
Gitte Haenning: "Ohne Humor geht gar nichts"
Gitte Haenning, die seit über 60 Jahren die Bühnen der Welt erobert, spricht über magische Momente, Jazzgefühle und ihren unerschütterlichen Humor - und verrät, warum sie lieber groovt als glänzt.
Seit mehr als sechs Jahrzehnten gehört sie zu den großen Stimmen im deutschsprachigen Musikleben: Gitte Haenning. Schlager, Chansons, Jazz - kaum eine Künstlerin hat sich so oft neu erfunden und dabei stets ihre unverwechselbare Handschrift bewahrt. Im Oktober kommt die dänischstämmige Sängerin mit ihrem Programm "Gitte live" in die Kugelbake-Halle nach Cuxhaven. Im Gespräch mit Redakteur Jens J. Potschka erzählt die 78-Jährige von prägenden Momenten ihrer langen Karriere, von Humor als Lebenselixier - und davon, warum sie auf der Bühne lieber groovt als glänzt.
Frau Haenning, Sie sind gerade in Österreich. Wie sieht ein normaler Tag bei Ihnen zurzeit aus?
Gitte Haenning: Heute ist privat. Ich besuche Menschen und genieße das Leben ein bisschen. Urlaub, ja - das brauche ich auch.
Sie haben schon so viele Länder und Bühnen gesehen. Wo fühlen Sie sich eigentlich zu Hause?
Gitte Haenning: Das ist eine philosophische Frage. Zu Hause ist für mich auch unterwegs. Ich trage meine eigene Kultur im Rucksack mit mir, wenn ich reise. Ich bleibe neugierig, schaue mich um und frage mich: Woher komme ich, was ist mein Hinterland? Ein Stück Zuhause ist auch immer Berlin - dort habe ich meine Station.
Sie stehen seit mehr als sechzig Jahren auf der Bühne. Gibt es einen Moment, an den Sie sich besonders gerne erinnern?
Gitte Haenning: Ja. Da waren Journalisten oft enttäuscht, wenn ich das erzähle. Ich war fünfzehn, in Schweden, bei einer Fernsehproduktion. Der Regisseur - poetisch wie Saint-Exupéry, groß wie Orson Welles. Der musikalische Leiter war wie Duke Ellington, der Hauptdarsteller wie Danny Kaye und Klaus Maria Brandauer in einer Person. Da geschah etwas Magisches. Vielleicht war es Liebe, ich weiß es nicht. Jedenfalls bin ich "transzendiert". Meine Mutter war dabei - und genauso hin und weg wie ich. Dieses Erlebnis begleitet mich bis heute.
Ihre Karriere begann ja schon in ganz jungen Jahren …
Gitte Haenning: Mit acht. Mein Vater war Troubadour, konnte kaum die Familie ernähren. Da kam ein Produzent, brachte ein Duett. Meine Schwester sollte singen, wollte aber nicht. Also blieb ich. Ich hatte keine Lust, bekam aber das Versprechen auf ein Fahrrad - das überzeugte mich. Das Lied wurde ein Hit, und plötzlich waren wir unterwegs durchs ganze Land, wie fahrendes Volk. Ich habe nie darum gebeten, auf die Bühne zu gehen. Aber ich lernte, Menschen zu studieren.
Sie gelten als eine, die sich immer wieder neu erfindet. Woher kommt dieser Mut?
Gitte Haenning: Ich habe nie auf Geld geschaut. Ich war mit zwölf schon Millionärin in Dänemark, aber Geld war mir nicht wichtig. Qualität war wichtig. Leonard Bernstein sagte: "Das Genre ist egal - Hauptsache Qualität." Daran glaube ich. Viele wollen nur berühmt sein. Ich wollte immer nur gut arbeiten. Und ich habe Humor - auch Selbstironie. Ohne Humor geht gar nichts.
In Cuxhaven treten Sie mit kleiner Besetzung auf - drei Musiker und Sie. Warum diese Reduktion?
Gitte Haenning: Weil ich mit Jazzmusikern spielen wollte. Das Jazzgefühl soll immer dabei sein. Im Trio hat jeder eine wichtige Rolle, viel Fantasie ist gefragt. Der Bassist hat einen wunderbaren Ton, der Pianist ist hochbegabt. Und ich bin die Wilde - ich will, dass es groovt. Wenn es nicht groovt, bin ich verloren.
Auf welche Songs dürfen wir uns freuen?
Gitte Haenning: "Lieblingssongs" steht auf dem Plakat, ja. Aber ich bestimme das nicht allein. Ich suche Lieder aus, die ich mag - auch von anderen, Paul Simon, Joni Mitchell, Rio Reiser. Und ich parodiere mich manchmal selbst. Humor gehört dazu.
Sie gelten nicht nur musikalisch, sondern auch modisch als jemand, der "anders" ist. Wie beschreiben Sie Ihren Stil?
Gitte Haenning: Fantasievoll und variabel. Ich möchte mich nicht langweilen. Manchmal breche ich Normen, manchmal erlaube ich mir Klasse. Es hängt vom Repertoire ab. Kunst und Mode sollten sich treffen.
Viele Künstler sagen, sie brauchen die Bühne, solange sie können. Wie geht es Ihnen?
Gitte Haenning: Ruhestand? Nein. Ich mache, was ich mache, aus Vernunft. Aktiv zu bleiben ist gesund. Shakespeare sagte: "The stage is the world and the world is the stage." Für mich ist Bühne Gestalttherapie. Ein Privileg. Dort darf ich etwas transportieren - und das tue ich gerne.
Gibt es ein Motto für Ihr heutiges Künstlerleben?
Gitte Haenning: Vielleicht das: Ich hoffe, dass ich ein akzeptabler Mephisto sein kann. Denn das Leben ist immer Salz und Pfeffer, gut und böse. Es soll lebendig bleiben.
Was dürfen die Cuxhavener von Ihnen erwarten?
Gitte Haenning: Einen lebendigen Abend mit viel Fantasie - und hoffentlich einem guten Groove.
Ich danke für das Gespräch!
