
Palästinenserin, Syrerin, Cuxhavenerin: Eine Geschichte inmitten von Krieg und Flucht
Die bewegende Geschichte der Cuxhavenerin Faten Sakallah führt von einem syrischen Flüchtlingslager über die Flucht vor dem Assad-Regime bis hin zu einer neuen Existenz in Deutschland.
Vor zwei Jahren erhielt die Cuxhavenerin Faten Sakallah gemeinsam mit ihrer Familie die deutsche Staatsbürgerschaft. Sie bezeichnet den Moment als Meilenstein. Geboren wurde sie aber im Flüchtlingslager Al-Aedin in Homs in Syrien. Dort hatten sich ihre Eltern kennengelernt und geheiratet. Wie viele andere Palästinenser war ihr Großvater mütterlicherseits aufgrund der Nakba 1948 gezwungen gewesen, die Heimat zu verlassen. (Anm.: Das arabische Wort Nakba bedeutet Katastrophe oder Unglück. Insgesamt haben zwischen 1947 und 1949 rund 750.000 Palästinenser das Gebiet verlassen, so die Bundeszentrale für politische Bildung.)
Drei Generationen Flucht und Vertreibung
Faten Sakallahs Vater wurde 1967 aufgrund des Krieges in Palästina aus Gaza vertrieben. Da er die Schönheit des Strandes in Gaza aber nicht vergessen konnte, beschloss er, an die syrische Küste zu ziehen. Dort ging Faten Sakallah auch zur Schule und machte ihr Abitur. Ihr Traum war es, Lehrerin oder Anwältin zu werden. Aufgrund der Korruption unter der Herrschaft der brutalen Assad-Regierung riet ihr Vater ihr jedoch davon ab, Jura zu studieren. "Um als Lehrerin in einer syrischen Schule zu arbeiten, brauchte ich eine syrische Staatsangehörigkeit. In Syrien hatte ich lediglich einen befristeten Aufenthalt, den ich jährlich bei der Ausländerbehörde erneuern musste", erklärt Faten Sakallah. Sie machte also eine Ausbildung zur Zahntechnikerin und unterstützte ihren Bruder, der Zahnarzt ist und eine eigene Praxis hatte.
Ihr Bruder wurde in Syrien verhaftet und gefoltert. Ihr Cousin ist bis heute verschwunden.
Nach der Ausbildung lernte sie ihren Mann kennen und stellte schließlich einen Antrag auf Einbürgerung, da ihr Mann Syrer ist. 2011 begann in Syrien die Revolution gegen Assad. "Mein Bruder wurde verhaftet, gefoltert und verbrachte zweieinhalb Jahre in den berüchtigten Gefängnissen des Assad-Regimes, darunter in Saydnaya. Ebenso wurde mein Cousin in Homs festgenommen und bis jetzt ist er verschwunden. Mein Mann beteiligte sich an Demonstrationen und geriet dadurch in erhebliche Gefahr."
Im Jahr 2015 floh ihr Mann schließlich unter großen Risiken nach Deutschland. Im Sommer 2016 hatte Faten Sakallah dann die Möglichkeit, gemeinsam mit ihren beiden Söhnen im Rahmen des Familiennachzugs nach Deutschland zu kommen. Als sie hier ankam, gab es große Freude darüber, mit ihrem Mann und ihren Kindern in Sicherheit zu sein. Aber die Traurigkeit über das Leid in Syrien verschwand dadurch nicht. Groß war auch die Sorge, was sie und ihre Kinder in diesem Land erwarten würde.
Flucht nach Deutschland und neue Herausforderungen
"Am schmerzhaftesten war jedoch die bittere Erkenntnis, dass ich erneut ein Flüchtling bin. Diesmal aber mit meinem Mann und meinen Kindern." Die Herausforderungen, denen sie begegnete, waren vielfältig. Sprachbarrieren, kulturelle Unterschiede und die Komplexität der Bürokratie. Von Beginn an war ihr bewusst, wie wichtig es ist, die deutsche Sprache so schnell wie möglich zu erlernen und zu beherrschen. Mit Unterstützung von ehrenamtlichen Sprachkursen, die von der OHA-Flüchtlingsinitiative ("Offenes Herz Altenwalde") angeboten wurden, machte sie erste Fortschritte. "Zum Glück erhielt ich bald darauf einen Platz in einem Integrationskurs an der VHS der Stadt Cuxhaven."
Um sich beruflich zu orientieren, absolvierte sie mehrere Praktika in unterschiedlichen Bereichen. Während eines Praktikums an der VHS Cuxhaven wurde sie auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht, Lehrkraft für Deutsch als Zweitsprache zu werden. "Dieser Vorschlag inspirierte mich, weshalb ich mich dann auf dieses Ziel fokussierte. Nachdem ich erfolgreich die C1-Prüfung für die deutsche Sprache bestanden hatte, begann ich, eine Weiterbildung zur Lehrkraft für Deutsch als Zweitsprache zu absolvieren." Nach ihrer Weiterbildung engagierte sie sich dann ehrenamtlich als Sprachlehrerin. Aktuell unterricht Faten Sakallah Arabisch als Dozentin an der VHS der Stadt Cuxhaven. "Darüber hinaus arbeite ich als Sprachmittlerin für Arabisch bei der Caritas Cuxhaven."
"Palästina braucht einen sofortigen Waffenstillstand"
Die Lage in Palästina beschreibt sie als markerschütternd. Überall mangele es an humanitärer Hilfe, insbesondere in Gaza. Diese Region benötige dringend einen sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand und nicht nur humanitäre Hilfe. "Allein aus meiner eigenen Familie wurden mehr als 70 Angehörige durch israelische Angriffe getötet. Palästina bleibt ein Teil von mir, egal wo ich mich befinde." Syrien sei ihre zweite Heimat, die sie tief im Herzen trage. "Deutschland hingegen hat mir nicht nur eine neue Heimat gegeben, sondern mich auch in Zeiten größter Not unterstützt. Ich sehe mich als ein Kind mit drei großartigen "Müttern": Palästina, Syrien und Deutschland."