Neues System und alte Gewohnheiten: Parkdilemma nach Konzertbesuch in Cuxhaven
Nach einem Konzert in der Kugelbake-Halle treffen bei Tom Mickeleit (88) mehrere unglückliche Zufälle zusammen: ein neues Kennzeichensystem, eine versäumte Freischaltung und ein mutmaßlicher Betrugszettel. Am Ende bleiben Verwirrung - und Kosten.
Es sollte ein schöner Abend werden. Anfang September besuchte der 88-jährige Cuxhavener Tom Mickeleit gemeinsam mit seiner Frau ein Konzert des Marinemusikkorps Wilhelmshaven in der Kugelbake-Halle. Mehr als 800 Besucherinnen und Besucher waren begeistert. "Das sind tolle Musiker, das macht richtig Spaß - so war das auch in diesem Jahr", erinnert sich Mickeleit. Doch nach dem Konzert nahm der Abend für den Senior eine unerwartete Wendung.
Zettel am Scheibenwischer, aber kein "Knöllchen"-System
Als das Paar zu seinem Auto auf dem Messeplatz Döse zurückkehrte, steckte ein Zettel unter dem Scheibenwischer: eine Zahlungsaufforderung über 30 Euro wegen angeblich zwölf Minuten Überschreitung der Parkzeit. Für Tom Mickeleit, der zu 92 Prozent schwerbehindert ist und einen Schwerbehindertenausweis mit den Merkzeichen G und aG besitzt, war das völlig unverständlich. "Das kann doch nicht stimmen", sagt er. Seit vielen Jahren hatte er bei Veranstaltungen in der Kugelbake-Halle dort geparkt - gestützt auf die Annahme, dass sein Ausweis ihm diese Möglichkeit eröffnete oder zumindest geduldet wurde.
Hinzu kam ein weiterer Umstand, der die Verwirrung perfekt machte: Seit Juli 2025 wird der Parkplatz auf dem Messeplatz Döse von der Firma Wemolo im Auftrag der Nordseeheilbad Cuxhaven GmbH (NHC) betrieben. Das neue System funktioniert schrankenlos über automatische Kennzeichenerkennung. Menschen, die vor Ort "Knöllchen" verteilen, gibt es dort nicht mehr. Ein Parkverstoß kann erst festgestellt werden, wenn ein Fahrzeug den Parkplatz verlässt, ohne dass der Parkvorgang bezahlt oder freigeschaltet wurde. Ein Zettel an der Windschutzscheibe passt nicht zu diesem System.

Betrugswarnung und trotzdem ein echtes Problem
Verunsichert wandte sich Mickeleit an die Polizei. Dort sei ihm gesagt worden, dass es bundesweit immer wieder Betrugsfälle mit gefälschten Zahlungsaufforderungen gebe und er das Schreiben ignorieren solle. Ein nachvollziehbarer Rat, zumal sich später auch herausstellte, dass weder Wemolo noch die mit der Abwicklung betraute Firma Park Depot vor Ort Zettel an Fahrzeuge anbringen. "Sobald Besucher dieses Parkplatzes einen Strafzettel unter dem Scheibenwischer haben, ist davon auszugehen, dass es sich um Betrug handelt", erklärt eine Sprecherin von Park Depot auf Nachfrage von cnv-medien.de.
Für Gäste mit Kennzeichen‑Freischaltung kostenlos
Doch genau hier nahm die Geschichte eine tragische Wendung. Mickeleit folgte dem polizeilichen Rat, warf den Zettel weg und ignorierte auch die folgenden Schreiben, die per Post von Park Depot kamen. Was er nicht wusste: Diese späteren Briefe waren tatsächlich gültige Mahnungen. Denn unabhängig von dem mutmaßlichen Betrugszettel hatte er auf einem privaten Parkplatz geparkt, auf dem die Sonderregelungen des öffentlichen Parkraums und damit auch die Vorteile seines Schwerbehindertenparkausweises nicht gelten.
Die NHC bestätigt: Der Messeplatz Döse ist ein privater Parkplatz. Gäste der Kugelbake-Halle können dort zwar kostenfrei parken, müssen ihr Kennzeichen jedoch vor Ort auf bereitgestellten Tablets (quadratische Bedienfelder) freischalten lassen. Darauf weisen Schilder im Eingangsbereich der Halle sowie ein Kundenstopper im Foyer hin, außerdem helfen Garderobenkräfte bei Bedarf. "Bei unseren Veranstaltungen ist das Parken frei, aber nur nach Eingabe des Kennzeichens", erklärt NHC-Pressesprecherin Katharina Ziersch. Erfolgt diese Freischaltung nicht, bleibt der Parkvorgang nach der Ausfahrt 24 Stunden offen. Erst danach wird der Vorgang an Park Depot übergeben und kostenpflichtig.

