Als der große und kräfte Herdenschutzhund gesichert wird, wird ihm ein Maulkorb angelegt. Foto: Rademacher
Als der große und kräfte Herdenschutzhund gesichert wird, wird ihm ein Maulkorb angelegt. Foto: Rademacher
Die Geschichte reicht Jahre zurück

In Cuxhaven ausgesetzter Herdenschutzhund: Dubiose Hintergründe und Verbindungen

von Lennart Keck | 02.06.2024

Dass ein Herdenschutzhund in Cuxhaven ausgesetzt wurde, hat für Empörung gesorgt. Die Verbindungen zwischen dem Halter und Mitgliedern des Tierheimvereins offenbaren ein komplexes Geflecht aus Tierschutz, Diebstahl und fragwürdigen Entscheidungen.

Lautes Bellen schallt über die Wiesen. Bellen, das davon zeugt, was der große, kräftige Herdenschutzhund schon erlebt hat. Nun wurde er ausgesetzt, angebunden an einen Baum fernab der Straßen. Ohne Rücksicht auf das Tier ließ es der Halter zurück. Die Mitglieder des Cuxhavener Tierheims sind immer noch fassungslos. Beim Blick auf das Leben des Owtscharkas spielt allerdings auch das Tierheim und der dazugehörige Verein eine Rolle. Sowohl Hund als auch Halter seien zumindest einzelnen Personen im Tierheimverein bestens bekannt - und das schon seit 2021, behaupten Hinweisgeber. Das Leben des Hundes "Zeus" erzählt von Tierschutz, Diebstahl, fragwürdigen Entscheidungen - und einem Ringen um ein Tier.

Fernab der Straßen ist der Herdenschutzhund an einen Baum angeleint. Das Bellen des Hundes war über eine weite Strecken zu hören. Foto: Rademacher

Namen sollen dem Tierheim Cuxhaven schon lange bekannt sein

Sowohl der Name des Hundes als auch des Halters sollen dem Tierheim schon seit mindestens drei Jahren bekannt sein, beteuert ein anonymer Hinweisgeber. Es gebe eine Verbindung zwischen Hund, Halter und der Vorsitzenden des Tierheimvereins "Eine Pfote - Ein Versprechen" Birgit Block. Auf Nachfrage hielt sich Birgit Block mit näheren Informationen zurück. Denn inzwischen sei der Fall an die Behörden übergeben worden. "Wir dürfen die Ermittlungen nicht durch irgendwelche Aussagen stören. Alles, was wir zu sagen hatten, haben wir an die Behörden weitergegeben und damit ist die Sache für uns erledigt", blockte sie in der vergangenen Woche ab und erinnerte an den Persönlichkeitsschutz.

Cuxhavener Tierheim-Vereinsvorsitzende schickte Botschaft an Hund

Dennoch bleibt die Frage offen, in welcher Beziehung die Vereinsvorsitzende, der Hund mit dem Namen "Zeus" und Halter Tim Müller (Name von der Redaktion geändert) zueinander stehen. In einem Facebook-Post veröffentlichte Birgit Block im Dezember 2021 ein Foto des Besitzers mit dem Herdenschutzhund. Der Satz, den die Tierschützerin dazustellte, lässt vermuten, dass der Hund zu diesem Zeitpunkt verschwunden war: "Lieber Zeus, wo auch immer du bist, wir schicken dir Streicheleinheiten."

Als Hund Zeus gesichert wird, erhält er von den Tierpflegerinnen Streicheleinheiten. Foto: Rademacher

Herdenschutzhund Zeus aus Cuxhaven: Was steckt hinter der Geschichte aus 2021?

Die Spur führt auch zum Verein "Tierobhut" in Hemmoor. Die Vorsitzende Annette Hohlefeld bezieht Stellung, was sich im Jahr 2021 zugetragen haben soll. Damals habe Hundebesitzer Tim Müller versucht, seinen Owtscharka über ein Kleinanzeigenportal zu verkaufen. Nachdem er das Tier nicht losgeworden sein soll, habe er Zeus bei seiner Mutter in Bülkau "zwischengeparkt".

Nachbarn in Bülkau sollen sich über Herdenschutzhund beschwert haben

Nachdem sich mehrere Nachbarn über das laute Jaulen des Hundes beschwert hätten und sich schließlich eine Zeugin (Name ist der Redaktion bekannt) bei dem privaten Hemmoorer Verein "Tierobhut" gemeldet hätte, habe Annette Hohlefeld die Mutter des Halters aufgesucht, um sich selbst ein Bild von den Umständen zu machen.

Herdenschutzhund in einem Schuppen in Bülkau untergebracht?

Untergebracht war der Hund, so Hohlefeld, in einem Schuppen am Haus, der "aus Gerümpel" bestanden haben soll. "Im Schuppen lag ein großer, recht abgemagerter Hund." Wasser und Futter habe sie nicht entdecken können, dafür überall Glasscherben. Der Hund war laut der Tierschützerin und der Zeugin nur durch ein Loch in der Wand zu erreichen. Als Hohlefeld die Bewohnerin fragte, ob sie den Hund mitnehmen dürfe, habe die Frau sofort zugestimmt. Schließlich hätte sie vor dem Owtscharka Angst, berichtet die Vereinsvorsitzende von dem Gespräch. Gemeinsam mit einer Kollegin habe Annette Hohlefeld den damals etwa eineinhalb Jahre alten Hund ins Auto geladen.

