Auch dank der Hilfe der Zeugen bekamen die Polizeibeamten den mutmaßlichen Täter zu fassen. Symbolfoto: Patrick Seeger/dpa
Auch dank der Hilfe der Zeugen bekamen die Polizeibeamten den mutmaßlichen Täter zu fassen. Symbolfoto: Patrick Seeger/dpa
Wiedersehen von Täter und Opfer

Messer-Attacke in Cuxhaven: Wie vier Menschen einen Tabakladen-Räuber überwältigten

20.09.2023

Etwa ein halbes Jahr ist eine Tat her, die für Aufsehen in Cuxhaven sorgte: Als ein junger Mann versuchte, eine Tabakladen-Mitarbeiterin zu überfallen, zeigten mehrere Menschen Zivilcourage. Vor Gericht wurden jetzt Details zum Verlauf bekannt.

"Mach Geld rein!" Mit dunkler Kapuze auf dem Kopf, schwarzer Corona-Maske im Gesicht, einem vorgehaltenen Taschenmesser und diesem Satz versuchte ein Mann im März dieses Jahres, an die Tageseinnahmen des Tabakladens im Heinrich-Grube-Weg in Cuxhaven zu kommen. Dank der Zivilcourage der bedrohten Angestellten und von Menschen, die ihre Hilferufe nicht ignorierten, ging der Räuber leer aus und die Polizeibeamten bekamen ihn zu fassen.

Prozessauftakt im Landgericht Stade

Am Mittwoch wurde in dieser Sache die Hauptverhandlung vor der 2. Großen Strafkammer des Landgerichtes Stade eröffnet. Die Anklage wirft dem 25-jährigen mutmaßlichen Täter versuchte schwere räuberische Erpressung, versuchte gefährliche Körperverletzung und tätlichen Angriff gegen Vollstreckungsbeamte vor.

Zeugen zeigen Zivilcourage in Cuxhaven

Der Fall hatte im März für Aufsehen in Cuxhaven gesorgt. Nicht zuletzt wegen der fast an Selbstjustiz grenzenden Zivilcourage der beteiligten Zeugen, die den mutmaßlichen Täter am 27. März gegen 17.30 Uhr mit eigenem Körpereinsatz an der Flucht hinderten und ihn festhielten, bis die Beamten am Tatort eintrafen.

Versuchter Raub auf Tabakladen-Angestellte

Da war die 53-jährige Angestellte, die trotz der lebensbedrohlichen Situation kein Geld in die vorgehaltene Tüte steckte. Sie wies den Täter auf den Alarmknopf hin, den sie auslösen würde. Und als er diese Warnung ignorierte und zu ihr hinter den Tresen kam, griff sie selbst nach einem Messer, das als Öffnungswerkzeug diente und nach dem Ladenschlüssel. "Ich hatte wahnsinnige Angst", sagt sie in der Zeugenvernehmung. Daher habe sie ihn auch zunächst abzulenken versucht und gesagt, sie wolle die Tür verschließen, damit kein Kunde hereinkommt. Dann sei sie zur Tür und aus dem Laden gerannt.

Konfrontation von Täter und Opfer vor Tabakladen in Cuxhaven

Mit dem stumpfen Messer in der Hand und dem Schlüssel habe sie dann die Tür von außen zuzuhalten versucht. Inzwischen sei auch der Täter zur Tür gekommen und habe versucht, sie zu öffnen, um zu fliehen. Während des Gerangels an der Tür schrie die Angestellte um Hilfe. Als ihre Kraft nachgab, habe sie sich dann zu retten versucht, indem sie seitlich weglief. Auf die Frage, warum sie sich nicht gleich weggelaufen sei, antwortete die Frau: "Wie sollte ich den Täter denn später identifizieren, wo ich doch nur seine Augen sehen konnte. Er wäre geflüchtet und niemand hätte gewusst, wer er war. Das wollte ich verhindern." 

