In den Lebensentwürfen zweier Frauen spielt diese Immobilie am Sahlenburger Forstweg eine zentrale Rolle. Das Problem: Die eine ist nur Mieterin, die andere hat das Häuschen, das auf einem Grundstück am Rande des Naturschutzgebietes steht, gekauft. Foto: Koppe
In den Lebensentwürfen zweier Frauen spielt diese Immobilie am Sahlenburger Forstweg eine zentrale Rolle. Das Problem: Die eine ist nur Mieterin, die andere hat das Häuschen, das auf einem Grundstück am Rande des Naturschutzgebietes steht, gekauft. Foto: Koppe
Nach Immobilien-Verkauf in Cuxhaven

Konflikt um Haus in Sahlenburg: Um ihrer Pferde willen möchte Mieterin nicht weichen

von Kai Koppe | 04.12.2023

Im Sahlenburger Forst in Cuxhaven tobt ein Streit um ein inzwischen verkauftes Haus, das ursprünglich dem Tierschutz zugedacht gewesen ist. Sogar die Polizei und das Amtsgericht mussten schon eingeschaltet werden.

Diese Geschichte hat zwei Seiten, so wie es am Sahlenburger Forstweg in geografischer Hinsicht ein "Hüben" und ein "Drüben" gibt. Links des Weges befindet sich eine Weide mit dem Reitbetrieb, auf der rechten Seite liegt der Streitgegenstand, ein altes, unscheinbares  Wohnhaus samt Grundstück. Jahrelang diente es der Pferdebesitzerin als Bleibe, war so etwas wie eine Säule des Kosmos, den sich die Mieterin hier draußen aufgebaut hat: Mit Unterricht im Reiten mit gebissloser Zäumung, Anleitung im Umgang und der Nähe zu den eigenen, betagten Tieren. 

Diese Welt der Judith B. ist ins Wanken geraten, seit jemand das Häuschen gekauft hat, jemand, der dort seinen eigenen Traum zu verwirklichen hofft: Nicht weit vom Wasser und mitten in der Natur leben zu können, schwebte Corinna H. vor, als sie im Sommer 2021 zugriff. 30.000 Euro sind für die gelernte Rechtsanwaltsfachangestellte eine Menge Geld, gemessen an der Größe des unmittelbar ans Naturschutzgebiet angrenzende Grundstück bleibt der Kaufpreis dennoch ein Schnäppchen. Die Gegend rund um Sahlenburg hatte H. bislang als Urlauberin kennengelernt: "So schön hier!", postete sie auf ihrem Facebook-Account.

Käuferin hat das Objekt erst ein paar Mal betreten

Die Kaufentscheidung betreffend sei sie wahrscheinlich "etwas naiv und blauäugig gewesen", bekennt sie in einem Telefonat mit unserer Redaktion. Denn die Realität ist: Bis heute, zweieinhalb Jahre nach Erwerb der  vom Tierschutz Cuxhaven e. V. veräußerten Immobilie, hat sie ihr mutmaßliches neues Heim nur ein paar Mal betreten. Sie trägt laufende Kosten des Objekts, zum Beispiel für die Müllabfuhr, erhält seit Mai diesen Jahres aber keine Mietzahlungen mehr. Ihrem Grundstück am Waldweg nähert sie sich nach eigenen Angaben nur noch mit einem beklommenen Gefühl.

Was den Streit mit Judith B. anbelange: Der werde wohl in eine weitere Runde gehen, prophezeit H. in diesen Tagen, obwohl das Cuxhavener Amtsgericht die Durchsetzung einer Räumung unlängst für zulässig erklärt habe.

Eine Woche zuvor am Forstweg: Anders als in den über sie kursierenden Geschichten reagiert Judith B. weder schroff  noch abweisend. Sie bittet die Besucher von der örtlichen Presse an einen Holztisch, der im Freien neben einem Wohncontainer steht. Lächelt mitunter, sieht müde aus, sobald sie den Blick in Richtung Tischplatte senkt.

Mieterin: "Irgendwo noch einmal neu anfangen, das kann ich nicht mehr"

Was sie sich hier in Sahlenburg aufgebaut hat, sei so etwas wie eine letzte Chance, wird sie im Laufe des Gesprächs erklären, alternativlos für sie: "Irgendwo noch einmal neu anfangen, das kann ich nicht mehr", sagt die 71-Jährige, die an einer schweren Lungenerkrankung leidet und bei der Arbeit auf der Koppel von Reiterinnen unterstützt wird, die ihr Pferd bei ihr untergestellt haben. Ein gegenseitiges Geben und Nehmen, heißt es, doch die Einstellerinnen sind beunruhigt. In letzter Zeit, so berichten sie, habe es ein paar Vorfälle gegeben: Unbekannte machten Fotos von ihren Pferden, im Spätsommer kam es auf dem Waldweg zu einer Auseinandersetzung mit den neuen Eigentümern. Es ging um die Herausgabe des Hausschlüssels; nach einem Gerangel am Hoftor nahm die Cuxhavener Polizei am 4. September eine Anzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung auf. Der strafrechtlich nicht weiter verfolgte Vorwurf richtete sich gegen H.s Ehemann, der sich in ein verkehrtes Licht gerückt sieht: Sei er es doch gewesen, auf welchen eine Bekannte der Mieterin mit einer brennenden Zigarette losgegangen sei. Seine Frau spürt eine Menge Wut auf der anderen Seite - Ergebnis eines weiter in der Vergangenheit liegenden Konflikts mit den ehemaligen Eigentümern vom Cuxhavener Tierschutz? 

