Mit Schwung zum Festmahl: Servicekräfte tragen die Gänge an die Tische im großen Festsaal von Schloss Ritzebüttel. Foto: Jens Potschka
Mit Schwung zum Festmahl: Servicekräfte tragen die Gänge an die Tische im großen Festsaal von Schloss Ritzebüttel. Foto: Jens Potschka
Festessen, Musik und Geschichte

Amtmann Barthold Heinrich Brockes bittet im Schloss Ritzebüttel zu Tisch

von Jens Potschka | 23.09.2025

Kulinarik und Historie: Im Schloss Ritzebüttel wird nicht nur das Geburtstagsdinner eines Dichters gefeiert, sondern auch der marode Marstall in den Fokus gerückt. Die Aktiven vom Schlossverein verbinden Genuss und Erinnerung kunstvoll miteinander.

Es ist Punkt 18 Uhr. Die Glocke der Martinskirche ertönt, begleitet die letzten Gäste aus Richtung Marktplatz herüber. Vorbei am Gärtnerhaus, vorbei an der Alten Wache - und an jenem großen Relief, das seit Jahrzehnten an Amtmann Barthold Heinrich Brockes erinnert. Die Patina schimmert im frühen Abendlicht, unter dem roten Backstein blüht frisch bepflanzt ein Beet.

Dann die Treppe hinauf zum Schloss: Dort wartet ein Begrüßungssekt. Gitarrenklänge von Jan Richert - beschwingte italienische, kubanische, spanische Klänge füllen den Flur. Im Festsaal ist das Stimmengewirr schon dicht. Man begrüßt sich, herzt sich, orientiert sich an der Tafel mit der Sitzordnung und sucht seinen Platz. Ein Abend beginnt, der mehr sein will als ein Geburtstagsdinner - er ist lebendige Erinnerung an einen Dichter, Amtmann und Hamburger Senator, der vor 290 Jahren nach Ritzebüttel kam.

Drinnen im großen Saal glänzen die Tische. Weißes Porzellan, Silberbesteck mit Gravur, Stoffservietten in festlichen Falten. "Herzlich willkommen zur diesjährigen Brockes-Brotzeit", grüßt Schlossvereinsvorsitzende Melanie Eitzen-Fischer. "Wir feiern heute nicht irgendeinen Geburtstag, sondern die Wiederkehr eines Dichters, Naturbeobachters und Amtmannes." Dankbar blickt sie in den Saal: "Schön, dass Sie alle da sind." Sie erinnert an die Ehrenmitglieder, an neue Gäste, an die Stadtsparkasse als Förderer, an Sponsoren und an den eigentlichen Zweck des Abends: das Schlossensemble und besonders den maroden Marstall im Bewusstsein zu halten. "Es wird ein langer Weg", sagt sie, "aber wir bleiben dran. Mit Ihrer Hilfe."

Fünf Gänge und viele Treppenstufen

Das Menü ist ein Kunststück der Logistik. Denn im oberen Teil des Schlosses gibt es keine richtige Küche für derlei Feierlichkeiten. Also verwandelten die Hansens vom "Hotel Seelust" kurzerhand Trauzimmer, Garderobe und Barocksaal in eine Art "Zwischenküche". Ein Wärmeschrank stand in der Garderobe, mobile Herdplatten brodelten dort, wo sonst Jacken hängen. Für das Team hieß das: Trepp auf, Trepp ab - den ganzen Abend. Teller, Töpfe, Wärmebehälter in endloser Schleife. Draußen vor der Schlosstreppe wartete ein VW-Springer als Spülmobil. Gebrauchte Teller hinein, zurück nach Duhnen. "Das ist Schwerstarbeit, aber es macht Spaß", sagt Jörg Hansen. "Wir wollen zeigen, dass man auch ohne große Küche ein festliches Menü zaubern kann."

Kulinarik mit Heimatbezug

Und das taten sie. Zuerst ein Amuse-Gueule, dann eine Mousse von Cuxhavener Räucherfischen mit Honig-Senf-Dill-Soße. "Vielleicht gab's das so ähnlich schon zu Brockes' Zeiten", lacht Hansen. "Nur haben wir es ein wenig modern gemacht." Es folgten das Helgoländer Hummersüppchen, die rosa gebratene Rindersteakhüfte mit Rosmarinjus, Zwiebelmarmelade und Pastinaken. Zum Schluss eine Dessertvariation "Brockes 2025". Hansen erklärt jeden Gang launig selbst, norddeutsch per Du. "Brockes wäre bestimmt stolz, wenn er das sehen könnte", meint er. "Und wenn man 345 wird, darf man ruhig mal schlemmen."

