüler, Studenten und Lehrlinge stieg um sieben Pfennig - von 33 auf 40 Pfennig. Eine Erhöhung, die die Jugendlichen zu Tausenden auf die Barrikaden brachte.

Die Demonstrationen eskalierten, es kam zu schweren gewalttätigen Auseinandersetzungen in der Innenstadt. Polizei und Senat schätzten die Proteste am Anfang falsch ein, setzten auf volle Härte. "Draufhauen, draufhauen, nachsetzen!", brüllte der damalige Polizeipräsident Erich von Bock und Polach noch am vierten Protesttag den Einsatzkräften über Megafon zu, wie sich ein damals 19-jähriger Polizist in dem Buch "Draufhauen, draufhauen, nachsetzen!" von Detlef Michelers erinnert, das die wohl detailreichste Schilderung der turbulenten Tage enthält. "Chaos in Bremen" titelte die Bild-Zeitung am 20. Januar 1968. Es gab dutzende Verletzte, Hunderte Festnahmen. "Es war der brutalste und größte Polizeieinsatz, den Bremen seit Kriegsende erlebt hatte", so Michelers.

Letztlich wurde die Fahrpreiserhöhung zurückgenommen. "Schülerstreich, der die Bremer Staatsgewalt beugt", schrieb der Spiegel am 29. Januar 1968. In Bremen beschäftigten die Straßenbahn-Unruhen der jungen 68er anschließend einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Bürgerschaft. Das Gremium kam zu dem Schluss, dass der Polizeieinsatz zu hart gewesen war. Politisch gestolpert ist damals keiner im Bremer Senat, auch der Polizeipräsident blieb noch viele Jahre im Amt.

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Christian Mangels

Redakteur
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

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