Mehrheit im Cuxhavener Rat zieht Rasseliste zurück
Halterinnen und Halter der landläufig als Kampfhunde bekannten Pitbull-, Bull- oder Staffordshire-Terrier werden in Cuxhaven nun doch nicht mit einer erhöhten Hundesteuer belastet.
In seiner Sitzung am Donnerstagabend stimmte der Rat der Stadt mit großer Mehrheit dafür, eine erst vor wenigen Wochen in die städtische Hundesteuersatzung aufgenommene Rasseliste zu kippen. Der Entscheidung waren Proteste von Hundefreunden, eine Petition sowie Appelle des Tierschutzvereins vorausgegangen.
"Uns beeindruckt, was für Diskussionen inzwischen gelaufen sind", betonte Gunnar Wegener, Sprecher der aus SPD, Grünen und der Fraktion "Die Cuxhavener" gebildeten Mehrheitskooperation, nachdem vor von Rasseliste-Gegnern bevölkerten Rängen ans Rednerpult getreten war. Dort legte Wegener dar, was die "Koop", die vor Weihnachten noch die umstrittene Kampfhund-Klausel mitverabschiedet hatte, zum Umdenken bewogen hat. Er erwähnte Gespräche mit betroffenen Hundebesitzern am Rande des Neujahrsempfangs, ging aber nicht zuletzt auch die Bedenken des örtlichen Tierschutzvereins ein.
Als Betreiber der Cuxhavener Tierheims befürchtete der Verein, sich um etliche dieser Listenhunde kümmern zu müssen, sobald sich Halter nicht mehr im Stande sähen, den für die Rassen Pitbull, American Staffordshire, Staffordshire-Bullterrier und Bullterrier veranschlagten Hundesteuer-Höchstsatz (960 Euro/Jahr) zu berappen, der gemäß der in den ersten Wochen des neuen Jahres geltenden Satzung auch für aus den besagten Hundearten hervorgegangene Mischlinge gelten sollte.
Koop erkannte "unbillige Härte"
Die genannten Vierbeiner wären - Hauptkritikpunkt der örtlichen Listenhund-Lobby - automatisch, das heißt, aufgrund ihrer Zuchtmerkmale als "gefährliche Hunde" im Sinne des Niedersächsischen Hundegesetzes eingestuft worden. Ihren Besitz auf dieser Grundlage hoch zu besteuern, stuft die Kooperation rückblickend als eine Form von "unbilliger Härte" ein. Dieser Argumentation folgend hatte die Stadtverwaltung zum Sitzungstermin am Donnerstag selbst eine Beschlussvorlage zur Rücknahme der Rasseliste auf dem Weg gebracht. "Wir werden diesem Vorschlag folgen", kündigte Wegener noch vor der anstehenden Abstimmung an, gab aber zu bedenken, dass es "in diesem Ratssaal" Menschen gebe, die "durchaus eine differenziertere Meinung" zum Thema Listenhunde hätten und es im Begegnungsfall auch schon mal vorzögen, die Straßenseite zu wechseln. "Wir wissen aber, dass Probleme in der Regel nicht beim Hund, sondern beim Halter liegen", sagte der Sozialdemokrat, der versprach, den Kontrolldruck dort zu erhöhen, wo es Zweibeinern möglicherweise an Verantwortungsbewusstsein fehlt.
Die Ratsgruppe aus CDU und "Die Demokraten" (sie stimmte gegen die letztlich beschlossene Rücknahme der Rasseliste) hätte einen anderen Weg favorisiert: CDU-Ratsherr Christoph Frauenpreiß warb für einen Änderungsantrag, der trotz Beibehaltung der Rasseliste auch Vorteile für die Halter der dort erfassten Hunde mit sich gebracht hätte: Nach Wingster Vorbild sollte es jenen nämlich freigestellt werden, ihren Pitbull oder Staffordshire freizutesten, um nach erfolgreich bestandenem Wesenstest einerseits guten Gewissens "Gassi" gehen zu können. Und andererseits nur den normalen, für Pudel, Retriever und Co. Geltenden Steuersatz (96 Euro) zahlen zu müssen.
Birner: Nicht nur "liebe" Hunde in dieser Stadt
Den Wesenstest beschrieb auch Frauenpreiß' Kollege Lars Birner als Königsweg, nachdem er zunächst scharf auf eine Wortmeldung des FDP-Ratsfraktionsvorsitzenden Günter Wichert reagiert hatte. Wichert hatte nicht nur die sich abzeichnende Rücknahme der Kampfhund-Klausel begrüßt, sondern auch der CDU vorgeworfen, Hunde, die "immer lieb war(en)", über ihre Aussehen stigmatisieren zu wollen. Durch die Wortwahl, so Birners Vorwurf, habe sein Vorredner "ein ernstes Thema auf eine völlig lapidare Ebene geholt". Darüber hinaus, so betonte der CDU-Ratsherr, könne man die Ungefährlichkeit eines eben nicht von vornherein annehmen. "Es laufen nicht nur 'liebe' Hunde in dieser Stadt herum - nur weil sie noch nicht gebissen haben", sagte Birner wörtlich.
Die Verwaltung hatte sich schon zu Beginn der Diskussion gegen einen später von Wichert aufgegriffenen Vorschlag gewandt: Nicht nur die Rasseliste, sondern auch die Bezeichnung "gefährlicher Hund" sind nach FDP-Meinung in einer Hundesteuersatzung deplatziert. Perspektivisch, so Wichert, solle man darüber auf Ausschussebene reden.
Von der Idee, diese Feststellung zu kippen, könne er nur abraten, hatte Cuxhavens Erster Stadtrat Marcus Itjen eingangs bekräftigt. Immerhin habe die Hundesteuer (ganz dem Wortsinn nach) sehr wohl einen Steuerungszweck. Die Haltung der oben genannten Hunderassen per Satzung möglichst unattraktiv zu gestalten, ist in Cuxhaven nach dem nun erfolgten Ratsbeschluss allerdings nicht mehr das Ziel. Bislang betroffene Halter sollen einen neuen Steuerbescheid erhalten. Oberbürgermeister Uwe Santjer wertete den Rückzieher bei der Rasseliste nicht als Zeichen von Schwäche, ganz im Gegenteil: Der Fall sei ein gutes Beispiel dafür, dass es in demokratischen Prozessen möglich sei, Dinge ein zweites Mal zu überdenken.