
Erinnerung an NS-Justizmorde: Fünf Helgoländer April 1945 in Sahlenburg hingerichtet
Fünf Helgoländer sind im April 1945 in Cuxhaven-Sahlenburg von den Nazis hingerichtet worden. Die Männer wollten ihre Heimatinsel kampflos an die Engländer übergeben. Jetzt wurden Infotafeln am Ort des Schreckens aufgestellt.
Einen Stein mit den Namen der Opfer gibt es vor Ort seit neun Jahren. Trotzdem fehlte noch etwas - dieser Auffassung war nicht nur der Verein für Gedenkkultur - "Narben bleiben, die Erinnerung lebt weiter", sondern auch Ortsratsmitglied Andreas Wichmann. Auf dessen Initiative hin finanzierte der Ortsrat zwei Info-Tafeln, die im Bereich des ehemaligen Schießstandes aufgestellt wurden.
Der Impulsgeber freute sich darüber, dass die Verwaltung das Anliegen umgesetzt hat: Nach Wichmanns Worten ist die Idee für die Info-Tafeln gut zwei Jahre alt. Schon damals sei zu spüren gewesen, dass die rechte Gesinnung im Land zunimmt. Aus heutiger Sicht seien die Tafeln wichtiger denn je, betonte der SPD-Ratsherr und dankte der Verwaltung für die Umsetzung seines Antrags. Wichmann erwähnte aber auch die Unterstützung des Ortsrates sowie der beiden beteiligten Vereine: Eine Feierstunde, die in der vergangenen Woche vor den neu errichteten Tafeln stattfand, wurde von "Gegen Vergessen - für Demokratie" und dem Verein für Gedenkkultur (Vorsitzender: Manfred Mittelstedt) begleitet.
"Kainsmal für
Sahlenburg"
"Das alleine soll's nicht gewesen sein", wünschte sich Mittelstedt. Er sprach von einer streng genommen dringend gebotenen Umbenennung des an den Gedenkort angrenzenden Straßenabschnitts: Dass die Adresse heutzutage noch "Achtern Kugelfang" lautet, mutet geschichtsvergessen, wenn nicht gar zynisch an - jedenfalls, wenn man berücksichtigt, was an jenem 21. April 1945 geschehen ist: Vor einem Standgericht waren Georg Braun, Karl Fnouka, Erich Friedrichs, Kurt Pester und Martin Wachtel zum Tode verurteilt und noch am selben Tag hingerichtet worden. Ihr "Vergehen" bestand darin, dass sie die Insel Helgoland kampflos an die Engländer übergeben wollten. Der Plan wurde verraten. Die Gestapo verhaftete die Mitglieder der Widerstandsgruppe, die aufs Festland verfrachtet und kaltblütig erschossen wurden.
"Das Kainsmal für Sahlenburg" - so bezeichnete Mittelstedt die Vorgänge von vor 79 Jahren. Und wies darauf hin, dass die Nationalsozialisten auf der Schießanlage mehr Menschen umgebracht haben als jene fünf Helgoländer: Anlass für eine dritte Tafel, sobald sich weitere Puzzleteile der lange Zeit unter den Teppich gekehrten Gräueltaten zusammenfügen lassen.
Gräueltaten fanden
nicht "weit weg" statt
Darzulegen, dass NS-Verbrechen keineswegs nur im fernen Berlin stattgefunden haben, ist aus Sicht von Rüdiger Pawlowski ("Gegen Vergessen") ein ganz entscheidender Punkt im Sinne von Geschichtsbewältigung und Demokratiebildung. "Wir müssen Jugendliche hierherführen und ihnen zeigen, was hier vor Ort passiert ist", pflichtete auch Andreas Wichmann bei - unisono mit Sahlenburgs Ortsbürgermeister Herbert Kihm. Kihm äußerte seinerseits die Hoffnung, dass die mit fachlicher Unterstützung des ehemaligen Stadtarchivars Friedhelm Gleiß gestalteten Tafeln ihren Teil dazu beitragen werden, den Terror des Nazi-Regimes deutlich zu machen.
