
Zusteller im Cuxland: So kommt ihre Zeitung nachts nach Hause
KREIS CUXHAVEN. "In Süderende habe ich mal einen Wolf gesehen. Er stand nur da und war mit etwas beschäftigt. Ich hätte ihn gar nicht wahrgenommen, wenn ich die Stirnlampe nicht aufgehabt hätte", sagt Inge Gerdts. Sie ist seit 2003 in Bülkau als Zeitungszustellerin unterwegs.
Lange vor dem ersten Hahnenschrei ist Inge Gerdts mit ihrem Fahrrad unterwegs. Im Gepäck hat sie 110 Niederelbe-Zeitungen, eine "Welt", eine Süddeutsche Zeitung und die "Citipost". Am Sonnabend kommt noch der Sonntagskurier hinzu. Von Sprenge aus geht es über Norderende und Bülkau-Dorf bis Süderende. Keine Menschenseele ist zu sehen. Nur ein paar Hunde, die sich heiser bellen. "Solange sie hinterm Zaun sind, ist es gut", sagt Inge Gerdts. "Die Menschen hier brauchen keinen Wecker", lacht sie. "Corona-mäßig halte ich den Ball flach - man kann auch mit Abstand ,Hallo‘ sagen." Bei Bäcker Buck liegt ein verlockender Duft in der Luft. Inge Gerdts hat in dieser nacht als Urlaubsvertretung auch den Ortsteil Aue dabei. "Das Ende der Welt", frotzelt sie. Auf teils gefährlichen Wegen müssen in Aue-Oberreihe auch entlegene Höfe erreicht werden. "Ich brauche keine Muckibude", lacht die 62-Jährige. Wenn sie nach Hause kommt, müssen erst einmal die Hühner nach draußen. "Nur mittags gibt's ein kleines Schläfchen, damit ich morgen wieder gut aus den Federn komme."
Kaffee und belegtes Brot
Von Überraschungen auf ihren nächtlichen Touren kann Marita Söhl, die seit zehn Jahren Zeitungen in Cadenberge austrägt, ein Lied singen: "Stockdunkel war's. Da saß eine Frau vor der Tür und wartete auf mich. Sie wollte mal sehen, wer ihr da die Zeitung bringt. Am nächsten Morgen empfing sie mich mit Kaffee und geschmiertem Brot." 70 NEZ, plus Mittwochskurier und die "Citipost" kutschiert die Cadenbergerin auf ihrem Fahrrad durch die Nacht. "Mein Frühsport", lacht sie und schwingt sich auf den Sattel. Marita Söhls Gebiete sind der Ginsterweg und Altenfluth, die Oberreihe mit Querstraßen und die Bahnhofstraße.
Die kalte Luft beißt in den Augen, lässt die Nase laufen und kneift an den Lippen. Das stört die gebürtige Westersoderin nicht besonders. "Ich bin der Typ, der morgens noch nicht viel redet. Dann habe ich die Zeit für mich alleine", sagt die 58-jährige. "Die Stirnlampe haben wir zu Weihnachten von der Zeitung gekriegt. Das ist sonst Schiet mit den dunklen Wegen." Schon saust die Zustellerin um die Ecke zu ihrer letzten Station. Bei Fleischerei Hess flackern hinter dicken Glasbausteinen schon die Lichter. Und zu Hause bollert der Ofen. Mit Kaffee und Frühstück genießt Marita mit ihrem Mann den Start in den Tag. "Meistens leg ich mich mittags noch ein büschen hin."
Frische Luft und Stille
Auch der Cuxhavener David Schwister genießt die Bewegung an der frischen Luft und die Stille, wenn er zu nächtlicher Zeit mit dem Fahrrad, voll beladen mit Lesestoff, durch die Stadt fährt. Er kennt seine fünf Festreviere wie seine Zeitungstasche. "Schöner Vollmond heute. Ich habe ein Teleskop zu Hause. Und was mache ich? Ich laufe durch die Gegend", lacht der 42-Jährige und sieht dabei vergnügt aus. "Ich bin schon drei Bezirke gefahren", sagt der gebürtige Cuxhavener, als er um drei Uhr weitere vier Reviere in Angriff nimmt. Von der Bahnhofstraße geht es ins Industriegebiet. Von der Elbe hört man das Getucker der Schiffe. "Vier, fünf Jahre mache ich das schon, inklusive Vertretungen, in Vollzeit. Früher war ich beim Seefischmarkt unter anderem als Löscher beschäftigt und habe auch schon als Möbelpacker gearbeitet." David Schwister hat sein eigenes Ablagesystem. Wenn er richtig Tempo gibt, greift er schon während der Fahrt nach hinten in die Tasche. Meistens trägt er 250 bis 300 Exemplare der Cuxhavener Nachrichten aus. Dazu kommen in der Nacht zu Mittwoch noch bis zu 1700 Kuriere.
"Jeder Gang macht schlank"
Jeder Hauseingang ist erst einmal ein dunkles Labyrinth. Sechs Schlüsselbunde, farblich codiert und beschriftet, sorgen für Schwisters freien Zugang. Die Pufferzone zwischen Privat und Außenwelt hat ihren besonderen Geruch. Manchmal riecht es in den Hauseingängen noch nach dem Eintopf des Vortages oder nach dem Reinigungsmittel, mit dem das Treppenhaus gewischt worden ist, Auf manchen Touren geht es hinauf bis in den 2. Stock. "Jeder Gang macht schlank", lacht der Zeitungsausträger. "Corona begegne ich mit Vorsicht; das heißt: Abstand halten." Wenn David Schwister nach Hause kommt, wird erst einmal geduscht und gefrühstückt, dann werden die Nachrichten geschaut. Schwiester: "Der Rest des Tages ist Freizeit."
Kontakt
Wer auch Zeitungen austragen möchte meldet sich bei
Nico Dannehl, Telefon (0 47 21) 5 85-3 31 (Cuxhavener Nachrichten, Cuxhaven Kurier);
Sarah Gersonde, (0 47 51) 9 01-1 42 (Niederelbe-Zeitung, Hadler Kurier);
Ute Schult, (0 47 51) 9 01-1 26 (Cuxhaven/Hadler Kurier zum Sonntag)
Von Joachim Tonn