Frau will in Döse einkaufen - und bekommt die Tat mit

Verhindert hat die Flucht des Täters auch eine Frau, die sich zum Einkaufen in der Straße befand. Sie stellte sich dem Flüchtenden in den Weg und bekam ihn an einem Arm zu fassen. Ein Messer, sagte sie später in der Vernehmung und Mittwoch in der Verhandlung, habe sie erst gesehen, als der Flüchtende damit auf sie einstechen wollte. Dann ließ sie von ihm ab. Daraufhin wurde er von zwei Männern verfolgt. Der Ältere von ihnen fuhr dem Täter mit dem Rad hinterher, bekam ihn zu fassen und stieß ihn um. Dann hockte er über den am Boden Liegenden und hielt ihn gemeinsam mit dem jüngeren Mann fest, bis die Beamten eintrafen.

Zeugen sagen vor dem Landgericht Stade aus

Alle vier Beteiligten und eine Frau, die aus dem Auto heraus einen Notruf abgesetzt hatte, hatte die Strafkammer unter dem Vorsitzenden Richter am Landgericht Appelkamp zum Termin als Zeugen und Zeuginnen geladen, um den Tathergang in allen Einzelheiten noch einmal zu beleuchten. Insbesondere ging es auch um den Messerangriff auf die Frau auf dem Parkplatz. Deren Aussagen diesbezüglich waren vor der Polizei nicht konkret gewesen. In der Verhandlung bestätigte sie aber, mit dem Messer angegriffen worden zu sein. Dieser Umstand veranlasste das Gericht, auch den Tatbestand der Nötigung in die Anklage mit aufzunehmen.

Angestellte des Tabakladens in Cuxhaven-Döse traumatisiert

Auch wenn die Mitglieder der Strafkammer, Oberstaatsanwalt Luer sowie der Verteidiger Rechtsanwalt Meyn den Zeuginnen und Zeugen ihre Hochachtung für das hohe Maß an Zivilcourage aussprachen ("Sie haben großartig reagiert und sie haben gewonnen" (Oberstaatsanwalt Luer)), zeigte die Verhandlung eines sehr deutlich: Eine solche Straftat hinterlässt tiefreichende Folgen bei den Beteiligten. Insbesondere das Opfer der Straftat, die Angestellte des Tabakladens, ist bis heute noch stark traumatisiert. Eine Entschuldigung des Angeklagten lehnte sie daher auch mit den Worten ab: "Mir ist es egal, ob er sich entschuldigt. Es ändert nichts an der Situation, dass ich ständig Angst und nachts Albträume habe." Dass sie unter fast denselben Bedingungen wie vor der Strafsache wieder in dem Tabakladen arbeitet, begründete sie damit, auf die Arbeit angewiesen zu sein.

Angeklagter sitzt in Untersuchungshaft in JVA Bremerhaven

Die Zeugenaussagen, die auf seine Vernehmung zur Person und Sache gefolgt waren, verfolgte der Angeklagte ohne sichtliche Regung. Er sitzt seit dem Tattag in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bremerhaven in Untersuchungshaft. Im Verlauf der Befragung zur Person stellte sich heraus, dass er wegen einer ähnlichen Tat bereits eine Jugendstrafe verbüßen musste. Seiner Aussage nach sieht sich der Angeklagte als Opfer der Umstände. Die Tat habe er begangen, gab er zu. Sie sei allerdings nicht geplant, sondern eine Affekthandlung gewesen. Das Taschenmesser habe er immer dabei. Er befinde sich in einer prekären Lebenssituation, die er nur mit Drogen überstehen würde. Auch an dem Tattag habe er unter Einfluss von Haschisch gestanden. Auf die Frage des Oberstaatsanwaltes, warum er an seiner Situation nichts ändern würde, sagte er, dass er dies ständig versuche, aber er in seiner Situation keine Chance habe. Niemand würde ihm helfen. Seine Aussagen zur Tat wichen insofern von denen der Hauptzeugin ab, dass er eigentlich von seinem Vorhaben schon Abstand genommen hatte, aber das Verhalten der Zeugen und der Polizeibeamten die Situation eskalieren ließen.

Die Verhandlung wird am Montag, 25. September, 11 Uhr mit der Vernehmung der Polizeibeamten fortgesetzt.

Von Silvia Dammer

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