Hier geht's zum Lesen- und Schreibenlernen - und das WortStart-Projektteam will dabei helfen: V. l.: Heike Ahlf, Angelika Faust, Astrid Hebel, Kim Sennert, Nils Nickisch und Svenja Beckmann. Foto: Reese-Winne
Hier geht's zum Lesen- und Schreibenlernen - und das WortStart-Projektteam will dabei helfen: V. l.: Heike Ahlf, Angelika Faust, Astrid Hebel, Kim Sennert, Nils Nickisch und Svenja Beckmann. Foto: Reese-Winne
Jeder hat seine Geschichte

Mutmacher in Cuxhaven: Es ist nie zu spät, um richtig lesen und schreiben zu lernen

von Maren Reese-Winne | 06.11.2025

Schätzungsweise geht es um rund 2700 Erwachsene in Cuxhaven: Obwohl hier aufgewachsen und zur Schule gegangen, können sie nicht richtig lesen und schreiben. Ein Projekt öffnet ihnen eine neue Chance - ohne Scham, dafür mit Unterstützung.

Warum es irgendwann dazu gekommen ist, dahinter verbirgt sich jedes Mal eine ganz eigene Geschichte. Tatsache ist, dass es für Millionen Erwachsene in Deutschland nicht selbstverständlich ist, lesen und schreiben zu können. Sie können nicht zum puren Vergnügen lesen und verstehen oft Gebrauchsanweisungen, Fahrpläne oder Angaben im Supermarkt nur schwer oder gar nicht. An sie richtet sich nun eine Initiative in Cuxhaven und macht Mut, diese Situation zu ändern.

Ein professionelles Legasthenietraining steckt hinter dem Kurs, der im kommenden Frühjahr an der VHS der Stadt Cuxhaven starten soll - begleitet durch ehrenamtliche Projektpatinnen und -paten. Ihr erklärtes Ziel ist, das Thema zu entstigmatisieren und Menschen zu ermutigen. Nicht umsonst haben sie sich als Wahlspruch für ihr Projekt "WortStart" den Slogan "Sei mutig! Sei dabei!" ausgesucht. Die Schirmherrschaft für das Projekt hat Oberbürgermeister Uwe Santjer übernommen.

Ein TV-Projekt lieferte die Idee

Initiatorin Heike Ahlf berichtet, wie sehr sie der preisgekrönte ZDF-Vierteiler "Buchstäblich leben!" berührt hat. Acht Erwachsene werden dort auf ihrem Weg zum Lesen und Schreiben begleitet (noch in der Mediathek abrufbar). "Ich wusste sofort: So etwas möchte ich in Cuxhaven machen", berichtet sie. Ihr fallen unendlich viele Situationen ein, die Menschen mit unzureichenden Lese- und Rechtschreibkenntnissen vor Hürden stellen: Orientierung auf dem Bahnhof, Ausfüllen von Formularen, Gesundheitsvorsorge, Teilhabe am Umgang mit digitalen Medien oder beim Führerscheinerwerb.

Weniger Aufstiegs- und Verdienstchancen

Vor allem aber blieben den Betroffenen, obwohl sie keineswegs weniger intelligent seien und ihren Alltag mit sehr viel mehr Mühen und Kreativität meisterten, Aufstiegschancen im Beruf meist verwehrt. Nicht umsonst ist die Hoffnung groß, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber Beschäftigte ermutigen und ihnen Freiräume gewähren, damit sie die sich durch das neue Projekt öffnende Chance ergreifen können.

Als Mitglied des VHS-Beirats saß Heike Ahlf nah an der sich anbietenden Bildungseinrichtung, und Leiterin Kim Sennert sah sofort Potenzial, als sie ihre Idee schilderte. Denn während die Alpha-Kurse für Migranten gut liefen, sei der Jahr für Jahr angebotene Kurs für Muttersprachler fast nie zustande gekommen, so Kim Sennert. Dabei wird die Zahl der Erwachsenen in Cuxhaven, die Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben haben, auf rund 2700 Personen geschätzt.

"Es erfordert Vertrauen und Mut"

"Es erfordert Vertrauen und Mut, sich zu öffnen und zu sagen, dass man Hilfe braucht", sagen Svenja Beckmann (wie Heike Ahlf auch ehrenamtliche Leselotsin), Astrid Hebel (Stadtbibliothek), Nils Nickisch (VHS-Beirat) und Angelika Faust (Ehrenamtliche), die neben Heike Ahlf und Kim Sennert das Projektteam vervollständigen. Sie wollen Mut machen, unterstützen und begleiten, ob es nun um den Umgang mit dem Lernstoff oder einen Gang zur Behörde geht.

Menschen im Umkreis ansprechen

Ab Dezember soll der Kurs intensiv beworben werden, vorwiegend - weil es bildbetont funktioniert - über Instagram sowie über Flyer. Aber auch Arbeitgeber, Familienmitglieder oder Freunde sind ermuntert, Menschen in ihrem Umkreis anzusprechen. Auch beim Neujahrsempfang der Stadt soll das Augenmerk auf das Angebot gelenkt werden.

Das Projekt ist spendenbasiert. Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer werden für die Teilnahme nur einen Eigenanteil von zehn Euro aufbringen müssen. Da dies aber nicht die tatsächlich entstehenden Kosten deckt, wird um Spenden gebeten. Das Spendenkonto: Stadt Cuxhaven, Verwendungszweck: WortStart, IBAN DE29 2415 0001 0000 1015 84.

Auch Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber können den Anstoß geben

Insbesondere Firmen und Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sollten sich angesprochen fühlen, hofft das Projektteam. Sie könnten Betroffene durch einen Beitrag in Höhe einer Kursgebühr unterstützen oder ihnen freie Zeit zur Teilnahme einräumen. Ohnehin sei vorgesehen, auf die Bedürfnisse der Interessierten einzugehen, selbst wenn diese im Schichtdienst arbeiteten oder Kinder zu betreuen hätten.

Ab sofort können Interesse, Bedürfnisse und Wunsch-Zeiten per Mail an die Adresse wortstart.cuxhaven@gmail.com bekundet werden. Fragen beantwortet auch die VHS (Abendrothstraße 16) unter Telefon (0 47 21) 700 70 950. "Auf Vertraulichkeit können Sie sich verlassen", versprechen die Unterstützerinnen und Unterstützer. Die VHS biete einen geschützten Raum: "Es ist nie zu spät, anzufangen. Hab Mut! Sei dabei."

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Maren Reese-Winne

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

mreese-winne@no-spamcuxonline.de

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