
"Nicht eingebunden": Gymnasien-Schulleiter im Kreis Cuxhaven fühlen sich abgehängt
Das Konzept zur Schulentwicklungsplanung im Landkreis Cuxhaven soll im kommenden Jahrzehnt als Richtschnur für politische Entscheidungen dienen. Schulleitungen üben jetzt Kritik: Wichtige Stimmen hätten besser vorab gehört werden sollen.
Nachdem das Konzept zur Schulentwicklungsplanung im Kreis Cuxhaven vor gut zwei Wochen im Schulausschuss viel Lob erhielt, melden sich jetzt die Leiterinnen und Leiter mehrerer Gymnasien zu Wort. Sie fühlen sich in dem Prozess weder wahrgenommen noch beteiligt.
Das beginne schon mit dem Titel. "Schulentwicklung obliegt den Schulen", erklärt Martin Rehermann, Direktor des Lichtenberg-Gymnasiums in Cuxhaven. Die Aufgabe des Schulträgers bestehe vorrangig in der Bereitstellung von Gebäuden, Ausstattung und der Sicherstellung der Schülerbeförderung. Wesentlich treffender wäre daher die Bezeichnung "Schulstrukturplanung" gewesen.
Kreative Problemlösungen wären sicher im Angebot gewesen
Es gehe nicht um Pauschalkritik - "viele in dem Konzept enthaltene Punkte sehen wir genauso", sagt Kollege Wolfgang Deutschmann vom benachbarten Amandus-Abendroth-Gymnasium -, jedoch sei ihnen nicht verständlich, warum in dem Prozess die Schulleitungen weitgehend außen vor geblieben seien. "Und wir Schulleitungen tendieren zu kreativen Problemlösungen", betont Dr. Marlies Reinke, Leiterin des Gymnasiums Otterndorf.
"Wir wurden nicht eingebunden, sondern einzeln befragt, ohne zu wissen, was bereits in der Projektgruppe besprochen worden war", schildert Thomas Kranenberg, Leiter des Gymnasiums Warstade, das Prozedere. Kurz vor der Veröffentlichung wurde das Konzept den Schulleitungen erstmals komplett präsentiert, nachdem tags zuvor die Politik informiert worden war.
"Keine Korrektur mehr möglich"
Dabei sei es nicht mal mehr möglich gewesen, Begrifflichkeiten oder falsch geschriebene Namen korrigieren zu lassen, so Kranenberg: "Wir wurden lediglich ins Benehmen gesetzt." Dabei seien diverse Kritikpunkte geäußert worden. "Ein Protokoll dieses Treffens habe ich nie gesehen, ich weiß auch nicht, ob der Politik eines vorliegt." Nun stehe dort das geschriebene Wort, das für die kommenden zehn Jahre Grundlage der schulpolitischen Entscheidungen im Kreis sein solle.
Teile der Landesschulbehörde blieben vor der Tür
Diese Tragweite hätte auch die Einbindung des für die Gymnasien zuständigen Dezernats 2 im Regionalen Landesamt für Schule und Bildung (Lüneburg) erfordert, finden die Schulleitungen. Gerade in der gewichtigen Frage der Zukunft des Kreisgymnasiums in Bremerhaven. Die Schule liegt bewusst fußläufig zum Hauptbahnhof, über den täglich Hunderte von Schülerinnen und Schülern aus dem Landgebiet anreisen.
Doch der Standort wird aus Kostengründen zur Debatte gestellt. Ein Umzug auf die grüne Wiese könne eine erhebliche Abwanderung auslösen, warnte nicht nur Kreistagsmitglied Henry Kowalewski (SPD) im Schulausschuss - auch Schulleiterin Karin Elle fragte, wie eine so weitreichende Frage ohne intensive Beteiligung ihrer Schule in das Konzept aufgenommen werden konnte. Die Kolleginnen und Kollegen aus Cuxhaven und Hadeln sehen die das "Kreis-Gy" auszeichnende Fächervielfalt gefährdet: "Es wäre gut gewesen, hierzu die Meinung der Landesschulbehörde zu hören."
Von der Projektgruppe gehört worden war lediglich die für den Bereich der Grund-, Haupt-, Real- und Oberschulen zuständige Außenstelle des Regionalen Landesamts für Schule und Bildung in Cuxhaven.
"Das Miteinander hat gelitten"
Viele nicht vollständig durchdachte Maßnahmen und ein Hang zu Einheitslösungen rüttelten ohnehin derzeit am Verhältnis zur Kreisverwaltung: "Die Zusammenarbeit und das Miteinander haben gelitten", so Martin Rehermann. "Wir fühlen uns nicht ernst- und wahrgenommen." Auch Marlies Reinke wünscht sich "eine andere Haltung gegenüber der Bildung" und Thomas Kranenberg wirft ein: "Es geht um Umgang, Stil, Kommunikation."
Von der Haushaltssperre betroffen
Martin Rehermann fühlt sich auf der ewigen Baustelle Lichtenberg-Gymnasium stellenweise allein gelassen, hinzu komme die prekäre Finanzlage: "Die Schulen sind überproportional von der Haushaltssperre betroffen. Von einem auf den anderen Tag ist uns bis Mai 2025 jeglicher Gestaltungsspielraum genommen worden, alles im laufenden pädagogischen Betrieb." Mikroskope, Bücher, Messgeräte für die Naturwissenschaftlen - nichts davon oder nur sehr wenig könne noch angeschafft werden, erklärt Wolfgang Deutschmann.
"Und es ist ja nicht so, dass wir aus einer blumigen Situation kämen", sagt Martin Rehermann mit Verweis auf das 1500-Euro-Budget pro Schule für derlei Anschaffungen. Zur Lehrkräftegewinnung trage all dies sicher nicht bei und erst recht nicht zu optimalen Lernbedingungen.
"Jede Investition in Schülerinnen und Schüler zahlt sich aus"
Bund und Land seien im übrigen bei ihren Beiträgen nicht besser, räumen die Gymnasiallehrkräfte ein: "Dabei zahlt sich jede Investition in unsere Schülerinnen und Schüler aus." Insofern sei es sehr begrüßenswert, dass zu Themen wie Schulsozialarbeit, Personalausstattung oder Inklusion im Konzept klare Positionen bezogen würden, sagt Marlies Reinke.
"Wir alle wollen Schule entwickeln, doch wir brauchen die Rahmenbedingungen", unterstreicht Martin Rehermann. Sie jedenfalls seien zum Dialog mit dem Kreis bereit.