
Messerangriff vor Gericht: Neue Wende im Prozess um die Attacke in Cuxhaven-Duhnen
Vor Gericht geht es um eine Bluttat vor einem Lokal im Cuxhavener Stadtteil Duhnen, bei der ein junger Mann lebensgefährlich verletzt wurde. Nun gab es im Prozess eine neue Wende.
Am neunten Verhandlungstag im Prozess um einen blutig endenden Messerangriffs hat die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Stade durchblicken lassen, dass der Anfang kommenden Jahres zu erwartender Schuldspruch auf den Versuch des gemeinschaftlichen begangenen Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung lauten könnte. Drei auf der Anklagebank sitzende Männer waren bei Prozessauftakt des versuchten Mordes angeklagt worden: Die Staatsanwaltschaft legt ihnen zur Last, im September 2022 auf den Gast eines Lokales im Cuxhavener Kurteil Duhnen eingestochen zu haben und den seinerzeit 21-Jahre alten Kontrahenten lebensgefährlich verletzt zu haben.
Das vor Gericht als Nebenkläger auftretende Tatopfer war am Donnerstag nicht geladen, wohl aber ein Schwager des jungen Mannes, dessen Aussagen in mancherlei Hinsicht darauf hindeuteten, dass es sich bei dem Angriff vor der Lokaltür um eine Eifersuchtstat gehandelt haben könnte. Im Zeugenstand berichtete der mit dem Geschädigten verwandte Deutsch-Syrer nämlich, dass der Genannte am fraglichen Abend eine Flut von Handy-Nachrichten von einer neuen Freundin erhalten habe. Die junge Frau, die erst seit Kurzem von ihrem Ex-Partner getrennt lebte, war mit einer Bekannten unterwegs gewesen, als sie in besagter Gaststätte ihren Verflossenen im Kreise weiterer Männer entdeckte. Hatte die Frau zum Handy gegriffen, weil sie womöglich Beistand suchte? Der Zeuge relativierte: Möglicherweise wollte sie ihren neuen Gefährten einfach zum Mitfeiern überreden.
Messer-Attacke in Duhnen: Der Ton im Saal gewinnt merklich an Schärfe
Was geschah, nachdem der 21-Jährige vor Ort eingetroffen war, wurde in Teilen durch eine Überwachungskamera dokumentiert. Auf Videos, die an einem der vergangenen Prozesstage im Gerichtssaal gezeigt wurden, war zu erkennen, wie sich das Opfer in Begleitung zweier Männer ins Freie begab. Vor der Tür - so rekapitulierte der Zeuge die späteren Schilderungen seines Schwagers, soll zunächst alles okay gewesen sein - so lange bis ein weiterer Mann hinzustieß und den Geschädigten von hinten oder von der Seite kommend ins Gesicht schlug. Im Laufe der einsetzenden Rangelei will das Opfer im Bereich seiner Körpermitte einen warmen Fleck wahrgenommen haben: Erst durch das austretende Blut soll der mutmaßlich unter Adrenalin stehende Geschädigte realisiert haben, dass auf ihn eingestochen worden war.
Wie viele Messer werden vor der Kneipe in Duhnen eingesetzt?
Doch wie viele Messer waren bei dem Handgemenge eigentlich im Spiel? Aus Sicht der Verteidigung keine unerhebliche Frage: Sollte es mehrere Stichwaffen gegeben haben, die gegen das Opfer geführt wurden, könnte sich dadurch der Tatanteil eines Hauptbeschuldigten reduzieren. Bei der Befragung des Zeugen fokussierte sich Rechtsanwalt Marco Lund auf eben jenen Aspekt - mit dem Ergebnis, dass der Ton zwischen dem Kammervorsitzenden und dem Strafverteidiger ungewöhnlich an Schärfe gewann. Richter Erik Paarmann warf Lund vor, den Zeugen mit einer Suggestivfrage in eine bestimmte Richtung lenken zu wollen. "Wo haben Sie das her?", wollte der Vorsitzende in Bezug auf ein zweites oder ein drittes Messer wissen. Der Anwalt, der kurz darauf auf einen Aktenvermerk hinwies, in dem (grammatikalisch gesehen) von mehreren Stichwaffen die Rede war, warf Paarmann vor, die Verteidigungsstrategie torpediert zu haben. "Wenn die Verteidigung Schwierigkeiten hat, einen Zeugen zu erreichen, muss man manchmal eine gewisse Großmut walten lassen", argumentierte der Rechtsanwalt.
Mit einem Antrag auf Haftverschonung für ihre in Untersuchungshaft sitzenden Mandanten, konnte sich die Verteidigung am Donnerstag nicht durchsetzen. Für den älteren Beschuldigten stellte dessen Anwältin einen Beweisantrag: Ausgehend von der Erkenntnis, dass am Tatort auch Blutspuren von einem der drei mutmaßlichen Täter sichergestellt wurden, verlangte die Anwältin ein Gutachten, das den Beweis erbringen soll, dass es sich bei den Blessuren des Angeklagten um Abwehrverletzungen handele. Nach Lesart der Verteidigerin entstanden die Schnitte, als der Mann dazwischenging - angeblich in dem Versuch, den Messerangriff zu unterbinden. Außerdem lenkte die Verteidigung den Blick auf eine Schwester zweier Beschuldigte. Im Raum steht der Vorwurf, dass das Opfer ein Verhältnis zu der Frau gehabt habe.