
Seehund-Rettung in Cuxhaven: Wie Heulern geholfen wird - und was Passanten tun müssen
Heuler-Saison in Cuxhaven: Wer einen scheinbar verwaisten jungen Seehund findet, muss wichtige Regeln beachten. Wir haben einen Wattenjagdaufseher bei einer Rettung begleitet. (mit Video)
Die Grimmershörnbucht liegt still an diesem frühen Morgen - Möwen kreischen. Zwischen angespültem Tang und Muschelschalen liegt ein kleiner, grau gefleckter Körper. Auf dem Deckwerk in der Bucht kaum zu erkennen. Ein Heuler, kaum einen Meter lang, hebt suchend seinen Kopf. Dann ist ein leiser, fast klagender Laut zu hören - der Seehund heult.
Tjark Makel kommt mit seinem Lastenrad angefahren. Vorne hat er eine blaue Plastikkiste geladen. Er wirkt konzentriert, fast schon routiniert. Tjark Makel ist ehrenamtlicher Wattenjagdaufseher - eine Aufgabe für Jägerinnen und Jäger, die eine spezielle Weiterbildung durchlaufen haben und vom Landkreis offiziell bestellt werden. Wer sich ohne diese Ausbildung eines Seehundes bemächtigt, begeht eine Straftat: Wilderei.

Seit Jahren engagiert er sich ehrenamtlich dafür, verwaiste Heuler in die Seehundstation nach Norddeich zu bringen. Eine Arbeit zwischen Verantwortung und Fingerspitzengefühl. Denn: "Nicht jeder Heuler ist auch wirklich verwaist", sagt er. "Oft liegen die Jungtiere einfach nur am Strand, während die Mutter auf Nahrungssuche ist. Deshalb beobachten wir genau, bevor wir eingreifen."
Im Wohnzimmer der Seehunde
Die Hauptwurfzeit der Seehunde fällt in die Wochen zwischen Anfang Juni und Mitte Juli. Dann bringen die Weibchen ihre Jungen auf Sandbänken zur Welt. Doch nicht selten kommt es durch Touristen, freilaufende Hunde oder Wattwanderungen ohne Führung zu Störungen. Wird das Muttertier verschreckt, flüchtet es - manchmal ohne zurückzukehren. Zurück bleibt ein Heuler, orientierungslos und hungrig. So auch an diesem Donnerstag in der Grimmershörnbucht.
Zwei Zollbeamte hatten das Tier bei ihrer Patrouille durch die Bucht gesehen und genau richtig reagiert. "Das kam bei uns schon öfter vor", sagte einer der beiden. Sie wählten die Nummer der Seehundstation in Norddeich (0 49 31) 97 33 30.
Während die Mitarbeiter der Seehundstation die Kontrolle des Heulers koordinierten und einen Wattenjagdaufseher vor Ort kontaktierten, warteten die Beamten. Wache zu halten ist eigentlich nicht notwendig, doch Passanten, Jogger und auch Menschen mit Hunden näherten sich dem Tier immer wieder, um Fotos zu machen - Unwissenheit, die den Tieren das Leben kosten kann. Außerdem laufen in der Bucht viele Hunde ohne Leine. Allein an diesem Donnerstagmorgen waren über sechs Hunde zu beobachten, wie sie unangeleint über den Deich rannten.
"Der menschliche Geruch oder der von Hunden kann dazu führen, dass das Muttertier ihr Junges nicht mehr annimmt. Deshalb: Abstand halten, nicht anfassen und sofort die Seehundstation informieren", appelliert Makel. Und auch für Hunde kann die Annäherung an einen Seehund gefährlich werden. "So süß sie aussehen - Seehunde sind wild lebende Raubtiere", mahnt Tjark Makel.
In Norddeich wird der Heuler aufgenommen
Vorsichtig nähert er sich dem Tier von hinten, nachdem er seine langen grünen Handschuhe angezogen hat. Dann greift er beherzt zu und packt das Tier an den hinteren Flipper, dem Schwanz der Seehunde. Mit geübten Handgriffen verstaut er das Tier vorsichtig in der mitgebrachten blauen Box. Anschließend geht es zu seinem Auto. Der Heuler wird im Kofferraum gesichert. Die Fahrt geht jedoch nicht direkt nach Norddeich - ein Kollege übernimmt später hinter dem Wesertunnel. Sonst wäre die Strecke zu lang für die Ehrenamtlichen. In Norddeich wird der Heuler aufgenommen, untersucht, gesund gepflegt und nach circa 65 Tagen wieder ausgewildert. Bis zu 20 Heuler pro Saison retten die Wattenjagdaufseher im Raum Cuxhaven.

In Jahren mit besonders vielen Wetterkapriolen wie Stürme oder starken Gewittern oder bei häufigen Störungen können es mehr werden. An der gesamten niedersächsischen Küste werden jährlich über 100 Jungtiere in die Seehundstation gebracht. Seit den 1970er-Jahren kümmert man sich in Norddeich mit viel Engagement um die Aufzucht der Heuler, die an der niedersächsischen Küste gefunden werden, und wildert die Raubtiere wieder aus.
Die Population der Seehunde stagniert in den vergangenen Jahren. Zählungen werden regelmäßig - zweimal im Jahr entlang der gesamten Küste - aus der Luft mit einem Flugzeug durchgeführt. Auch am zurückliegenden Montag war es wieder so weit.
Von Juni bis August: Verhalten beim Fund eines verwaisten Jungtieres (Heuler)