
Cuxhaven: Für neues Regenrückhaltebecken in Groden muss ein Wald geopfert werden
Wenn in Groden ein Regenrückhaltebecken entsteht, liegt die Ausgleichsfläche in Altenwalde. Ist das immer gerecht? Aufwertung oder Bodenverlust - Lokalpolitiker beurteilen das mit Blick auf schwindende landwirtschaftliche Flächen nicht unkritisch.
Im Altenwalder Ortsrat wurde am Montag lebendig über ein Projekt diskutiert, das eigentlich Groden betrifft. Eigentlich: Denn wenn dort ein Regenrückhaltebecken entsteht, wird die Ausgleichsfläche auf Altenwalder Boden liegen, nämlich auf den Weiden zwischen Drangst und Ortseingang.
Teil der Entwässerungsmaßnahme "GrodEN 1"
Was hinter der Flächennutzungsplan- und Bebauungsplanänderung steckt, über die der Ortsrat zu befinden hatte, erklärten Michael Brinschwitz von der SWECO GmbH (Hannover) und Ronny Budach, Leiter der Abteilung Bauleitplanung und Stadtentwicklung bei der Stadt. Der Bau des Regenrückhaltebeckens ist Teil der Entwässerungsmaßnahme "GrodEN 1" ("Groden Entwässerung").
Weil viele Teile des Stadtteils regelmäßig bei Starkregen unter Wasser stehen, will die EWE Wasser GmbH hinter den Pharmabetrieben an der Zeppelinstraße ein rund 10.330 Quadratmeter großes Regenrückhaltebecken errichten.
Bauwagensiedlung Mitte 2023 aufgegeben
Es handelt sich bei dem Bereich Arnhausen aus vielfacher Hinsicht um ein besonderes Gelände, zum einen wegen der Historie als bedeutsamer Gutshof. Der Gutshof Arnhausen erstreckte sich über Jahrhunderte im Mittelteil auf einer leichten Erhöhung. Die Besitzer genossen von dort aus einen erhabenen Blick auf die Elbe. Der Bau der Bahnlinie nach Geestemünde 1896 durchschnitt das Anwesen. Ein Teil wurde 1910 an die Marine verkauft und mit Artilleriedepots bebaut, später befand sich hier die Standortverwaltung. 1954 brannte der Gutshof nieder und wurde nicht wieder aufgebaut. (Quelle: Cuxpedia)
Später entdeckten Bewohner einer Bauwagensiedlung das Gelände für sich. Auf einer Offenlandfläche von rund 4300 Quadratmetern verteidigten sie eine kleine Siedlung, die sie erst 2023 nach Aufforderung durch die Stadt aufgaben.
Reste der Siedlung und des alten Hofs
An der Seite des Geländes verläuft der Lehstrom und daneben ein beliebter Wander- und Radweg, von dem aus sich Blicke in die Idylle ergeben. Hier und da leuchten im Geäst noch Reste einer Hütte oder prallvolle Apfelbäume (Überreste des Gutshofs) auf. Trampelpfade durchziehen das Gelände; die kleine Fußgängerbrücke ist jedoch inzwischen gesperrt. Eine Nutzung durch die Anwohner sollen die Bauwagenbewohner stets verhindert haben.
Aufforstung und Wiedervernässung
Das Areal hat sich im Laufe der Jahrzehnte zu einem rund 10.000 Quadratmeter großen Ahorn- und Eschen- sowie Weiden-Pionierwald gewandelt, viele weitere Bäume wachsen dort. Dieselben Eigenschaften muss nun auch die Ausgleichsfläche aufweisen - besser: Sie soll erst noch zu einer wertvollen Fläche entwickelt werden. Geplant sind auf drei Teilstücken Aufforstung (feuchter Eschen- und Erlen-Auwald) und Wiedervernässung. Wegen des hohen Werts der Fläche in Groden (insgesamt geht es rund 14.020 Quadratmeter) ist die erforderliche Größe der Ausgleichsflächen auf 33.650 Quadratmeter berechnet worden. Es handelt sich um Flächen der EWE in einem Wasserschutzgebiet der Zone 1.

Eine Reihe von Fragen prasselte auf die Experten ein. Eine galt dem künftigen Unterhalt des Beckens. "Damit es nicht verlandet, wie es an anderen Stellen der Stadt passiert ist", gab Ortsbürgermeister Ingo Grahmann (SPD) zu bedenken. Das Becken soll für diesen Zweck vom Anna-Becker-Weg aus erreichbar ein; rundherum soll ein Unterhaltungsweg führen.
Robert Babacé (Die Grünen), der den Verlust des Biotops bedauerte, erkundigte sich nach den Auswahlkriterien. Es seien verschiedene Alternativen geprüft worden, so Michael Brinschwitz. Ausschlaggebend seien Verfügbarkeit, Eignung und Größe gewesen; das gestaute Wasser könne zudem über den Lehstrom abgeleitet werden.
Bleiben noch genügend Flächen übrig?
Eine rege Diskussion entwickelte sich um den Umgang mit Ausgleichsflächen allgemein. Die Frage des Ortsratsmitglieds Dietmar Rehfeldt (CDU), ob noch ausreichend Reserven für Baumaßnahmen in Altenwalde verblieben, beantwortete Ronny Budach mit Hinweis auf das 2011 durch den Rat beschlossene Kompensationskonzept. Darin ist festgelegt, dass landwirtschaftlich eher geringwertige Flächen auf dem Geestrücken, dem Geestrandmoor und der Marsch vorrangig herangezogen werden sollten: "Deswegen sind wir relativ oft bei Ihnen oder in Lüdingworth."
Ingo Uppendahl (SPD) äußerte heftige Bedenken. Die Vernichtung landwirtschaftlicher Flächen gefährde die Existenz kleiner Bauern, die sich gegen Großbetriebe nicht mehr behaupten könnten. "In Gudendorf ist das 1:1 passiert." Die Verknappung treibe die Preise hoch. Eine gerechtere Verteilung über die Stadtteile könne gewährleisten, dass nicht nur den Bauern in Altenwalde das Land abgegraben werde.
Ronny Budach und Robert Babacé hielten mit Blick auf die Aufwertung der Flächen dagegen, die auch im Interesse des Klimaschutzes stünden. Eine Neubewertung der Auswahl von Ausgleichsflächen könnte sich allenfalls der Rat vornehmen. Bei jeweils einer Gegenstimme befürwortete der Ortsrat die Änderung des Flächennutzungsplans und die Änderung des Bebauungsplans Nr. 106n "Gewerbegebiet Groden".
