Großeinsatz in Hechthausen: Rund 20 Beamte hatten im November 2009 auf dem Grundstück des Paares, auf dem das gemeinsame Haus stand, rund 1000 Löcher ausgehoben, damit Leichenspürhunde Witterung aufnehmen konnten. Doch die Aktion brachte keinen Erfolg. Nancy Köhn bleibt bis heute verschwunden... Archivfoto: Unruh
Großeinsatz in Hechthausen: Rund 20 Beamte hatten im November 2009 auf dem Grundstück des Paares, auf dem das gemeinsame Haus stand, rund 1000 Löcher ausgehoben, damit Leichenspürhunde Witterung aufnehmen konnten. Doch die Aktion brachte keinen Erfolg. Nancy Köhn bleibt bis heute verschwunden... Archivfoto: Unruh
Serie "Neu aufgerollt..."

Zehn Jahre später: Von Nancy Köhn fehlt weiterhin jede Spur

von Egbert Schröder | 07.08.2019

HECHTHAUSEN. Ein Mensch verschwindet - spurlos. So wie im Fall Nancy Köhn. Vor zehn Jahren wird die damals 26-Jährige zum letzten Mal in Hechthausen gesehen.

Danach gibt es keine Hinweise mehr, wo sie sich aufhält, ob sie noch lebt oder Opfer eines Gewaltverbrechens geworden ist. Es gibt keine Spuren. Nur Vermutungen. Die Vorwürfe gegen ihren Lebensgefährten, sie eventuell getötet zu haben, können nicht belegt werden. Zehn Jahre Ungewissheit - doch abgeschlossen ist der Fall für die Polizei noch nicht.

März 2009 in Hechthausen: Nancy Köhn meldet sich telefonisch bei ihrer Familie in Hagenow in Mecklenburg-Vorpommern. Ihre Mutter ahnt nicht, dass es dass letzte Lebenszeichen ihrer damals 26 Jahre alten Tochter ist. Zu diesem Zeitpunkt lebt die junge Frau mit ihrem damaligen Lebensgefährten, der ebenfalls aus Hagenow stammt, in einem Haus am Ortsrand von Hechthausen.

In der Beziehung des Paares kriselt es. Später gibt der damals 31-Jährige zu, dass es im März 2009 immer wieder zu Streitigkeiten gekommen sei. Die Beziehung sei "zerbrochen".

Nach seinen eigenen Angaben habe er nach dieser Auseinandersetzung von Nancy Köhn nichts mehr gehört oder gesehen. Dass sie daraufhin spurlos verschwindet und der Kontakt abbricht, ist ihm anscheinend egal. Nicht er, sondern Nancys Bruder erstattet im Juli 2009 eine Vermisstenanzeige.

Fahrzeug verschrottet

Zuvor war der Bruder nach Hechthausen gefahren, wo er auch den Lebensgefährten seiner Schwester angetroffen hatte. Mehrfach hatte er versucht, seine Schwester per Telefon oder SMS zu kontaktieren - erfolglos. So setzt er sich in sein Auto, fährt in das Dorf an der Oste und stellt den ehemaligen Freund zur Rede. Der reagiert auf die Frage, wo sich denn seine Schwester aufhalte, mit einer Gegenfrage: "Ist die denn nicht bei euch?"

Die Polizei nimmt die Ermittlungen auf. Kurze Zeit später gibt es den ersten Hinweis: Im April 2009 - also einen Monat nach dem Verschwinden der Frau - war auf einem Parkplatz an einer S-Bahn-Station im Hamburger Stadtteil Allermöhe ein blauer Ford Mondeo mit CUX-Kennzeichen sichergestellt worden. Die Besitzerin: Nancy Köhn.

In der Zwischenzeit ist der Wagen aber bereits verschrottet, denn dass das Fahrzeug möglicherweise mit einem Tötungsdelikt in Verbindung stehen könnte, war zum damaligen Zeitpunkt noch nicht bekannt. Das Problem: Eventuell sind damit auch Beweismittel vernichtet worden.

Anschließend verdichten sich die Hinweise, dass Nancy Köhn möglicherweise nicht mehr am Leben ist: "Die vorliegenden Erkenntnisse der Polizei lassen befürchten, dass Nancy Köhn ihren gewohnten Lebensraum nicht freiwillig verlassen hat und einem Unfall oder einer Straftat zum Opfer gefallen sein könnte", heißt es offiziell.

Im November 2009 erhöht sich der Druck auf den ehemaligen Lebensgefährten. Es kommt in Hechthausen zu einer spektakulären Aktion: Polizisten suchen auf dem über 2000 Quadratmeter großen Grundstück des Paares nach der Leiche oder anderen Spuren. Mehr als 1000 Löcher werden ausgehoben, damit Leichenspürhunde Witterung aufnehmen können. Zugleich setzt die Polizei Spezialgerät ein. Auch ein Teich auf dem Grundstück wird auf eine Tiefe von drei Metern ausgehoben. Doch die Suche bringt keine Hinweise: Das Rätselraten um Nancy Köhn geht weiter.

