Cuxhaven muss System der Tourismusfinanzierung "auf links drehen"
Bis dato wird in Deutschlands größtem Nordseeheilbad neben einem Gäste- und einem Tourismusbeitrag auch eine Bettensteuer erhoben. Das geht nur aufgrund einer "Sonderrolle". Die allerdings ist endlich.
Dass eine Übernachtungssteuer "on top" erhoben werden darf, obwohl die Kommune bereits einen Gästebeitrag kassiert, bildet in Niedersachsen die große Ausnahme. Der Stadt Cuxhaven hat man diesen "Sonderweg" zugestanden - im Rahmen des mit dem Land geschlossenen Entschuldungsvertrags. "Stabilisierungsvereinbarung" nennt sich dieser Kontrakt offiziell und seine Laufzeit wird mit dem Jahreswechsel 2026/27 enden. Bis dahin muss Deutschlands größtes Nordseeheilbad seine Tourismusfinanzierung auf neue Füße stellen.
So lapidar sich das anhört, so groß ist unter Umständen die Sprengkraft eines derzeit unvermeidlich scheinenden Systemwechsels: Ohne eine nicht absehbare "Verlängerung" aus dem Innenministerium, darf das heutige Mischkonstrukt (Gästebeitrag plus Übernachtungssteuer) nach 2026 nämlich nicht fortgeführt werden. Politik und Verwaltung müssen sich für eine Variante entscheiden, wobei es im ersten Fall um rund 10,3 Millionen und bei der "Bettensteuer" um 3,4 Millionen Euro geht. Die Summe aus Steuererträgen - das ist das größte Problem - lässt sich nicht ohne Weiteres kompensieren: Weil der Gäste- (früher: Kur)-Beitrag nur aufwandsgetrieben erhoben werden darf, kann er nicht einfach um ein durch das Übernachtungssteuer-Aus entstehendes Delta erhöht werden.
Vorlage offenbart laut SPD wenig Alternativen
Für die SPD-Ratsfraktion meldet deren Vorsitzender Gunnar Wegener aktuell noch Beratungsbedarf an. Wo die Reise hingehen könnte, ließ er tendenziell jedoch bereits am Dienstag durchblicken: Wenn man eine von der Verwaltung erstellte Vorlage (Titel: "Überprüfung der Struktur des Gästebeitrags und mögliche Alternativen") intensiv lese, so Wegener, "kann es nur die Entscheidung geben, dass man sich auf die Übernachtungssteuer fokussiert". In besagter Sitzungsvorlage hat die Stadtverwaltung diese Option als "Variante 3" auseinandergesetzt: Weil das sogenannte Subsidiaritätsprinzip mit einer Gesetzesänderung vom 29. Januar 2025 aufgehoben wurde, können Kommunen (anders als früher) zwischen Gäste-/Tourismusbeiträgen und der Erhebung einer Aufwandssteuer wählen. Sich für die Letztgenannte zu entscheiden, würde das Erhebungssystem vereinfachen: Keine Kurzonen oder Saisonzeiten mehr, das Gästebeitragsinkasso "verschwände" ebenso wie der Tourismusbeitrag, der bis dato unter Betrieben, die vom Urlauberaufkommen profitieren, erhoben wird. Um daraus resultierende Ausfälle aufzufangen, müsste der Übernachtungssteuersatz von derzeit 2,75 Prozent auf mindestens 11,58 Prozent angehoben werden.
Ebken warnt vor Schäden für Cuxhaven-Tourismus
"Das gibt es sonst nirgendwo!", schlägt der fraktionslose Ratsherr Oliver Ebken Alarm. Und warnt vor nachhaltigen Schäden für das örtliche Tourismusgeschäft: Der errechnete Steuersatz toppe alles, was anderenorts in puncto Bettensteuer aufgerufen werde - nach Recherchen unseres Medienhauses liegt der Spitzensatz bei 7,5 Prozent (Berlin). Unabhängig von der Prozentzahl ist es für Ebken nicht hinnehmbar, Kompensationsfragen allein auf die Übernachtungsgäste abzuwälzen. Ein weiteres Problem von Variante 3 ist seiner Auffassung nach die fehlende Zweckbindung von Steuern: "Geht das Geld, das über eine alleinige Bettensteuer eingenommen wird, dann auch tatsächlich in den Tourismus? Das ist nicht sichergestellt!", argumentiert der Vorsitzende des Unterausschusses Tourismus im Niedersächsischen Landtag, der es "fatal" fände, wenn Investitionen in Zukunft unterblieben, weil der Fremdenverkehr dazu herhalten müsste, den städtischen Haushalt zu sanieren. "Ich stehe in dieser Sache dicht bei den örtlichen Touristikern", kündigte Ebken an und berichtete von Unruhe, die das Thema in der Branche ausgelöst habe.
Lohmann: 11,58 Prozent kaum noch einzupreisen
"Recht überrascht" sei man angesichts diverser Blickrichtungen in der Sitzungsvorlage gewesen: So drückte es Beatrice Lohmann aus, die in diesem Fall für den Verkehrsverein Duhnen sprach. Die CDU-Tourismusfachfrau wusste am Dienstag auch zu berichten, dass Quartiergeber der Tendenz nach nicht länger bereit wären, eine Übernachtungssteuer "einzupreisen" - sollte es am Ende tatsächlich zu jenem oben bezifferten "Sprung" kommen. Konsequenz daraus könnte sein, dass Gäste mit der Nase auf einen mutmaßlichen Wettbewerbsnachteil gestoßen werden - etwa, wenn auf einer Hotelrechnung nicht nur ein Zimmerpreis, sondern auch eine Steuerforderung in Höhe von (über den Daumen gepeilt) 15 Euro pro Kopf und Nacht ausgewiesen wird. Ein Übernachtungssteuersatz dieser Größenordnung wäre auch aus Sicht von Günter Wichert ein der Außenwirkung nach fatales Signal; der FDP-Ratsfraktionsvorsitzende, aus dessen Sicht die aktuell angestoßene Diskussion viel zu spät kommt, sprach davon, dass die Politik bereits in Vorjahren hätte antizipieren müssen, "wie sich 3,5 Millionen Euro einsparen lassen".
Nicht anders als die Sozialdemokraten reklamieren auch Wichert (FDP) und Beatrice Lohmann (CDU) derzeit noch internen Abstimmungsbedarf. Auch, weil die Suche nach einer tragfähigen Lösung zur Tourismusfinanzierung durch den unter Tagesgästen erhobenen Strandeintritt verkompliziert wird.
Sonderthema Strandeintritt
Im Vergleich zu diesen Kurzzeitbesuchern erfuhr der "echte" (weil Gästebeitrag zahlende) Urlauber bis dato Vergünstigungen, nämlich nicht nur kostenfreien Zugang zu Wasser, sondern auch andere "Boni" wie ermäßigte Eintrittspreise in diversen Cuxhavener Freizeiteinrichtungen. Wie diese Vergünstigungen, die übrigens auch für Kurkarteninhaber aus mehreren Nachbargemeinden gelten, bei Einführung eines Steuermodells realisiert werden können, ist bis dato unklar.