Vertreterinnen und Vertreter von Stadt und Landkreis, Vereinen und Initiativen tauschten Erfahrungen aus und nannten Beispiele für gut laufende Initiativen gegen Altersarmut. Foto: Reese-Winne
Vertreterinnen und Vertreter von Stadt und Landkreis, Vereinen und Initiativen tauschten Erfahrungen aus und nannten Beispiele für gut laufende Initiativen gegen Altersarmut. Foto: Reese-Winne
Scham und Einsamkeit durchbrechen

Cuxhaven: Runder Tisch holt das Thema Altersarmut aus dem Dunkel  

von Maren Reese-Winne | 02.05.2023

Alte Leute, die darüber nachdenken, ob sie noch ihre Wohnung warm halten oder das Licht anmachen dürfen: Mit dem Thema Altersarmut ist die Hanel Senioren Stiftung in Cuxhaven jeden Tag konfrontiert. Und nicht nur sie. Anita Hanel wollte handeln.

So entstand die Idee für den Runden Tisch zum Thema Altersarmut. Zahlreiche Institutionen und Vereine versammelten sich am Donnerstag mit Anita Hanel, ihren Mitarbeiterinnen Verena Kovalik und Andrea Matthies und Moderatorin Sophie Schad im Rathaus, um Facetten der Altersarmut zu definieren.

Es geht nicht nur um den Mangel an Geld

Armut bedeute bei weitem nicht nur Mangel an Geld, sondern auch oft genug auch soziale Isolation und Einsamkeit, betonte Oberbürgermeister Uwe Santjer zu Beginn. Der runde Tisch helfe, schon bestehende Projekte zu sehen und zu vernetzen: "Wenn wir nicht hingucken und miteinander sprechen, wissen wir auch nicht, wenn jemand kein Geld mehr für das Nötigste hat", so Santjer.

Netzwerken sei für sie überhaupt das A & O, so Anita Hanel. Bei der Vorstellungsrunde waren alle eingeladen, Stichworte zu nennen, die sie mit dem Gedanken an Altersarmut verbinden. Dabei fielen schnell Begriffe wie Scham oder Einsamkeit. Viele Betroffene scheuten sich,  selbst die Hilfe anzunehmen, die ihnen zustehe. Der dauerhafte Verzicht drohe bis hin in die Gesundheitsvorsorge hineinzustrahlen und ziehe  kulturelle Verarmung nach sich, wenn etwa das Geld für Sportkurse, den Kino- oder Theaterbesuch fehle. 

Nicht bei der Arbeit zurückstecken

Und das Thema betreffe nicht nur die Alten, betonten Nicole Neuber (Koordinierungsstelle Frau und Wirtschaft) und Helle Vanini, Geschäftsführerin des Paritätischen: "Ein Mann ist keine Vorsorge", konstatierte Nicole Neuber sarkastisch. Frauen seien wegen schlecht bezahlter Jobs und langer Familienpausen im Übermaß von Altersarmut bedroht. Helle Vanini erklärte im Zusammengang damit die Hortbetreuung für essenziell wichtig und wünschte sich viel mehr Prävention.

Von Traurigkeit, mangelnder Selbstbestimmung, ja, der Angst, die Sprache zu verlieren, berichteten andere. Der Düsternis wollte Bernd BodewaldQuartiersmanager im Lehfeld, bewusst etwas entgegensetzen: Viele Alte bewiesen sich trotz allem als wahre Lebenskünstler und gestalteten ihr Leben dankbar und positiv.

Unter Leute kommen: Zu Fuß durch Groden

Mitbürger zu unterstützen, ist auch das Ziel der vier Initiativen, die als Positiv-Beispiele vorgestellt wurden. Sabine Güntzler, Sportwartin und Seniorenbeauftragte des Grodener Sportvereins, berichtete über das Projekt "3000 Schritte für die Gesundheit" des Niedersächsischen Turnerbunds, das jeden Freitag um 11 Uhr in Kooperation mit der Kirchengemeinde Senioren in der Ortsmitte willkommen heißt und quasi alle Bedürfnisse unter einen Hut bringt: Gemeinschaft, Austausch, Information und Bewegung; das alles kostenlos und unabhängig von einer Vereinsmitgliedschaft.

Jan Bühner, Vorsitzender des Vereins Bürgerküche e.V., erläuterte das Konzept der Einrichtung als Nachfolgerin der einstigen Wärmestube im Haus der Kirche. Dienstags und donnerstags werden inzwischen jeweils rund 75 bis 80 Mahlzeiten durch Ehrenamtliche gekocht und ausgegeben, etwa die Hälfte davon wird den Menschen bis nach Hause geliefert. "Wir haben das Wort ,Bedürftigkeit' nie definiert", so Bühner. Wer einen Spendenbetrag von drei Euro pro Portion aufbringen könne, tue das oder bezahle auch mal mehr. Wer nicht, der nicht. Es funktioniere dank hohen Vertrauens, ehrenamtlichen Engagements, der Vereinsbeiträge der mittlerweile 60 Mitglieder und eines soliden Spendenaufkommens.

Handy-Kurse bedeuten auch Teilhabe

Über ein Kooperationsprojekt zwischen dem Seniorenbeirat des Landkreises und der Kreis-VHS berichtete Beirats-Vorsitzender Harald Sommerfeld: Mit den Handy-Kursen für Ältere mitten in der ländlichen Region hätten sie geradezu in ein Wespennest gestochen: "Wir wurden überrollt." Die geschützte Atmophäre in Rat- und Dorfgemeinschaftshäusern, Schulen oder Gemeindezentren auch der kleinsten Gemeinden lasse offenbar jede Scheu schwinden, sich mit dem Thema endlich zu beschäftigen. Zurzeit kostet das pro Kurs (fünf Treffen à etwa 1,5 bis zwei Stunden)  noch 35 Euro - "wir hätten das gern kostenlos", so Sommerfeld.

Verena Kovalik warf einen Blick auf das neueste im Aufbau begriffene Projekt der Hanel-Stiftung: "Mobilität 65 plus". Mittel aus der Soziallotterie "aidFIVE" ermöglichten es Senioren, zur Erledigung von Alltagsangelegenheiten oder zur Teilnahme an Veranstaltungen mit einen Bring- und Holservice von A nach B zu kommen. Die Fahrdienste versähen Ehrenamtliche. Sie böten entweder Mitfahrgelegenheiten an wiederkehrenden festen Terminen an oder stünden auf Abruf bereit. Ein Anlass für Harald Sommerfeld, direkt ins Netzwerken einzusteigen. Er sah Berührungspunkte mit den in Hemmoor oder Osterholz-Scharmbeck schon hervorragend laufenden Bürgerbussen oder der Weiterentwicklung des Anrufsammeltaxis in seinem Heimatort Beverstedt: "Lasst uns doch daran gemeinsam arbeiten", regte er an.

Eine Ideensammlung und der Austausch in Gruppen rundeten das erste Treffen ab, das - geht es nach den Beteiligten - nicht das letzte gewesen ist.

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Maren Reese-Winne

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

mreese-winne@no-spamcuxonline.de

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