Der Cuxhavener Wilhelm Heidsiek ist für die Werte der Demokratie gestorben
Auch, wenn das Medienhaus umzieht: Der Stolperstein, der seit dem 25. April 2016 vor dem Pressehaus an den von den Nazis ermordeten Redakteur und Sozialdemokraten Wilhelm Heidsiek erinnert, bleibt als Mahnung und Erinnerung vor dem Pressehaus.
Der Cuxhavener Sozialdemokrat Karl Olfers, seit Frühjahr 1919 Mitglied der hamburgischen Bürgerschaft, überredete Heidsiek, als Redakteur, Setzer, Drucker und Vorstandsmitglied der Cuxhavener Volksblatt GmbH voranzugehen. In einer Zeit voller wirtschaftlicher Unsicherheit und politisch-gesellschaftlicher Orientierungslosigkeit verstand sich die "Alte Liebe" ("Cuxhavener Volksblatt für das hamburgische Amt Ritzebüttel und Umgegend") als "Weck- und Mahnruf". Nach Anfängen im Hafen produzierten Heidsiek und das engagierte Team der Volksblatt GmbH ab 1921 an der Ecke Poststraße/Wilhelm-Heidsiek-Straße (damals Hermannstraße; heute Cux-Sport).
Ausgiebig den Aufstieg der NSDAP analysiert
Ausgiebig analysierte das Blatt trotz unverkennbarer Repressalien den Aufstieg Hitlers und seiner Anhänger: Unter der Überschrift "Vom Elend des Volkes gemästet / So sieht die Hitler-Partei aus. Lug und Trug" hieß es im Juli 1932: "Das Volk zahlt und blutet, aber die SA marschiert zum Bürgerkrieg! Das Volk hungert und wird geschlagen und erschossen von dieser losgelassenen, von den Nazibaronen wohlgelittenen und gern gesehenen Privatarmee des Herrn Hitler. Eine Hand wäscht die andere, Herr Hitler wäscht die der neuen Regierung und die neue Regierung die des Herrn Hitler."
Bald schon sollte es sich zeigen, wie vorausschauend die Zeilen "Die deutsche Arbeiterklasse und mit ihr die deutsche Demokratie stehen in einem Kampf um Leben und Tod" waren. Heidsiek legte dar, wie die Nazi-Partei unter tatkräftiger Unterstützung der Magnaten auf dem Rücken der Verarmten, Kriegsgeschädigten und Arbeitslosen Reichtum und Einfluss aufgebaut hatte.
Schüler wollten es mit Drohgebärden regeln
Wie das ohne moderne Massenmedien allein mit Propaganda und den richtigen Multiplikatoren gelang, hat Historiker Henning K. Müller in seinem jüngst erschienenen 1424-Seiten-Werk "Die völkische Bewegung und der Aufstieg des Nationalsozialismus im Elbe-Weser-Raum" dargelegt. Bei seinen Recherchen stieß er im Staatsarchiv Hamburg durch Zufall auf ein erschreckendes Ereignis aus dem November 1931, als 20 Schüler aus dem Gymnasium für Jungen in Cuxhaven - allesamt Söhne der lokalen Honoratioren - die Räume der "Alten Liebe" stürmten und Wilhelm Heidsiek bedrohten, dessen kritische Berichterstattung über die nationalsozialistische Propaganda an ihrer Schule ihnen nicht passte.
Familie lebte weiter im Pressehaus
Wilhelm Heidsiek wurde mehrfach verhaftet und durfte nicht mehr als Journalist arbeiten, wohnte aber weiter mit seiner Familie im Pressehaus. Als Handelsvertreter handelte er mit Waschmitteln und Seifen, war aber auch Steuerberater. Viele mieden jedoch aus Angst vor der Gestapo den Kontakt zu ihm.
Bei den Nachbarskindern im Pressehaus, war Heidsiek beliebt, wie sie viele Jahre berichteten. "Er musste mit einem Köfferchen voller Kleinwaren hausieren gehen. Das hat er dann und wann auch in unserer Wohnung aufgemacht und wir haben ein paar Garnrollen gekauft." Als ihn ein Junge in seiner frisch erworbenen Pimpf-Uniform mit "Heil Hitler" grüßte, tätschelte Heidsiek ihm nur den Kopf und sagte "Ist gut, mein Jung'."
Ab 1939 arbeitete er bei Tabak-Müller. Da der Betrieb als kriegswichtig eingestuft war, wurde Heidsiek (im Ersten Weltkrieg mit dem Eisernen Kreuz Zweiter und Erster Klasse ausgezeichnet) als "uk" (unabkömmlich) vom Kriegsdienst freigestellt. Für seine dienstlichen Fahrten hatte er einen alten DKW zur Verfügung. Hochinteressant für die Nachbarsjungs, die nur Auto fahren wollten: "Wir haben dann immer auf ihn gelauert und gefragt: ,Herr Heidsiek, dürfen wir mit?'"
Wahres Schicksal erst Jahre später herausgefunden
Dass Heidsiek dann plötzlich weg war, bekamen sie mit, aber die Hintergründe blieben den Kindern verschleiert. Die Reisen hatten Heidsiek wahrscheinlich auch Gelegenheit gegeben, den Widerstand weiter zu organisieren. Bei der bei der Stolpersteinverlegung im April 2016