2000-Euro-Abzocke in Cuxhaven: Senioren fallen auf Handwerker-Masche rein
Eigentlich wollte ein Cuxhavener Ehepaar nur Arbeiten an seinem Haus verrichtet haben. Binnen zwei Stunden war es am Sonnabend 2000 Euro los. Dabei hatten die dubiosen Handwerker sogar das Doppelte verlangt - und begleiteten das Paar zur Bank.
Es klang so verlockend - doch nach gerade einmal zwei Stunden war ein Cuxhavener Ehepaar um 2000 Euro ärmer - mit einer altbekannten Handwerker-Masche. Die Anzeige stand am vergangenen Sonnabend in der Zeitung: Gartenarbeit, Pflasterarbeiten, "saubere und korrekte Arbeit": Das hörte sich gut an, schließlich brauchte die Terrasse dringend eine Auffrischung. Ein Cuxhavener Ehepaar rief die angegebene Nummer an - mit Folgen. Noch vor Anbruch desselben Nachmittags waren die über 80-Jährigen 2000 Euro los.
Wenn es nach den geschäftstüchtigen Arbeitern gegangen wäre, hätten sie am nächsten Tag als zweite Rate noch mal dieselbe Summe abkassiert - wieder 2000 Euro, zufälligerweise der Höchstbetrag, der pro Tag am Automaten abgehoben werden kann. Am Sonntagmorgen klingelte es wie angekündigt tatsächlich bei den Auftraggebern. Diesmal ließen die skeptisch gewordenen Senioren allerdings die Tür zu - so wie es ihnen inzwischen auch die Polizei geraten hatte.
"Man konnte überhaupt nicht reagieren"
Zugetragen hatte sich am Vortag Folgendes: Kurz nach dem Anruf standen bereits zwei Männer - Vater und Sohn - vor der Tür und wie aus dem Nichts kurz darauf zwei weitere Arbeiter. Drei blieben, während der Älteste mit dem Fahrzeug davonfuhr. "Die hatten alles dabei, alles ging so schnell, dass man gar nicht reagieren konnte", erinnert sich Seniorin Louise Mickeleit. Der Effekt hielt an, als es um die Kosten ging: 4000 Euro wollten die Männer haben - 2000 für das Versiegeln und noch mal 2000 für die Begradigung der Terrasse; und das sofort. Druck war von Anfang an mit im Spiel, obwohl die Männer freundlich aufgetreten seien, erzählt Louise Mickeleit: Um "sicher zu gehen", dass der Betrag gezahlt wird, fuhr einer der Mitarbeiter extra mit dem Hausherrn zur Bank. Am Geldautomaten gab es aber nur 2000 Euro. Der Mitarbeiter akzeptierte zähneknirschend: Der restliche Betrag sollte aber unbedingt am nächsten Morgen übergeben werden. Um 10 Uhr wollte man vor der Tür stehen.
Dann ging es ans "Versiegeln" von etwa 70 Quadratmetern Terrassenfläche (vorn und hinten zusammen), das, wie Sohn Lars anhand von Fotos zeigt, einzig im groben Abkärchern der Fläche bestand. Die weiteren Arbeiten bestanden in dem Richten von vier Platten. Nach zwei Stunden deklarierten die Arbeiter den Auftrag als beendet und entschwanden. Erst danach vertraute sich das aufgeschreckte Ehepaar seinem Sohn an und erstattete noch am selben Tag Anzeige bei der Cuxhavener Polizei.
Für die Polizei ist der Vorgang nicht überraschend
Das Gespräch dort sei sehr freundlich verlaufen, so Louise Mickeleit. Überrascht seien die Beamten bei der Schilderung des Vorgangs nicht gewesen. Die Masche ist bekannt. Häufig bieten Dach- und Steinreiniger und andere Kolonnen ihre Dienste ungebeten an der Haustür an. In diesem Fall ist wohl darauf spekuliert worden, gezielt über die Tageszeitung an ältere Personen zu gelangen. Dass sich die Männer gezielt am Tag des Inserats in Cuxhaven aufgehalten haben - sie waren ja sehr schnell vor Ort -, um ihre Opfer über den Tisch zu ziehen, bevor sie groß nachdenken konnten, kann nur gemutmaßt werden.