Viele unglückliche Zufälle und am Ende die Angst vor Konsequenzen
Ein weiteres Problem: Auf dem Messeplatz selbst gibt es keine ausgewiesenen Behindertenparkplätze. Olaf Raffel, Kurdirektor der NHC, verweist im Gespräch mit cnv-medien.de darauf, dass entsprechende Stellplätze direkt an der Kugelbake-Halle, am Kurparkeingang und auf Höhe der Kurparkresidenz vorhanden sind. "Das neue System lässt Sonderregelungen auf dem Messeplatz schlicht nicht zu", so Raffel. Kennzeichenerkennung könne Schwerbehindertenausweise nicht "lesen". Was früher möglicherweise geduldet wurde, ist heute technisch ausgeschlossen.
Für Tom Mickeleit kamen damit mehrere unglückliche Umstände zusammen: ein neues Parksystem, fehlende Kenntnis über die geänderten Abläufe, ein mutmaßliches Betrugsschreiben zur falschen Zeit - und schließlich rechtmäßige Mahnungen, die er für ebenfalls ungültig hielt. Aus Angst vor weiteren Konsequenzen zahlte er am Ende mehr als 83 Euro. "Ich habe dann doch Panik bekommen", erklärt er.
Kritik an Kennzeichenerkennung: Hürde für Menschen mit Behinderung
Der Fall zeigt exemplarisch, wie sehr moderne, schrankenlose Parksysteme insbesondere für ältere Menschen und Menschen mit Behinderung zur Falle werden können. Auch Jürgen Wintjen, Vorsitzender des Beirats für Inklusion des Landkreises Cuxhaven, weist darauf hin, dass Beschwerden über solche Systeme zunehmen. Dem Beirat würden nach seinen Angaben immer öfter Fälle gemeldet, in denen Betroffene trotz Ausweis Parkgebühren zahlen mussten, weil die Beschilderung nicht eindeutig gewesen sei oder besondere Regelungen auf privaten Flächen nicht klar erkennbar gewesen seien. Hinzu komme: Viele Menschen mit Einschränkungen bräuchten schlicht mehr Zeit - etwa zum Aussteigen, für Hilfsmittel oder längere Wege. Wenn dann kurze Fristen oder rein digitale Abläufe dazukämen, könne das schnell teuer werden.

Für Betroffene lässt sich aus dem Fall Mickeleit vor allem eines lernen: Der Messeplatz Döse ist künftig kein geeigneter Parkplatz für Menschen mit Schwerbehindertenparkausweis, wenn sie sich auf die bisherigen Gewohnheiten verlassen. Zugleich mahnt der Fall zur Vorsicht bei Zahlungsaufforderungen und zeigt, wie schwer es selbst für gut informierte Bürgerinnen und Bürger sein kann, echte Mahnungen von Betrug zu unterscheiden.
Die NHC signalisierte, dass sie einem möglichen Betrugsfall gerne nachgegangen wäre - zum Beispiel, indem sie das Schreiben vom Scheibenwischer geprüft hätte. Weil der Zettel inzwischen nicht mehr vorhanden ist, lässt sich der Vorgang im Nachhinein jedoch schwer eindeutig nachvollziehen.
Für Tom Mickeleit bleibt die Hoffnung, dass andere aus seiner Erfahrung lernen: "Ich habe ja nichts falsch machen wollen."