
Ein Leben zwischen Witz und Widerstand
Mit O-Tönen und Anekdoten lässt Biograf Alexander Solloch im Schloss Ritzebüttel den Sprachkünstler Harry Rowohlt wieder aufleben. Doch hinter der humorvollen Fassade offenbart sich eine unerwartet komplexe Persönlichkeit.
Er war der Meister der Abschweifung, der Mann mit den tausend Stimmen und ein begnadeter Übersetzer von Pu, dem Bären. Zehn Jahre nach seinem Tod brachte Biograf Alexander Solloch im Schloss Ritzebüttel Harry Rowohlt zurück auf die Bühne: mit O-Tönen, Anekdoten und einem Buch, das den Menschen hinter dem Mythos sichtbar macht.
Ein intimer Abend für einen großen Erzähler
Alexander Solloch, Redakteur bei NDR Kultur, las nicht einfach Passagen aus seiner neuen Biografie "Harry Rowohlt - Ein freies Leben". Er inszenierte einen Abend, der zwischen Recherchebericht und pointierter Hommage pendelte. Immer wieder griff er zum Handy, spielte Tonmitschnitte von Rowohlt ein. Und plötzlich war es, als säße Harry Rowohlt selbst im Saal - grummelnd, witzelnd, schlagfertig.
Die Schlossgäste erlebten ein kleines Gesamtkunstwerk: Sprache, Ton, Bilder, Anekdoten und einen temporeichen Biografen, der sichtlich Spaß daran hatte, den Mythos Rowohlt neu zu sortieren.
Zwischen Mythos und Mensch
"Rowohlt hat sehr gern Geschichten erzählt - nur leider selten die Wahrheit", erklärte Solloch bereits in unserem Vorgespräch für ein Interview. Genau darin lag seine Herausforderung: Der Mann, der sich selbst als "irgendwie Seelenverwandter von Pu dem Bären" sah, erfand sich unablässig neu. Mal stilisierte er sich zum Kiez-Original, mal zum gelehrten Übersetzer, mal zum stolzen FC St. Pauli-Fan. Doch Solloch fand Belege in alten Briefen, dass Rowohlt zeitweise sehr wohl Sympathien für den HSV hegte - ein Fund, der für einen Lacher und bei den Fußballfans unter den Gästen für Erstaunen sorgte.
Wichtiger aber als solche Enthüllungen war der Blick auf den Menschen hinter den Pointen. Rowohlt war ein Erbe, der den väterlichen Verlag nicht übernehmen wollte, ein Zweifler, der sich mühsam in die Freiheit kämpfte. Und ein Liebender, der in seiner Frau Ulla die lebenslange Gefährtin fand.
Sprachartist, Übersetzer, Abschweifungsguru
Für das Joachim-Ringelnatz-Museum, das die Lesung gemeinsam mit der Stadt Cuxhaven veranstaltete, war der Abend auch Erinnerung an eigene Begegnungen. Mehrfach war Rowohlt in Cuxhaven zu Gast, schenkte dem Museum drei Ringelnatz-Ölgemälde, las im Stadttheater. Museumsleiterin Erika Fischer erinnerte sich daran in ihrer kurzen Begrüßung.
Alexander Solloch knüpfte an diese lokale Spur an: Wie Ringelnatz habe auch Rowohlt den "höheren Quatsch" mit tieferem Sinn verbunden - eine Mischung, die ihn unverwechselbar machte. Dabei gelang Solloch, was auch Harry selbst beherrschte: Er ließ das Publikum lachen, ohne den Ernst zu verschweigen. Denn Rowohlts Biografie ist keine Heiligengeschichte. Sie erzählt von Schwächen und Niederlagen ebenso wie von großen Erfolgen. Der Übersetzer, der "Pu der Bär" zu einem Welterfolg machte, scheiterte auch - zum Beispiel, als er "At Swim-Two-Birds" nur halbherzig übernahm und doch feiern ließ.
Alexander Solloch zeigte Rowohlt als widersprüchlichen Menschen - verletzlich, trotzig, mitunter genial unzuverlässig. Und gerade darin lag seine Größe.
Ein Festsaal voller Nähe
Am Ende blieb der Eindruck einer doppelten Hommage: an einen Autor, der nicht werden wollte, was er sollte - und an eine Stadt, die ihn noch immer in lebhafter Erinnerung hat.
"Ganz einfach: Love, freedom and happiness", hatte Aleander Solloch auf die Frage nach der Botschaft seines Buches geantwortet. In Cuxhaven kam davon an diesem Abend vieles an.