Entscheidend bei der Beurteilung des Falls sind wohl die Auftragsbestätigung und die geleistete Zahlung. Es existiert ein Zettel, auf der für die Steinreinigung ein Festbetrag von 2000 Euro festgelegt worden ist; angeblich mit einer "Langzeitversiegelung". Bei Nichterfüllung des Vertrags sei eine Gebühr von 30 Prozent des gesamten Betrags fällig. Der Betrag von 4000 Euro ist nirgendwo verzeichnet. Von einer Versiegelung kann Lars Mickeleit auch nichts entdecken. Dafür hatte sich vom Hochdruckreiniger eine Schlammschicht auf umliegenden Gegenständen und in den Terrassenecken abgesetzt: "Wir haben allein für die vordere Terrasse eine Stunde gebraucht, um grob die Spuren zu beseitigen", erzählt er und die Mutter ergänzt: "Eine richtige Schweinerei war das."
Mit der Zahlung Tatsachen geschaffen
Wegen des mündlich vollzogenen Vertragsabschlusses ist laut Polizei Cuxhaven nach einer ersten rechtlichen Einschätzung der Tatbestand des Betrugs wohl nicht erfüllt, da es keine Täuschungshandlung gegeben habe. Obwohl die Summe zu hoch erschien, also bewusst wahrgenommen worden sei, sei diese bezahlt worden. Damit sei auch der Straftatbestand "Wucher" nicht erfüllt, da dieser eine Zwangslage, Unerfahrenheit, den Mangel an Urteilsvermögen oder die erhebliche Willensschwäche einer geschädigten Person erfordere.
Das Ehepaar Mickeleit ist sich des Reinfalls wohl bewusst. Dabei ist es nicht allein: Die Abzocke mit Dach- oder Steinreinigung ist keine Seltenheit und die Kolonnen wissen genau, wie sie dabei vorgehen müssen. Ähnliche Fälle in Cuxhaven sind der Verbraucherzentrale Niedersachsen derzeit aber nicht bekannt. Stephan Hertz, Pressesprecher der Polizei Cuxhaven, rät in allerster Linie zu einer guten Portion Skepsis und nennt handfeste Tipps, um solchen Kostenfallen zu entgehen. Gerade Senioren seien oft zu höflich, um ein klares Nein auszusprechen.
"Korrekt, wie wir sind", sagt Louise Mickeleit ironisch. Für sie und ihre Familie blieb noch der Nervenkitzel am kommenden Morgen. Sie warteten - gebrieft durch die Polizei - in ihrem Haus. Ein einziges Mal klingelte es. Als niemand öffnete, sprangen die Männer sofort in ihr Fahrzeug und brausten davon...
Die Verbraucherzentrale und die Polizei habe uns allerlei Ratschläge genannt, wie Bürgerinnen und Bürger solchen unliebsamen Erlebnissen entgehen können.
Die Polizei rät:
Nur Handwerker ins Haus / aufs Grundstück lassen, die man selbst bestellt hat. Vor Beginn der Arbeiten einen Preis schriftlich vereinbaren. Angebote, die zu hoch erscheinen, ablehnen: Gerade Senioren seien hier oft zu höflich (anderes Beispiel dafür seien die Schockanrufe, bei denen Ältere häufiger zögerten, einfach aufzulegen).
Sich trauen, nicht zufriedenstellend ausgeführt Arbeiten zu kritisieren; unter Umständen dürfe ein Teil des Lohns bis zur Nachbesserung einbehalten werden.
Insbesondere bei (noch) nicht bekannten Handwerkern Zahlungsweise auf Rechnung vereinbaren.
Verträge und Angebote müssten vollständig ausgefüllt sein und Name und Sitz der Firma nennen, ebenso den vollständigen Umfang der Leistungen. Dabei auch auf das korrekte Datum achten - denn vordatierte Verträge verkürzen das (in der Regel zwei Wochen geltende) Widerrufsrecht -, und eine Vertragsdurchschrift verlangen.