
Eine Hütte in der Kugelbake: Die Geschichte von Pionier Jonathan Zenneck in Cuxhaven
Der Zenneck-Stein bei der Kugelbake erinnert noch heute daran, dass hier von Cuxhaven aus Professor Jonathan Zenneck die ersten Seefunkversuche durchgeführt hat. Eine Erfolgsgeschichte, die vielen Seeleuten das Leben gerettet hat.
Der Zenneck-Stein bei der Kugelbake erinnert noch heute daran, dass hier von Cuxhaven aus Professor Jonathan Zenneck die ersten Seefunkversuche durchgeführt hat. Denn für die Erfindung des Physikers Professor Ferdinand Braun - der die Braunsche Röhre und den Knallfunksender baute - sollten seinerzeit (1899) systematisch Erprobungen über See durchgeführt werden.
Ein Novum, denn bis dahin wurden nur Versuche über Land gestartet. Und so begann man 1899 mit einem Sender an der "Alten Liebe" und einem beweglichen Empfänger, der in Richtung Kugelbake verlegt wurde, wenn Zeichen registriert wurden. Dies geschah mit einem Morseschreiber, der die empfangenen Zeichen auf einem Papierstreifen protokollierte.


Hörempfang wurde erst 1922, nach Erfindung des Kristalldetektors, eingeführt. Anfangs hörte man das Knallen der Funkentladungen im Sender so weit, wie der Empfänger Signale registrierte. Doch schon bald hatte Zenneck die Entfernung zur Kugelbake überbrückt, sodass es bereits im Juni eine Verbindung zwischen der Kugelbake und Neuwerk gab.
Zenneck gründet seine eigene Schifffahrtslinie
Dank des Cuxhavener Funkveteranen Helmut Bellmer gibt es detaillierte Informationen, was danach passierte. Er recherchierte damals zum 100-jährigen Jubiläum. So schrieb Bellmer, dass sich Zenneck sehr schnell mit den Gegebenheiten in Cuxhaven zurechtfand. Beispielsweise waren die normalen Verkehrsverbindungen zu den einzelnen Versuchsstellen sehr umständlich. Kurzerhand gründete Zenneck daher seine eigene Schifffahrtslinie - in Form einer Segeljolle mit Beiboot, die er selbst segelte.
Doch der Start missglückte - bei der Überführung nach Cuxhaven kenterte das Boot, die Insassen wurden aber gerettet - alle weiteren Fahrten nach Neuwerk und zu den Feuerschiffen hat Zenneck anschließend wohlbehalten überstanden. Auch wenn in Cuxhavener Schifffahrtskreisen immer wieder besorgt geäußert worden sein soll: "He supt sik noch af."
Aber alles lief rund, und Zenneck gewann großes Ansehen bei den Besatzungen der Feuerschiffe und Lotsenschiffe. Und das brachte ihn und seine Experimente voran, denn auf deren Mithilfe war er angewiesen. Eine Hand wäscht die andere. Und so soll Zenneck, Erzählungen zufolge, auch für einen erkrankten Matrosen auf einem Versetzschiff eingesprungen sein und kräftig mitgerudert haben.
Eine kleine Bretterbude in der Kugelbake
Inzwischen hatte er auf dem Bäderdampfer "Silvana", der nach Helgoland verkehrte, eine Sendeanlage untergebracht, während sich der Empfänger in einer luftigen Bretterbude - in fünf Meter Höhe - in der Kugelbake befand. Die winterlichen Fahrten nach Helgoland waren bei schlechtem Wetter recht abenteuerlich. So entzündete sich beispielsweise einmal beim Überholen des Schiffes das Petroleumbad, in dem man auch die Sendespule zur Isolation untergebracht hatte. Deshalb benutzte man später anstelle von Petroleum dickflüssiges Öl. Doch wenn dieses überschwappte, wurde der Fußboden zu einer glitschigen Fläche, auf der sich die Akkumulatorenbatterien, die der Stromversorgung dienten, bei Seegang selbstständig machten und die Raumwände zerschlugen - viele Probleme. Jonathan Zenneck musste viel diplomatisches Geschick beweisen, um trotz Übernahme der Kosten, die Duldung weiterer Versuche durchzusetzen.
Zur Jahreswende 1899/1900 erteilte die Braun-Gesellschaft dann den Auftrag, die praktische Brauchbarkeit ihrer Geräte mit Anlagen auf den drei Feuerschiffen der Elbe und einer Gegenstation auf Neuwerk zu beweisen.
Viele Leben gerettet und ein neuer Weltrekord
Im Laufe des Sommers 1900 wurden die Geräte laufend verbessert. Und am 24. September 1900 war es dann so weit und die Arbeit mit allerhand Strapazen wurde von Erfolg gekrönt: Zum ersten Mal in der Geschichte des deutschen Seefunks kam eine sichere Überbrückung der Strecke Cuxhaven-Helgoland mit gegenseitigem Austausch von Nachrichten und Telegrammen zustande.
Ein neuer Weltrekord, denn niemals zuvor war eine solche Entfernung durch Funkwellen über See überbrückt worden. Mit der Helgoland-Vorführung beendete Telebraun schließlich die Erprobungsphase und nahm den regelmäßigen Meldebetrieb zwischen den Lotsen- und Feuerschiffen und der Station Cuxhaven auf.
Jonathan Zenneck kehrte nach Straßburg zurück, mit dem Ergebnis, dass jetzt mit Schiffen auf See über 70 Kilometer drahtlos telegrafiert werden konnte. Cuxhaven gilt seither als die Wiege des Seefunks. Wirkungsvoll war der Einsatz der Funkentelegrafie auch bei der Rettung aus Seenot: In den Jahren 1909 bis 1914 konnten bei insgesamt 17 Seenotfällen unter Mitwirkung des Funks 6100 Menschen gerettet werden. Eine bahnbrechende Erfindung, denn bis dahin war ein Schiff, das die Küste verließ, unerreichbar und vollkommen auf sich allein gestellt. Wenn es nicht wieder an der Küste ankam, galt es als verschollen.
Alles begann mit Zenneck in Cuxhaven
Doch nach 100 Jahren Funktelegrafie war das Ende dieser seinerzeit revolutionierenden Erfindung besiegelt. Denn seit Ablauf des Jahres 1999 gibt es diese ursprüngliche Funkvermittlungsart im Seefunk nicht mehr. Damit war auch der Beruf des Funktelegraphisten, Bord- oder Seefunkers sowie des Funkoffiziers als Beruf nach der Seemannsordnung Geschichte. Eine Ära ging zu Ende. Und alles begann mit Jonathan Zenneck in Cuxhaven. Seefunk funktioniert heute hauptsächlich über UKW-Funk (Ultrakurzwelle) mit dem GMDSS-System (Global Maritime Distress and Safety System) für Notfälle, das eine schnelle Alarmierung und Positionsübermittlung per Knopfdruck ermöglicht. Das Automatische Identifikationssystem (AIS) bezeichnet ein Funksystem, das durch den Austausch von Navigations- und anderen Schiffsdaten die Sicherheit und die Lenkung des Schiffsverkehrs verbessert. Es wurde am 6. Dezember 2000 von der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) als verbindlicher Standard eingeführt.