Die Pferdekoppel liegt gegenüber vom Haus auf der anderen Seite des Sahlenburger Forstweges und gehört nicht zum Mietgegenstand. Foto: Koppe

Corinna H. möchte nicht hineingezogen werden in alte Fehden. Obwohl "die Sache" (nämlich der Kauf und die anschließenden Auseinandersetzungen) sie und die amtierende Vorsitzende des Tierschutzvereins zusammengeschweißt habe, legt H. Wert auf die Feststellung, dass sie weder für die Voreigentümerin spricht  noch deren mutmaßliche Versäumnisse zu verantworten habe. "Ich", das will sie Judith B. mehrfach entgegengehalten haben, "bin nicht Frau Block".

Tierschutzverein erbte das Anwesen unter Auflagen

Die Letztgenannte spricht unserer Redaktion gegenüber davon, dass ihre ehemalige Mieterin Judith B. das Käufer-Ehepaar zu ruinieren trachte und die Immobilie "heruntergewirtschaftet" habe, nachdem ihr das Haus zum monatlichen "Dumpingpreis von 150 Euro" überlassen worden sei. Den Mietvertrag mit Judith B. hatte wohlgemerkt nicht Birgit Block geschlossen, sondern ihre bis Juli 2017 im Amt befindliche Vorgängerin. Im vormaligen Tierschutzverein-Vorstand erinnert man sich noch gut an die alten Zeiten: Dank ihrer handwerklichen Fähigkeiten habe sich die Mieterin B. das relativ primitive Gebäude "sehr wohnlich" hergerichtet.

Auf dem Grundstück hatte der Tierschutz (lange vor B.s Einzug) Quartiere für verwahrloste Katzen geschaffen, nachdem das Objekt dem Verein unter Auflagen vermacht worden war. Erblasserin war eine Ruth Hofmann, die sich, bevor sie hochbetagt starb, testamentarisch ausbedungen hatte, dass die von ihr hinterlassene Immobilie "für tierschützerische Maßnahmen" verwendet werden würde. "Dieses Haus hätte überhaupt nicht verkauft werden dürfen", lautet eine Auffassung unter den damaligen Protagonisten vom Cuxhavener Tierheim.

Vergeblich Eigenbedarf angemeldet

Gut ein Jahr nach B.s Einzug hatte der neue Vorstand um Birgit Block Eigenbedarf geltend gemacht: Den Willen der Erblasserin sah man unzureichend berücksichtigt - und wollte das Thema Katzen-Asyl weiter anschieben. In dem Bewusstsein, als Verein damit juristisch zu scheitern, soll der Tierschutz die Eigenbedarfsklage zurückgezogen haben. Die Kontrahentinnen sahen sich dennoch kurze Zeit später vor Gericht wieder: Mit Unterstützung des Mieterbundes klagte Judith B. erfolgreich auf die Beseitigung einer Reihe von Mietmängeln. Es ging unter anderem um Risse im Fußboden und um Elektroinstallationen. "Wir mussten neue Bäder einbauen", sagt Birgit Block auf Nachfrage. "Es war schier unglaublich."

Verein fühlte sich ausgenutzt

Der Verein fühlte sich ausgenutzt und entschied, sich von der an den eigenen Ressourcen zehrenden Immobilie zu trennen. Nach mehreren Anläufen ging das Objekt an Corinna H., die nach eigenem Bekunden nicht als Person angesehen werden möchte, die andere Menschen kaltschnäuzig vor die Tür setzt. Man habe sich mit der Mieterin vergleichen wollen, ihr Zeit gelassen, sagt H. Außerdem angeboten, ihr beim Umzug zur Hand zu gehen. "Ich habe der Frau nichts getan, trotzdem will sie mich zerstören."

Gnadenbrot für Pferde - "nicht auch Tierschutz?"

Das Haus hat Judith B. bereits im September leer geräumt. Weil Schimmelbildung einen Verbleib in den Räumen unmöglich machte, wohnt sie nach eigenen Worten nun "mal hier und mal dort". Sie lebe für ihr Pferde, betont die Sahlenburgerin, die weiterhin so dicht wie möglich bei ihren fünf Tieren bleiben will: Allesamt Veteranen, die auf der gegenüberliegenden Koppel ein Gnadenbrot erhalten. Ob das denn nicht gelebter Tierschutz sei, möchte B. wissen  - und lässt schließlich durchblicken, dass sie die Dinge nun auf sich zukommen lassen wird. Die Weide mit ihrem Reitbetrieb ist nicht Mietgegenstand, sondern separat gepachtet. "Wir werden also irgendwann Nachbarn sein", folgert Corinna H. Wie sich das Zusammenleben zu beiden Seiten des Sahlenburger Forstwegs gestalten wird, ist bislang nicht abzusehen.

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Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

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