Auch die bundesweite Berichterstattung in der Sendung "Aktenzeichen XY - ungelöst" verläuft im Sande. Die Ermittlungen gegen den ehemaligen Lebensgefährten werden eingestellt. Hinweise, dass er sie getötet hat, gibt es trotz widersprüchlicher Angaben in seinen Vernehmungen nicht. Für eine Anklageerhebung reichen die Angaben nicht aus.

Es sei nicht beweisbar, dass Nancy Köhn einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen sei - so die Einschätzung der Staatsanwaltschaft damals. Sollte es neue Hinweise in diesem Fall geben, werde man natürlich wieder tätig werden.

Doch diese Hoffnung sinkt zehn Jahre nach der Verschwinden Nancy Köhns von Tag zu Tag. "Die Akte wird nicht geschlossen", kündigte die damals Polizei an.

Dass ist auch heute noch so, doch Fortschritte bei den Ermittlungen gab es auch nicht: "Es stimmt, Nancy Köhn ist weiterhin vermisst", so Pressesprecherin Anke Rieken in dieser Woche.

Was mit Nancy Köhn geschehen ist? Auf diese Frage gibt es auch nach zehn Jahren keine Antwort.

Neu aufgerollt

Keine Spur, keine Täter, keine Leiche: Im Landkreis Cuxhaven gibt es zahlreiche Kriminalfälle, die nach jahrelangen Ermittlungen immer noch nicht aufgeklärt sind. Es sind ebenso schreckliche wie aufsehenerregende Fälle, mit denen sich die Ermittler in der Region befasst haben. Vielen sind die unfassbaren Taten noch in Erinnerung. In der CN/NEZ-Serie "Neu aufgerollt" wollen wir an diese spektakulären Kriminalfälle erinnern.

Auch Suche in Schleswig-Holstein verlief im Sande...

Die Suche nach Nancy Köhn sorgte auch überregional für Schlagzeilen. So wurde im Februar 2012 der Fall - erneut - in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY - ungelöst" aufgegriffen. Der Grund: Eine zunächst vielversprechende Spur führte nach Schleswig-Holstein. Dem Hinweis gingen die Ermittler und auch das ZDF-Team nach.

Die Vorgeschichte: Nach langer erfolgloser Suche - auch in überregionalen Medien - hatte sich im Sommer 2011 ein Außendienstmitarbeiter einer Vertriebsfirma bei der Polizei gemeldet.

Der Mann meinte, das Auto der Vermissten mit dem CUX-Kennzeichen nach dem Verschwinden der jungen Frau auf einem Waldparkplatz an der Landesstraße 121 zwischen Aukrug und Nortorf gesehen zu haben - vollgestopft mit blauen Säcken. Die Ermittler waren alarmiert. Eine große Suchaktion brachte jedoch keine Erkenntnisse.

Deshalb wurde der Fall noch einmal im ZDF bei "Aktenzeichen XY" gezeigt. Die "Schleswig-Holsteinische Landeszeitung" berichtete ebenso wie das Schleswig-Holstein-Magazin des NDR-Fernsehens. Anschließend wandten sich rund 25 weitere Zeugen an die Polizei - alle aus dem Großraum Aukrug, Nortorf. Ihnen war das Fahrzeug, ein blauer Ford Mondeo mit Cuxhavener Kennzeichen, aufgefallen. Es meldete sich auch ein Forstmitarbeiter, der im gleichen Waldstück, aber an anderer Stelle, das Auto sah.

Die Spur wurde immer vielversprechender. Doch dann kam die Ernüchterung: Es meldete sich eine Frau (38) aus dem Landkreis Cuxhaven. Sie berichtete, dass sie einst im Jahr 2009 "persönliche Verbindungen zu dem Raum Neumünster und Aukrug gehabt habe", so die Polizei damals. Und die Frau fuhr ebenso wie seinerzeit Nancy Köhn einen blauen Ford Mondeo mit Cuxhavener Kennzeichen. Selbst die Buchstabenfolge im weiteren Kennzeichen war nahezu identisch. In der dreistelligen Zahlenfolge des Nummernschildes gab es bei nur einer Ziffer eine Unterscheidung.

"Es ist ein unglaublicher Zufall, dass gerade eine Frau aus dem Landkreis Cuxhaven mit einem beinahe identischen Kennzeichen und mit dem gleichen Fahrzeugtyp in gleicher Farbe unterwegs war. Glücklicherweise hat sie sich ein Herz gefasst und sich gemeldet. So haben wir gemerkt, dass die scheinbar heiße Spur nach Aukrug eine irreführende war", meinte damals der für Ermittlungen zuständige Kriminalhauptkommissar.

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Egbert Schröder

Redakteur
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

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