Musik für des Dichters Ohren

Im Festsaal enthüllen Melanie Eitzen-Fischer und Vorstandsmitglied Bernd Kreft derweil ein neues Gemälde des Amtmannes. Applaus brandet auf. Zwischen den Gängen schweigen Teller und Gläser - und es erklingt Musik. Nina Böhlke singt, Andrea Benucci begleitet sie auf der Laute. Ihre Lieder - zumeist Musik aus dem 17. Jahrhundert von John Dowland - tragen weit in den Saal, schaffen stille Momente. "Sie begleiteten die Festrunde trefflich", sagt später ein Gast. Der Dichter Brockes, der selbst ein feines Ohr für Natur- und Weltklänge hatte, hätte wohl genickt.

Auch das Publikum mischt sich in die Erinnerung ein. "Wir kommen schon seit vielen Jahren zur Brockes-Brotzeit", erzählen Uta Petersen und Werner Tiemann. "Es ist wie ein Familientreffen." Andere Gäste sind zum ersten Mal dabei - und staunen über die Atmosphäre, die Mischung aus Barock und Gegenwart, Genuss und Geschichte.

Spät am Abend senkt sich die Stimmung. Stimmen mischen sich erneut im Flur und draußen schlägt die Turmuhr elfmal. Die Brotzeit 2025 klingt aus. Ein Abend für Brockes und für die lebendige Erinnerung einer Stadt an ihre hamburgische Vergangenheit.

Glanz im Schloss: Ein Blick in den festlich eingedeckten Festsaal von Schloss Ritzebüttel. Foto: Jens Potschka
Gemeinsam für den guten Zweck: Das Serviceteam mit Jörg und Michaela Hansen vom "Hotel Seelust" sowie die Schlossvereinsvorsitzende Melanie Eitzen-Fischer. Foto: Jens Potschka
Barocke Klänge im Festsaal: Sängerin Nina Böhlke und Lautenist Andrea Benucci begleiteten die Brockes-Brotzeit musikalisch. Foto: Jens Potschka
Saitenklang zum Empfang: Gitarrist Jan Richert stimmte die Gäste musikalisch auf die Brockes-Brotzeit ein. Foto: Jens Potschka
Jörg Hansen mit einem jungen Auszubildenden bei der Vorbereitung der Vorspeise für die Brockes-Brotzeit 2025. Foto: Jens Potschka
Eine Helferin beim Festessen im Schloss Ritzebüttel: Die Logistik hinter dem kulinarischen Abend. Foto: Jens Potschka
Ein Küchenhelfer winkt aus dem Fenster, während er im provisorischen Küchenbereich im Schloss Ritzebüttel das Menü für das Brockes-Geburtstagsdinner vorbereitet. Foto: Jens Potschka

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

(1 Stern: Nicht gut | 5 Sterne: Sehr gut)

Feedback senden

CNV-Nachrichten-Newsletter

Hier können Sie sich für unseren CNV-Newsletter mit den aktuellen und wichtigsten Nachrichten aus der Stadt und dem Landkreis Cuxhaven anmelden.

Die wichtigsten Meldungen aktuell


Bild von Jens Potschka
Jens Potschka

Redakteur
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

jpotschka@no-spamcuxonline.de

Lesen Sie auch...
Schulpolitik

Cuxhavener Gorch-Fock-Schule: Im Rat geht es abermals um Standortvarianten

von Kai Koppe

Die Zukunft der Gorch-Fock-Schule ist neuerlich  Thema im Rat. Es gibt einen neuen Antrag, in dem ein Rückkauf des Alt-Gebäudes eine Rolle spielt.

Satire-Komödie

Auftakt in Cuxhaven: "Kalter weißer Mann" bringt Gender-Debatte auf die Bühne

Im Stadttheater Cuxhaven prallen Weltanschauungen auf Wortakrobatik: "Kalter weißer Mann" zerlegt den Kulturkampf ums Gendern mit messerscharfer Satire, pointensicheren Dialogen und einem Ensemble in Bestform.

Präventionsrat diskutiert

Senioren in Cuxhaven fühlen sich oft unsicher - Polizei mahnt zur Gelassenheit

von Jens Potschka

Trotz niedriger Kriminalitätsraten fühlen sich viele Senioren in Cuxhaven unsicher. Der Präventionsrat sucht nach Lösungen, um das Sicherheitsgefühl zu stärken, während unerwartete Herausforderungen den Alltag der älteren Generation prägen.

"Siedlung" lud ein

Neue Wohnungen an der Wernerstraße: Cuxhaven baut in Rekordzeit bezahlbaren Wohnraum

von Kai Koppe

In Rekordzeit hat die Siedlungsgesellschaft AG an der Cuxhavener Wernerstraße neuen Wohnraum geschaffen. Sieben Monate sind seit dem Spatenstich vergangen; inzwischen sind die künftigen Mietwohnungen (23 an der Zahl) so gut wie bezugsfähig.