Der ausgesetzte Herdenschutzhund trägt eine Eisen-Kette. Foto: Rademacher

Polizei Cuxhaven meldet sich bei der Tierobhut-Vorsitzenden

"Ein paar Tage später rief mich die Polizei an", erinnert sich Hohlefeld. Tim Müller wollte seinen Hund zurück. Eine Richterin des Amtsgerichts Otterndorf stellte später in ihrem Urteil fest, dass der Hund weiterhin Eigentum seines Besitzers Tim Müller ist und Annette Hohlefeld kein Recht dazu gehabt hatte, ihn mitzunehmen - auch nicht im Sinne des Tierschutzes. Dies sei nur Beamten des Veterinäramtes oder gegebenenfalls Polizisten gestattet, betont Sabine Deutschmann, Direktorin des Amtsgerichts Otterndorf. Die damals zuständige Richterin ließ sich nicht überzeugen, dass die Mutter von Tim Müller der Tierobhut-Leiterin den Hund übergeben haben sollte. Auch ob der Owtscharka tatsächlich unter den von Hohlefeld geschilderten Umständen gelebt hat, sei bis heute unbewiesen.

Hund Zeus aus Cuxhaven wurde in Süddeutschland versteckt

Hohlefeld weigerte sich, den Hund herauszugeben. Auch eine Hausdurchsuchung durch die Polizei blieb erfolglos, da Annette Hohlefeld Zeus bereits nach Süddeutschland gebracht hatte und über die Aktion schwieg. Sie wollte das Tier auf keinen Fall zurückgeben, weil sie befürchtete, dass es wieder in schlechte Verhältnisse geraten würde.

Herdenschutzhund Zeus kommt zurück nach Cuxhaven

Später habe sich dann eine Frau bei Annette Hohlefeld gemeldet, die gesagt haben soll, dass sie sich ebenfalls für den Tierschutz einsetze und einen geeigneten Platz für den großen Hund hätte. Also habe Hohlefeld den Hund zurück in den Norden geholt, erinnert sie sich. Hohlefeld behauptet heute, die Frau sei eine Bekannte von Birgit Block gewesen, der Vorsitzenden des Cuxhavener Tierheimvereins. Die Tierobhut-Vorsitzende geht laut eigener Aussage davon aus, dass Birgit Block die Rückholaktion einfädelte. Denn kurze Zeit später soll auf Facebook ein Video aufgetaucht sein. Darin laut Hohlefeld zu sehen: Tim Müller und Birgit Block, die sich freuen, dass der Hund wieder bei seinem Besitzer ist. Mittlerweile ist das Video in den sozialen Netzwerken nicht mehr auffindbar. Auch ein anonymer Zeuge bestätigte uns die Version Hohlefelds über das Facebook-Video.

Hund Zeus befindet sich jetzt in den Händen der Tierpfleger, nachdem er ausgesetzt worden ist. Foto: Rademacher

Vorstandsmitglied des Cuxhavener Tierheim-Vereins bezieht Stellung

Birgit Block war am Mittwoch und Donnerstag aus zeitlichen Gründen nicht in der Lage, zu den Vorwürfen Hohlefelds Stellung zu beziehen, ließ sie über ein Tierheim-Vereinsmitglied mitteilen. Schriftführerin Jelka Tetzlaff antwortete in Vertretung: Tierschützer könnten "nur beurteilen, was man weiß und was man sieht. Und Frau Block hat damals überhaupt nicht sehen können, unter welchen Bedingungen der Hund wohnte. Denn der Hund war ja gar nicht mehr da [in Bülkau; Anm. d. Red.]." Für Tierschützer gelten laut Tetzlaff die gesetzlichen Regelungen, wem ein Hund gehört. Darüber entscheidet in erster Linie das Veterinäramt. Die Tierschützer könnten sich "nicht einfach über das Gesetz stellen", so Tetzlaff.

Herdenschutzhund Zeus aus Cuxhaven: Veränderte Bedingungen?

Dass Tim Müller ein Tierquäler ist, sollte er den Hund tatsächlich vor drei Wochen selbst ausgesetzt haben, stünde nach Ansicht des Tierheimvereins außer Frage. "Doch die Bedingungen vor drei Jahren waren andere als heute. Man kann die Fakten immer nur nehmen, wie sie sind. Und damals wurde einem Menschen geholfen, dem illegalerweise sein Hund weggenommen wurde, weil es nicht durch das Veterinäramt passiert ist", so Tetzlaff im Namen des Tierheimvereins. "Frau Hohlefeld hätte sich vergewissern müssen, dass der Hund Eigentum der Mutter ist. Die war aber zu dem Zeitpunkt nur die Betreuungsperson." Tetzlaff sagt, sie verstehe zwar den Willen zu helfen. In manchen Situationen müsse man aber auch andere Stellen informieren - wie in diesem Fall das Veterinäramt.

Cuxhaven? Neu Wulmstorf? Hemmoor? Künftige Unterkunft noch ungeklärt

Derzeit befindet sich Zeus noch im Tierheim Cuxhaven. Im Tierzentrum Neu Wulmstorf, das sich bereit erklärt hatte, den Hund aufzunehmen, ist derzeit noch kein Platz frei. Gegenüber unserem Medienhaus erklärte Annette Hohlefeld von der Tierobhut Hemmoor, dass sie nun anbieten wolle, Zeus bei sich aufzunehmen. Weder das Veterinäramt des Landkreises Cuxhaven noch das Ordnungsamt der Stadt Cuxhaven wollten Fragen zum Halter und möglichen Auflagen beantworten - zum Schutz der Persönlichkeitsrechte und aus Gründen des laufenden Verfahrens.

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Volontär
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

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