Im Cuxhavener Bürgerbahnhof: Bundestagskandidaten im Schlagabtausch zur EU-Politik
"Wie viel Europa steckt in der Region?", lautete der Titel eines Diskussionsabends: Auf Einladung der Europa-Union fühlte CN/NEZ-Redaktionsleiter Ulrich Rohde vier örtlichen Bundestagskandidaten auf den Zahn.
Eine teils emotional geführte Debatte im mit 40 Gästen gut besuchten "Lokschuppen" (Bürgerbahnhof), förderte Unterschiede zwischen den Kandidaten und ein übereinstimmendes Bekenntnis zur europäischen Idee zutage.
In einer ersten Runde stellten sich die Kandidaten einmal mehr vor, gaben Eckdaten zu ihrer Person preis und sprachen über die eigenen politischen Schwerpunkte. SPD-Direktkandidat Daniel Schneider erinnerte in diesem Rahmen noch einmal an seinen Quereinstieg in die Politik und nannte den Ausbau der Erneuerbaren Energien als Leitgedanken und persönlichen Anspruch an die scheidende Bundesregierung. "Das ist gelungen", betonte der 48-Jährige, bevor er das Mikrofon an seinen Herausforderer Christoph Frauenpreiß weiterreichte. Frauenpreiß, seit 2005 CDU-Mitglied und Ortsbürgermeister in Altenbruch, unterstrich die Bedeutung der Politik, die vor Ort gemacht wird: "In kommunalen Selbstverwaltungen erlebt der Bürger die Demokratie."
Merz-Vorstoß polarisierte auch im "Lokschuppen"
Christopher Jesse, Bundestagskandidat der Grünen und mit 21 Jahren der mit Abstand jüngste Bewerber auf dem Podium, möchte die Kommunen finanziell in die Lage versetzen, in die eigene Infrastruktur zu investieren. Günter Wichert wiederum wünschte sich die Zweitstimme aller Anwesenden für die FDP - und schlug den Bogen zum (Haupt)-Thema des Abends, indem er die Freien Demokraten als Garant für eine europafreundliche Politik präsentierte.
Inwieweit Europa im Bundestagswahlkampf eine Rolle spiele, wollte Moderator Ulrich Rohde von seinen Gesprächspartnern wissen. "Mehr als vielleicht auf den ersten Blick hin ersichtlich", kam es (sinngemäß) aus allen Ecken zurück. Während der CDU-Kandidat unter dem Stichwort Wirtschaftspolitik auf die Bedeutung des europäischen Binnenmarkts einging, bezogen sich die Bewerber von SPD und Grünen in ihren Statements auf die Bundestagsdebatte von vor zwei Wochen. "Jahrelang haben wir Europa als selbstverständlich wahrgenommen", so Christopher Jesse. "Was es bedeutet, Grenzen zu schließen, ist vielen nicht bewusst." Was der Kanzlerkandidat der Union "durch den Bundestag kriegen wollte", so fügte der Grünen-Kandidat kurz darauf hinzu, habe nichts mit dem europäischen Gedanken zu tun gehabt.
Aufschlag zu einer zunehmend emotional geführten Exkurs über Zuwanderung und den Umgang mit der AfD: Günter Wichert sprach mit Blick auf die Kritik am Merz-Vorstoß mit den Stimmen der Rechtspopulisten von einem "Schauspiel von Grünen und SPD". Christoph Frauenpreiß erinnerte an Rückmeldungen von Bürgermeistern und Landräten, die davon sprechen würden, dass die "Grenze des Möglichen" in puncto Aufnahme von Asylsuchenden erreicht sei. "Ihr habt das mit der AfD durchgebracht", konterte Jesse, bezogen auf den Unionsantrag zur Verschärfung der Asylpolitik.
Im Auditorium regte sich Beifall - und Gegenrede: Man wolle sich das nicht länger anhören, protestierte ein Gast; Moderator und Veranstalter mussten schlichten, wobei Dietmar Rehfeldt, Kreisvorsitzender der Europa-Union darlegte, warum an diesem Abend lediglich vier Kandidaten auf dem Podium saßen. Dabei ging es nicht um den als krank entschuldigten Rüdiger Kurmann (Freie Wähler), sondern um Vertreter der AfD und des BSW, denen gegenüber die Europa-Union einen Unvereinbarkeitsbeschluss getroffen hat. "Gut und souverän" sei diese Entscheidung, kommentierte Schneider, der - die Gemüter hatten sich längst wieder beruhigt - auf die Rolle der Bundesrepublik in einem geeinten Europa einging.
Geht Deutschland in Europa voran?
Wenngleich es national einige Baustellen gebe (Schneider: "Wir müssen unsere Wirtschaft wieder in Schwung bringen und uns um eine marode Infrastruktur kümmern"), werde Deutschland seiner Verantwortung auf europäischer Ebene durchaus gerecht. Der SPD-Kandidat erinnerte dabei an Themen wie innere und äußere Sicherheit und die Unterstützungsleistungen für die Ukraine.
Frauenpreiß zählte auf Nachfrage hin die Benefits der europäischen Idee für die Region auf und nannte Strukturprojekte wie etwa den Promenadenbau, die ohne Fördermittel aus Brüssel schlichtweg undenkbar gewesen wären. Dennoch wandte der sich gegen eine Überregulierung: "Europa muss das anfassen, was Europa auch kann", betonte der CDU-Bewerber und nannte als Beispiel eine gemeinsame Verteidigungspolitik. Wichert (FDP) brach eine Lanze für die Landwirtschaft und wandte sich dabei gegen ein Übermaß an Bürokratie, das einen Wettbewerbsnachteil für die in Konkurrenz zu Erzeugern aus Südosteuropa stehenden Bauern bedeuten würde. Vom vormaligen Koalitionspartner Bündnis 90 setzte sich Wichert am Mittwochabend beim Thema Finanzen ab. Es ging um die Schuldenbremse, die Jesse (Grüne) reformiert sehen möchte. "Woran sollen wir denn sparen?", fragte er, als es um das Problem ging, Mittel für die Sanierung von Schulen oder Verkehrswegen zu generieren.



